Social Media und Assekuranz: Noch keine heiße Affäre

Versicherungswirtschaft 2.0. - die richtige Strategie entscheidet, lautete das Motto des dritten Assekuranzforums, das in München stattfand. Social Media- und CRM-Spezialisten aus der Assekuranz diskutierten über Sinn, Unsinn und Wirksamkeit von Facebook-Auftritten, Tweets, Onlinevertrieb und Leadgenerierung.

"Für uns ist Digitalisierung ein Top-Trend, aber die Versicherungswirtschaft geht eher zögerlich an das Thema heran", konstatierte Dr. Gero Matouschek, Partner bei Bain & Company. Einige Branchen wie Buchhandel, Reiseanbieter oder Verlage hätten sich durch das Internet schon grundlegend verändert. Und auch das Kundenverhalten habe sich durch die Digitalisierung radikal gewandelt. Heute seien Kunden jeder Altersstufe im Internet zu finden. "Ob Sie da mitgehen oder nicht ist egal, es passiert auf jeden Fall", so Matouschek. Bisher getrennte Vertriebswelten wüchsen künftig zu einem Omnikanal zusammen.

Erfolgsfaktoren für eine Digitalisierungsstrategie
Bain hat in der Studie "Versicherungen: Die digitale Herausforderung" diese Veränderungen erfasst und Handlungsfelder definiert, die die Assekuranz angehen müsse, um sich den geänderten Gegebenheiten anzupassen. Matouscheks Kollegin Dr. Christina Ellringmann definierte Erfolgsfaktoren, für eine nachhaltige Digitalierungsstrategie der Versicherungsunternehmen:
  • Eine ganzheitlicher Ansatz, der Vertrieb, Marketing und IT mit einbezieht, muss das Silodenken der einzelnen Vertriebswege ablösen.
  • Nicht die technischen Möglichkeiten, sondern die Kundenbedürfnisse sollten auschlaggebend sein.
  • Risikotoleranz und Portfoliodenken bei gleichzeitiger Fokussierung auf den Wertbeitrag.
  • Statt die perfekte Lösung anzustreben, sollte im Unternehmen ein kritischer Pragmatismus herrschen.
  • Die Ergebnisse müssen im Unternehmen nachhaltig verankert werden.
  • Anfangen! Kein großes 12-Monats-Programm, sondern kleine Schritte systematisch angehen.


Vertriebsunterstützung auf Facebook
Iris Stojko, Global Social Media Strategist bei der Allianz SE, sorgt mit ihrem Team konzernübergreifend dafür, dass sich Social Media nach und nach im Unternehmen etabliert. Dass alle der rund 144.000 Allianz-Mitarbeiter digital "blau" denken und handeln ist noch Zukunftsmusik, machte Stoiko deutlich. Zu unterschiedlich sind die Gegebenheiten in den einzelnen Standorten: "Während die Angestellten in den USA Facebook und Twitter ganz selbstverständlich nutzen, haben die Kollegen in Italien Angst vor dem Internet während die Brasilianer sich freuen, wenn sie überhaupt eine stabile Internetverbindung haben." Ein Beispiel für die Social Media-Strategie des Versicherers ist die Vertriebsunterstützung auf Facebook für die Vertreter.

Zentral wurden über 10.000 Websites programmiert und über ein Page Management Tool den Vermittlern zur Verfügung gestellt. So haben alle Facebook-Auftritte ein einheitliches Erscheinungsbild, das den Style Guidelines entspricht. So genannte Community Manager stehen den Nutzern bei Fragen zur Verfügung. Auch Inhalte werden den Vermittlern von der Allianz geliefert. Stojko berichtete, dass das Modell bislang in vier Kernmärkten und einem Wachstumsmarkt eingesetzt wird, darunter Deutschland mit 1.000 Allianz-Vertretern.

Vom Global Player zum Nischenanbieter
Dass nicht nur Global Player sondern auch kleinere Marktteilnehmer die Digitalisierung erfolgreich nutzen können, belegte Hartmut Waldmann von Wertgarantie. Das Unternehmen, das zur Aegidius AG gehört, besetzt eine Marktnische und versichert solche Reparaturen an Smartphones, Tablett-PCs und Notebooks, die nicht von der Garantie gedeckt werden. Wertgarantie arbeitete bis vor drei Jahren ausschließlich mit einem stationären Vertrieb, der in Elektronikmärkten tätig ist. "Wir wollten den Onlinevertrieb nicht den Aggregatoren überlassen" und habe mit dem Aufbau des Onlinevertriebskanals begonnen, erläuterte Waldmann.

Wichtig sei gewesen, nicht gegen den Außendienst zu arbeiten und diesen mit in die Veränderungen zu integrieren. Zuerst habe einige Skepsis geherrscht. Heute aber arbeite der Außendienst mit Tablett-PCs und wisse deren Vorteile zu schätzen: Beispielsweise die integrierten Beratungsunterlagen für das Kundengespräch. Mittelfristig plane man die Garantie-Urkunde durch eine Tablet-App zu ersetzen.


"Der Lead ist tot, es lebe der Lead-Dialog", lautet der Ansatz von Jürgen Fink. Der Geschäftsführer von Salesurance glaubt daran, dass Social Media kein Hype ist. Schließlich sei fast jede vierte Kaufentscheidung maßgeblich durch das Internet bestimmt. Aber die Waffen der Versicherungsbranche, um Kunden anszusprechen seien stumpf. Das Anfrage-Lead-Modell etwa, das durch steigende Leadkosten, strengeren Datenschutz, verändertes Kundenverhalten und gestiegene Stornohaftungszeiten nicht mehr funktioniere. Fink der Neukundenmarketing für Finanzvertriebe, unter anderem mit der die Software "Finanzheld" betreibt, setzt lieber auf gezielten Lead-Dialog. Mit diesem könne man das Kaufverhalten nachhaltig steuern. "Der klassische Lead deckt nur die Kaufphase ab", weiß Fink. Die Vorkauf- und Nachkaufphase würden nicht bearbeitet. Der Social-Media Kunde sei aber in allen drei Kaufphasen aktiv.

Finanzheld gebe den Vermittlern für alle Phasen Instrumente in die Hand, um nachhaltige Kundenkontakte aufzubauen, erläuterte Fink Die Software hilft den Nutzern ein so genanntes Vertrauensprofil aufzubauen. Die Vermittler erhalten qualifizierte Leads und bitten ihre Kunden sie in sozialen Netzwerken zu bewerten. Diese Bewertungen fließen wieder in die Finanzheld-Plattform ein. Das Vertrauensprofil wird durch Bewertungen, Fachartikel die Vermittler veröffentlichen können, Antworten auf Kundenfragen oder eingebundene Siegel immer werthaltiger. Die automatisierten Prozesse sollen für einfachen und schnellen Erfolg der Vermittler sorgen.

Die Veranstaltung
Die Konferenz Versicherungswirtschaft 2.0 beruht auf der studentischen Initiative @ssekuranzforum. Sie fand 2013 zum dritten Mal findet in München statt. Das Konzept möchte "visionäre Gedanken für die Versicherungswirtschaft fördern, diese mit der Praxis verbinden und Veränderungspotenziale aufzeigen", heißt es in der Selbstdarstellung der Initiative. Das Programm wird sowohl von Wissenschaftlern, als auch von Praktikern, Beratern und Vertretern von innovativen Start-Up-Unternehmen bestritten.


Bild: © Gerd Altmann/

Autor(en): Alexa Michopoulos

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