Die Absicherung von Krediten ist seit geraumer Zeit in die Kritik geraten, weil die Vergütungen für die Vermittler ungewöhnlich hoch ausfallen. Zahlen der Versicherer unterstützen den Verdacht, dass dabei nicht immer das bestmögliche Interesse der Kunden beachtet wird.
Die Absicherung von Immobiliendarlehen und von Verbraucherkrediten gegen das Risiko des Todes, teilweise zusätzlich auch der Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit des Kreditnehmers ist grundsätzlich eine sinnvolle Sache. So kann es einer jungen Familie kaum gleichgültig sein, ob der Hauptverdiener sein Einkommen erzielen und die Raten bedienen kann oder aber im Ernstfall ohne Einkommen, aber mit hohen Kreditraten dasteht.
Nicht jeder Kreditnehmer hat den Bedarf
Allerdings ist es auch ein lukratives Zusatzgeschäft für Banken, Sparkassen und Kreditvermittler, geradezu standardmäßig die Restschuldversicherung mit anzubieten. So findet man beispielsweise auf den Webseiten von Autoherstellern konkrete Finanzierungsangebote oft mit einer vorbelegten Wahl der Restschuldversicherung, die vom Nutzer aktiv entfernt werden muss.
Bei weitem nicht jeder Kreditkunde hat den Bedarf an einer solchen Versicherung. Das gilt beispielsweise dann, wenn es keine Hinterbliebenen gibt, oder wenn die Hinterbliebenen keinerlei wirtschaftlichen Schwierigkeit hätten, den Kredit weiter abzuzahlen. Dasselbe gilt, wenn der Kreditnehmer andere Sicherheiten bieten kann.
Wann eine klassische Risikolebensversicherung sinnvoll ist
Als andere Sicherheit kann unter anderem eine klassische Risikolebensversicherung herangezogen werden, die ganz unabhängig von einer Kreditfinanzierung anzuraten ist, wenn im Ernstfall Hinterbliebene zu versorgen sind. Bei Ehe- und Lebenspartnern kann die verbundene Risikolebensversicherung bedarfsgerecht sein, um wechselseitig versorgt zu sein. Besteht eine solche Versicherung bereits, muss es dem Kreditgeber genügen, diese für den Zeitraum des Kreditrisikos abgetreten zu erhalten.
Fast 1,2 Millionen Neuverträge
Wie lukrativ das Geschäft mit mehr oder weniger automatisch beim Kreditabschluss mitverkauften Restschuldversicherungen sein muss, dafür gibt die Übersicht „Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2019“ des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) einen lebhaften Eindruck.
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt rund 1.172.000 neue Restschuldversicherungen und Lebensversicherungen ohne Überschussbeteiligung abgeschlossen. Das Gros davon kam per Einmalbeitrag in die Bücher der Versicherer, 964.000 Stück. Dagegen wurden nur 208.000 Stück mit laufender Beitragszahlung policiert.
Der langjährige Vergleich zeigt einen erheblichen Erfolg der Restschuldversicherung im Vergleich zu „normalen“ Risikolebensversicherung. 2005 lagen beide Versicherungsarten mit jeweils über einer Million Neuverträge fast gleichauf. In den Jahren 2010 und 2011 wurden deutlich mehr Risiko- als Restschuldversicherungen verkauft. Dann aber wendete sich das Blatt und Restschuld überholte die Risikoversicherung. Im vergangenen Jahr standen den erwähnten fast 1,2 Millionen Neuverträgen Restschuld nur noch 468.000 Neuverträge Risikoversicherung gegenüber.
Teurer Restschuld-Skandal in Großbritannien
Dieser enorme Aufschwung der Annexversicherungen der Kreditbranche scheint auch mit den ungewöhnlich hohen Provisionen zusammenzuhängen, die in dieser Vertriebsschiene gezahlt werden. Großbritannien hatte mit dem sogenannten PPI-Skandal erstmals massiv auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Nach einem höchstrichterlichen Urteil aus dem Jahr 2011 mussten die Versicherer bislang mehr als 33 Milliarden Britische Pfund an die betroffenen Kunden zurückzahlen, so die britische Finanzaufsicht FCA auf ihrer Webseite.
Erst 2017 untersuchte auch die deutsche Versicherungsaufsicht Bafin diesen Markt und berichtete ebenfalls über Provisionshöhen, die gemessen an marktüblichen Vergütungsvereinbarungen „teilweise außerordentlich hoch sind“, so die Bafin in ihrer Pressemitteilung. Danach waren Provisionen von 50 Prozent der Prämie und mehr eher die Regel als die Ausnahme. Zum Vergleich: „Normale“ Vertreter und Makler sind froh, wenn sie für Lebensversicherungen drei bis vier Prozent der Prämie erhalten.
Restschuld-Risiko bringt erheblich mehr Prämie
Das wiederum muss sich letztlich in den Prämien wiederspiegeln. Auch dafür gibt der GDV mit seinen Statistiken Anhaltspunkte. Für 1.000 Euro Versicherungssumme zahlten Neukunden (Neu- und Erhöhungsgeschäft) bei Verträgen mit laufender Beitragszahlung pro Jahr 3,96 Euro für Risikoversicherungen, aber 13,99 Euro für Restschuldverträge. Auch bei Einmalbeitragsversicherungen zeigt sich ein deutlicher Unterschied. Hier zahlten die Kunden für 1.000 Euro Versicherungssumme 45 Euro in der Risikoversicherung, aber 75,83 Euro in der Restschuldversicherung.
Restschuldversicherungen sind möglicherweise nicht vollständig mit Risikoversicherungen vergleichbar, weil teilweise nicht nur das Todesfallrisiko, sondern wie erwähnt auch andere Risiken eingeschlossen werden. Aber selbst wenn man die Restschuld- mit der Invaliditätsversicherung (in erster Linie Berufsunfähigkeit) vergleicht, erscheint sie doch erstaunlich teuer. Bei Verträgen mit laufender Beitragszahlung – Einmalbeiträge kommen bei Invalidität praktisch nicht vor – zahlen die Kunden für 1.000 Euro Versicherungssumme in der Invaliditätsversicherung 6,52 Euro, also immer noch weitaus weniger als die 13,99 Euro für die Restschulddeckung.
Für alle Beteiligten besser als die radikale britische Lösung
Nach der parlamentarischen Sommerpause werden die Verhandlungen über den Vorschlag des Bundesfinanzministeriums für einen gesetzlichen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung und in der Restschuldversicherung fortgesetzt. Wenn überhaupt, dann gibt es wohl für den Restschuld-Markt Argumente für einen solchen Eingriff. Das wäre jedenfalls allemal besser für die Beteiligten als die radikalere britische Lösung.
Autor(en): Matthias Beenken