Die Diskussion rund um Provisionen in der Beratung wird auf EU-Ebene weiterhin kontrovers geführt. Die geplante „Kleinanlegerstrategie“, in deren Zuge auch Provisionsverbote eingeführt werden könnten, soll mögliche nachteilige Interessenskonflikte bei Vermittlerinnen und Vermittlern unterbinden.

Daher sollen Vermittler nach EU-Vorstellungen nur dann als unabhängig gelten, wenn sie keine Vergütungen von Versicherern erhalten. Eine Verabschiedung der der Strategie noch im ersten Halbjahr 2025 ist durchaus möglich. Eine neue Studie der Fachhochschule (FH) Dortmund deutet nun an, dass diese Vorhaben in Deutschland auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern schwer haben könnten.

Ein sehr kleiner Teil deutscher Vermittler arbeitet rein auf Honorarbasis

Bei deutschen Vermittlern stoßen die Pläne der EU häufig auf Unverständnis: „Die geplanten Änderungen treffen das Selbstverständnis der Versicherungsmaklerinnen und -makler, die sich trotz Provisionszahlungen als unabhängig vom einzelnen Versicherer und dessen Angeboten sehen“, erklärt angesichts dieser Ausgangslage Matthias Beenken, Ein Autor der Studie und Professor für Versicherungswirtschaft an der FH Dortmund. Co-Autor Lukas Linnenbrink, Stiftungsprofessor für Versicherungs- und Risikomanagement an der FH, ergänzte: „Außerdem findet die Honorarberatung in Deutschland bisher keine nennenswerte Akzeptanz.“

Um diese Aussage zu unterstreichen, nannte die Pressemitteilung der FH Dortmund konkrete Zahlen: Im Versicherungsvermittlerregister finden sich aktuell knapp über 300 Versicherungsberaterinnen und -berater, die ausschließlich gegen Honorar beraten und vermitteln dürfen. Im Vergleich dazu gibt es unter den insgesamt 181.000 Versicherungsvermittlern in Deutschland circa 134.000 Versicherungsvertreter, die nur gegen Provision tätig werden können. Die rund 47.000 ‚übrigen‘ Versicherungsmakler können wählen, ob sie statt gegen Provision für Honorar arbeiten wollen.

Groß angelegte Studie

Die Studie „Wert unabhängiger Versicherungsberatung“ basiert auf einem Onlineexperiment, welches im Auftrag der FH Dortmund vom Marktforschungsinstitut Heute und Morgen im Februar 2025 durchgeführt wurde. Dabei wurde eine repräsentative Stichprobe von 2.034 Bundesbürgerinnen und -bürgern zwischen 25 und 55 Jahren befragt, die sich grundsätzlich den Abschluss einer (gegebenenfalls zusätzlichen) Rentenversicherung zur Sicherstellung ihrer Altersvorsorge vorstellen können.

Die Teilnehmenden wurden von einem KI-generierten Avatar beraten und hatten die Wahl zwischen einer Rentenversicherung mit eingerechneten Provisionen („Bruttotarif“) oder einer günstigeren Variante ohne diese Kosten („Nettotarif“), bei der jedoch ein separates Honorar anfiel. Je nach Gruppe wurden drei unterschiedlich hohe Honorare angeboten, um den Einfluss der Preisgestaltung zu untersuchen. Zudem wurden zwei Experimente durchgeführt: In einem wurden die Tarife ohne Erklärung vorgestellt, im anderen wurde der Zeitaufwand für Beratung und Vermittlung erläutert. Eine Kontrollgruppe erhielt ausschließlich das Bruttotarif-Angebot. Insgesamt wurden die Teilnehmenden so auf sieben Gruppen mit jeweils etwas unter 300 Personen aufgeteilt.

Alternativen erhöhen die Abschlussbereitschaft

Ein Ergebnis war, dass allein die Möglichkeit, zwischen Brutto- und Nettotarif zu wählen, die Abschlussbereitschaft deutlich erhöhte. Während in der Kontrollgruppe 69 Prozent das Angebot des Bruttotarifs ablehnten, sank diese Quote in den Gruppen mit Alternativangebot auf nur 28 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass Wahlmöglichkeiten eine entscheidende Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen und die Akzeptanz einer Rentenversicherung erheblich steigern können. Linnenbrink kommentierte, es könne „für den Versicherungsvertrieb eine Chance sein, Alternativangebote zu machen“.

Kunden entscheiden aber häufiger irrational

Allerdings zeige sich auch: Viele Verbraucher trafen keine rein rationale Entscheidung. 54 Prozent der Teilnehmenden wählten trotz des günstigsten Honorars den teureren Bruttotarif, während 21 Prozent selbst bei einem überhöhten Honorar den Nettotarif bevorzugten. Ein möglicher Grund könnte sein, dass sich die Ersparnis des Nettotarifs erst über viele Jahre hinweg bemerkbar macht, während das Honorar sofort zu zahlen ist. Zudem besteht für Honorare keine gesetzliche Stornohaftung, sodass sie bei einer vorzeitigen Kündigung der Rentenversicherung nicht zurückerstattet werden müssen – im Gegensatz zu Provisionen, die erst nach fünf Jahren vollständig verdient sind. Es sei „problematisch“, dass viele Teilnehmende „einfach nominal die in der Beratung genannten Beträge vergleichen“, konstatierte Linnenbrink.

Einige Kundinnen und Kunden verglichen die langfristige Prämienersparnis direkt mit dem sofort fälligen Honorar, ohne die zeitliche Differenz zu berücksichtigen. Dieser nominale Vergleich führte oft zu Fehlentscheidungen, so die Autoren. Beispielsweise sagten 74 Prozent derjenigen, die ein teureres Honorar wählten, für sie sei ein Vergleich maßgeblich gewesen.

Zudem zeigte das Experiment, dass eine Begründung des Honorars durch den Beratungsaufwand die Akzeptanz nicht erhöhte. Laut Beenken würden Verbraucher oft den Wert unabhängiger Beratung nicht erkennen. „Die in der Verbraucherpolitik gern verwendete Annahme, Entscheidungen würden rational getroffen, hält der Realität nicht stand“, resümierte der Professor. 71 Prozent der Teilnehmenden bevorzugten Versicherungsangebote mit eingerechneten Kosten, und 65 Prozent empfanden die angebotenen Honorare als unangemessen.

Für die Autoren sprechen die Ergebnisse eine klare Sprache

Die Studienergebnisse sprechen laut den Autoren gegen ein Provisionsverbot und damit gleichbedeutend auch gegen einen Honorar-Zwang. Linnenbrink sagte, sie hielten es für richtig, „wenn die Kundinnen und Kunden selbst entscheiden, welche Vergütungsform sie wählen“. Beenken ergänzte, dabei sei es aber wichtig, dass „gleiche Wettbewerbsbedingungen“ herrschen. „In der Vergangenheit wurden Maßnahmen gegen nachteilige Provisionsgestaltungen ergriffen, aber keine gegen nachteilige Honorargestaltungen. Hier wäre mehr Ausgewogenheit zum Schutz derjenigen Verbraucher nötig, die leicht zu übervorteilen sind.“

Die komplette Studie ist bei der Fachhochschule Dortmund kostenfrei zum Download verfügbar.

Quelle: FH Dortmund

Autor(en): Frederik Schmidt