Sieg für Verbraucher

Über fünfzehn Jahre dauerten die gerichtlichen Auseinandersetzungen: Zur Debatte standen die gesetzlichen Regelungen bei Kapitallebensversicherungen in Sachen Überschussbeteiligung und Transparenz. Gestern hat das Bundesverfassungs-Gericht sein Urteil gefällt. In den anschließenden Kommentaren fühlten sich alle Betroffenen, Verbraucherschützer, Versicherer und der GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft als Sieger.

Als Fazit zeigte der gestrige Richterspruch aber auch deutlich: Es fehlen hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür, dass bei der Berechnung des bei Vertragsende zu zahlenden Schluss-Überschusses die durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden. Dazu soll bis 31. Dezember 2007 gesetzlich mehr Transparenz festgeschrieben werden.

Ausgelöst wurde die Auseinandersetzung durch drei anhängige Klagen. Im ersten Fall (1 BvR 782/94) wandten sich Beschwerdeführer gegen das Risiko, dass ein Anspruch auf Überschussbeteiligung durch Übertragung des Bestands der Lebensversicherungen an eine andere Gesellschaft vermindert werde. Der Fall: In den achtziger Jahren hatte die R+V Lebensversicherung a.G. die Umgründung in eine Aktiengesellschaft vorgenommen.

Im zweiten Fall (1 BvR 957/96) ging es ebenfalls um die Übertragung des Bestands aus einem Lebensversicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf eine neu gegründete Lebensversicherungs AG. Diese Bestandsübertragung führe zum Verlust der Vereinsmitgliedschaft und - soweit Vermögen beim grundsätzlich fortbestehenden Verein verbleibt - gegebenenfalls auch zu einer Minderung des Überschussanspruchs, verdeutlichten die Kläger. Im speziellen Fall ging es jedoch um die Höhe des Entgelts, das in einem solchen Fall als Ausgleich für den Verlust der Mitgliedschaft an die ehemaligen Vereinsmitglieder zu zahlen sei.

Die dritte Verfassungsbeschwerde (1 BvR 80/95) richtete sich gegen zivilgerichtliche Urteile über die Höhe der an den Versicherten schon ausgezahlten Überschussanteile. Die Beschwerdeführer hielten den an sie ausgeschütteten Gewinnanteil für zu niedrig. Die ausgekehrten Überschüsse bezögen die stillen Reserven des Versicherungsunternehmens nicht ein.

Insgesamt waren zwölf Beschwerdeführer beim Bundesverfassungsgericht angetreten, zu denen auch der Bund der Versicherten (BdV) gehörte. Von dort kam umgehend eine Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „Ein großer Tag für die Versicherten! Deutschlands Lebensversicherer müssen endlich die Karten auf den Tisch legen. Das in Karlsruhe verkündete Urteil bietet Gesetzgeber und Gerichten die Grundlage, die Versicherungsgesellschaften zu zwingen, ihren Kunden künftig verbindlichere Angaben zur Überschussbeteiligung zu machen. Zudem legt das Karlsruher Urteil dem Gesetzgeber nahe, für eine stärkere Kontrolle hinsichtlich der stillen Reserven der Gesellschaften durch Gerichte und Finanzaufsichtsbehörden zu sorgen. Wesentliche Teile der geltenden Regelungen sind für verfassungswidrig erklärt worden.

Für den direkt betroffenen Versicherer R+V kommentiert Rainer Sauerwein, Vorstandsvorsitzender der R+V Lebensversicherung AG, das Urteil: „Für R+V bedeutet das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, dass die Umgründung Ende der achtziger Jahre rechtskräftig und bestätigt ist. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht der Forderung nach einer stärkeren Beteiligung an den Bewertungsreserven für die Vergangenheit eine Absage erteilt. Gleichzeitig ging der Auftrag an den Gesetzgeber, den rechtlichen Rahmen bezüglich Transparenz der Überschussbeteiligung weiterzuentwickeln. Diese Entscheidung des Gerichts, die die gesamte Branche betrifft, macht deutlich, dass Lebensversicherungen als private Altersvorsorge stetig an Bedeutung zunehmen."

Mit den Entscheidungen ist ein Schlussstrich unter eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem Bund der Versicherten gezogen, der die Verfahren angestrengt und unterstützt hat, freut man sich beim GDV. Wie GDV-Pressesprecherin Gabriele Hoffmann dazu mitteilt, habe die Versicherungswirtschaft sich schon bisher an der Reformdiskussion konstruktiv beteiligt und werde dies auf dem Boden der heutigen Urteile fortsetzen.



Autor(en): Ellen Bocquel

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