Smart Home, das vernetzte und intelligente Heim, könnte das Kundenbindungselement für Versicherer werden. Doch bisher gibt es nur Nischenangebote. Kritiker auf der 5. Inno-Vario Messe der V.E.R.S. Leipzig GmbH warnten die Branche vor einer gefährlichen Entwicklung. Auf 36 Workshops diskutieren in Bonn Versicherer, IT-Unternehmen und Startups zwei Tage über neue Entwicklungen in der Branche. Dabei drückt die Digitalisierung der Veranstaltung einen deutlichen Stempel auf.
Versicherer sollten schnell mit Anbietern kooperieren, die im Markt der Internet of Things (Internet der Dinge – IoT) aktiv sind. Sonst werden sie bald sämtliche Kundenverbindungen verlieren. Nur wer bei IoT den Fuß im Geschäft hat, ist in einer digitalen Welt wettbewerbsfähig. Das ist die Kernbotschaft von Olaf Schindler, Chief Executive Officer der Livis GmbH.
Das Unternehmen baut ein Öko-System rund um das Thema Smart Home. Schindler ist sicher, dass Smart Home bald in ganz Deutschland Einzug hält. Alle Geräte werden künftig vernetzt gesteuert. Dabei hätten große Internetfirmen wie Amazon mit der Sprachbox Alexa schon die Nase vorne oder wären künftig eine gefährliche Konkurrenz für die Versicherungsbranche. Denn die Kunden würden sich an diese Systeme gewöhnen und nach und nach immer mehr Funktionen aufschalten. Versicherer, die mit Smart-Home-Projekten gestartet wären, hätten den Fehler begangen, von der Hardware oder dem Problem her zu denken.
Von der Emotion kommen
Das würde nicht funktionieren. "Niemand will sich für 290 Euro einen Leitungswasser-Detektor in den Keller bauen, um etwas bei der Wohngebäude- oder Hausratversicherung zu sparen", so Schindler. Man müsse die Vernetzung von der Emotion her verkaufen. "Dann steigt der Absatz um das 20-fache", so Schindler. So hätte das Unternehmen Beleuchtungssysteme mit dem Hinweis verkauft, dass die Kinder mit dem Sonnenuntergang besser einschlafen könnten. Wer dann einmal den Fuß in der Wohnung des Kunden habe, der könne später auch eine Abwesenheitsbeleuchtung gegen Einbruch, die Fenstersteuerung gegen Starkregen oder Pollenflug sowie eben ein Leitungswasserwarnsystem dazu bauen. "Die Hardware wird immer günstiger", stellte Schindler fest.
Livis hat derzeit rund 70.000 Kunden, die rund eine Million Geräte vernetzt haben. "Unsere Kündigungsrate ist gleich null", sagte Schindler. "Das ist wie bei einem Router oder Alexa."Wer ein solches Gerät habe bleibe treu." Livis kooperiert bald mit Aldi und im Januar mit dem Versandhändler Otto. Jeder Versicherer könnte sofort mit einem Test mit Livis zusammenarbeiten. Am Rand der Veranstaltung gab sich der Vertreter eines großen Rückversicherers sehr skeptisch. "Smart-Home läuft nicht, weil die Versicherer weder in Hausrat- noch in Wohngebäude große Margen haben, um zu investieren oder Nachlässe zu geben. Die Produkte seien risikotechnisch ausgereizt. Da sind über Prävention und Handling vielleicht noch zehn Prozent drin", so der Experte.
Von den Kunden abgeschnitten?
Trotzdem warnten einige IT-Berater vor der Gefahr, dass Wohnungen mit umfassender Sensorik von neuen Assekuranzen in einer Kooperation für wenig Geld versichert würden, weil es dann nur noch ein Restrisiko gebe. Der Wettbewerb um die Kunden dürfte durch Smart Home deutlich angeheizt werden. Für Vermittler könnten Kooperationen eine gefährliche Entwicklung bedeuten. Sie werden damit von den Kunden vollkommen abgeschnitten.
Neue digitale Gewerbeversicherer
Besser sieht es hingegen im Gewerbebereich aus. Hier kooperieren neue digitale Versicherer immer intensiver mit Versicherungsmakler. Vergleichsportale, wie Gewerbeversicherung 24, dass sich jetzt Thinksurance nennt oder Finanzchef 24, nehmen hier aber eine immer dominantere Stellung ein. So präsentierte sich am Rande der Konferenz Andsafe, der digitale Gewerbeversicherer der Provinzial Nordwest. "Das Geschäft läuft sehr gut an", sagte Sales Director Christoph Hermanowski. Vertrieben wird die Gewerbeversicherung direkt oder über Vergleicher.
Anbieter wollen deutlich günstiger sein
"Unsere Zielgruppe sind Klein- und Kleinstunternehmer sowie Gründer", erläutert Hermanowski. "Wir sind im Vergleich zur Mutter deutlich günstiger und leistungsstärker." Über Vergleichsportale ist Andsafe sogar oft günstiger als im Direktgeschäft. Hier könnten mehr Fragen gestellt werden. Dadurch sei das Risiko noch besser zu tarifieren. Neu ist auch der digitale Gewerbeversicherer Mailo, der erstmals alle Daten in einer Cloud speichert. Seit Juli ist die neue Assekuranz am Markt. Verträge will Mailo über Versicherungsmakler gewinnen. "Klassische Makler haben das Geschäft bisher gemieden", glaubt Uebing. Die Margen wären gering und die Produkte müssten komplex sein. Nach Erkenntnis von Mailo wären 50 Prozent der Kleinunternehmen nicht ausreichend abgesichert - oft in existenziellen Bereichen. Mailo würde einen regelrechten Ansturm der Versicherungsmakler erleben. Vor allem von Maklern, die sich bereits in bestimmten Nischen spezialisiert hätten. Künftig sollen auch Handwerker versichert werden. Das stehe ganz oben auf der Agenda. "Wir wollen dann Allroundern Schutz anbieten", sagte Uebing. Wenn die Assekuranz ihre volle Automatisierung erreicht habe, will sie kostentechnisch 30 Prozent günstiger sein, als klassische Gewerbeversicherer.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek