Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) möchte für alle Selbstständigen eine obligatorische Alterssicherung. „Das ist sozialpolitisch sinnvoll“, sagte Annelie Buntenbach, die der DRV für den Deutschen Gewerkschaftsbund vorsteht. Auch Alexander Gunkel, Arbeitgebervertreter bei der DRV, plädierte bei einer Veranstaltung in Würzburg für mehr Altersvorsorgeschutz der Selbstständigen.
Viele Selbstständige, auch Spitzenverdiener, würden in guten Zeiten nicht freiwillig vorsorgen. „Das ist im Ruhestand dann eine fahrlässige Inanspruchnahme der Gemeinschaft“, sagte Gunkel. Der DRV appellierte an die künftige Jamaika-Regierung, hier eine tragfähige Lösung zu entwickeln. Nach Meinung von Buntenbach sei es eine kosten- und bürokratiearme Lösung, wenn die Selbstständigen grundsätzlich in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssten. Hier gibt es aber innerhalb der DRV unterschiedliche Auffassung zwischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter.
Europäisches Vorsorgeprodukt zu liberal
Als wichtigen Anstoß zur Weiterentwicklung der nationalen Sozialsysteme begrüßte Gundula Roßbach, Präsidentin der DRV, die Absicht ein europaweites Altersvorsorgeprodukt zu etablieren. Das Pan-European Personal Pension Produkt (PEPP) soll noch dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission so gestaltet sein, das es unterschiedlichste Träger anbieten können - etwa betriebliche Rentenkassen, Versicherungen, Banken oder Vermögensverwaltungsgesellschaften. Die Chefin der deutschen Rentenversicherung ist jedoch skeptisch, ob die liberalen Kriterien, die für eine solche breiten Anbieterfocus notwendig sind, für eine Altersvorsorge sinnvoll sind.
Einmalauszahlungen und zeitlich befristete Auszahlungspläne sieht Roßbach sehr kritisch. „Teil einer verlässlichen Lebensstandsicherung wären solche Produkte jedenfalls kaum“, so die Rentenexpertin. Alles was befristet sei oder verbraucht werden könne, ist nach Ansicht von Roßbach kein Altersvorsorgeprodukt. Das gelte auch für Immobilien. Sichere Altersvorsorgeprodukte würden immer das Leben bis zum Tode absichern. Zwar sei es längst „unstrittig“, dass die zusätzliche Altersvorsorge in der zweiten und dritten Säule gesteigert werden muss, wenn Lebensstandardsicherung aus mehreren Säulen Realität der Alterungssicherung werden soll.
Angesichts der Niedrigzinsphase auch Pepp-Produkte akzeptabel
Roßbach sympathisiert daher mit einem aktuellen Beschluss des Bundesrates zur Pepp-Verordnung. Danach soll das europäische Rentenprodukt nur dann staatlich förderfähig sein, wenn es eine lebenslange Rente vorsieht, der Erhalt der eingezahlten Beiträge garantiert wird und Kürzungen der laufenden Renten in der Auszahlungsphase ausgeschlossen sind. Damit würden Pepp-Produkte gegenüber dem Willen der Europäischen Union wieder stark reglementiert und an die deutsche, staatliche geförderte Riester-Rente angelehnt. Demgegenüber würde Arbeitgebervertreter Gunkel angesichts der Niedrigzinsphase auch Pepp-Produkte akzeptieren, die ohne einen Bruttobeitragserhalt konzipiert sind.
Gemeinsame Rentenmitteilung entwickeln
Eine Rentenmitteilung über alle drei Säulen der individuellen Altersversorgung wünscht sich die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Derzeit wird eine solche Übersicht, die gesetzliche und private Vorsorgeansprüche zusammenfasst, in Arbeitsgruppen vorbereitet. Doch die Umsetzung dauert wohl noch. „Eine Lösung innerhalb dieser Legislaturperiode halte ich aber für realistisch“, sagte Gunkel. Sozialversicherungspflichtige sollen so auf einen Blick sehen, wie hoch ihre Altersbezüge, gespeist aus gesetzlicher Rente und privaten Versicherungsleistungen, voraussichtlich ausfallen.
Ärzte stärker sensibilisieren
Die DRV hat Probleme, kranke Menschen ausreichend schnell in eine Rehabilitation zu bringen. Die Anträge für Reha-Maßnahmen sinken derzeit. Das vorhandene Budget wurde 2016 nur zu 96 Prozent ausgeschöpft. Rund 400 Millionen Euro wurden „nicht verbraucht“. Grundsätzlich ist die DRV verpflichtet Erkrankten, die sozialversicherungspflichtig sind, eine Anschlussheilbehandlung zu bieten. Nun will die DRV wissenschaftlich untersuchen, wie Menschen besser und früher erreicht werden können. „Dazu soll der Zugang zur medizinischen Rehabilitation besser gestaltet und erleichtert werden“, sagte DRV-Direktorin Brigitte Gross. Derzeit wird die Reha im Krankenhaus über Sozialarbeiter gesteuert. Zudem sollen Ärzte stärker sensibilisiert werden. Gleichzeitig lehnt die DRV aber auch 35 Prozent der Anträge ab, weil die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen oder die Krankheit nicht im Indikationskatalog steht.
Private Auto- und Unfallversicherer übernehmen Fälle selbst
Die Schwierigkeiten der gesetzlichen Träger, Menschen nach Krankheit oder Verletzungen schnell eine Reha anzubieten, sind der Grund dafür, dass private Auto- und Unfallversicherer seit einigen Jahren solche Fälle selbst übernehmen. In der Regel können nämlich viele Menschen nach einer Reha wieder erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Bei der DRV liegt diese Quote bei 86 Prozent, wie eine Untersuchung von 749.650 Reha-Fällen ergab.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek