Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi versucht jetzt vor Gericht, die Spaltung der Arbeitnehmervertretung sowohl im Versicherer- als auch im Vermittlergewerbe zu verhindern.
Vor 13 Jahren entstand innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) die heutige Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aus einer Fusion verschiedener Spartengewerkschaften. Dazu gehörten neben ÖTV und IG Medien vor allem auch die DGB-Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) und die bis dahin unabhängige Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG).
Wenig Interesse an gewerkschaftlicher Vertretung
In der Versicherungsbranche litten beide zuständigen Gewerkschaften HBV und DAG unter einem eher geringen Organisationsgrad der Beschäftigten. Dadurch gingen Tarifverhandlungen sowohl für die Beschäftigten der Versicherungsunternehmen als auch derjenigen in Vertreter- und Maklerunternehmen meist recht geräuschlos und schnell über die Bühne. Anders als bei Branchen wie Metall oder Öffentlicher Dienst mussten die Arbeitgeber keine nennenswerten Streiks und ähnliche Arbeitskampfmaßnahmen befürchten.
Die Fusion sollte mehr Schlagkraft bringen. Für die Versicherungsbeschäftigten positiv, wurde der sehr unideologische und pragmatische frühere Gewerkschaftssekretär der DAG, Richard Sommer, Bundesfachgruppenleiter bei Verdi. Doch mit seinem Eintritt in den Ruhestand verstummte diese Stimme gegen manche, eher politisch motivierte Festlegung des DGB. Beispiel Bürgerversicherung: Während der DGB sich früh auf die SPD-Forderung nach einer Abschaffung der privaten Vollversicherung zugunsten einer sogenannten Bürgerversicherung festlegte, erreichte Sommer innerhalb von Verdi, zumindest eine solche Festlegung öffentlich zu vermeiden. Denn für die Beschäftigten der betroffenen Krankenversicherungsunternehmen sowie für die über 80.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei den unter anderem von Krankenversicherungsvermittlung lebenden Vermittlern lösten solche Pläne verständlicherweise Existenzsorgen und Widerstand aus.
Unzufriedene gründeten neue (alte?) Gewerkschaft
Nach der Pensionierung von Sommer war der Weg frei, innerhalb auch Verdi einseitig linkspopulistische Positionen zu vertreten. Im Jahr 2010 schließlich wurde die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) "von unzufriedenen Verdi-Mitgliedern gegründet", wie Verdi in einer Pressemitteilung es darstellt. Sommer übernahm in diesem Jahr den Auftrag, die neue Gewerkschaft mit dem der alten DAG so ähnlichen Namen bei ihrem Aufbau zu unterstützen.
Offenkundig bereitet diese Wendung nun Verdi kalte Füße. Anfang September gab Verdi bekannt, gegen die NAG Klage einzureichen, um ihr den Gewerkschaftsstatus abzuerkennen. Christoph Meister, Verdi-Bundesvorstandsmitglied für Finanzdienstleistungen: "Eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung erfordert zwingend eine entsprechende Durchsetzungsfähigkeit. Dafür steht in der Versicherungswirtschaft allein Verdi."
Aufsichtsratsposten verloren
Aus ihrer Sicht sei die NAG weder fachlich noch als Tarifvertragspartei "allerdings bislang nicht erkennbar in Erscheinung getreten." Auch reiche die Mitgliederzahl nicht aus. Über die Zahl der Mitglieder schweigt sich die NAG auf Nachfrage aus. Gleichwohl stellt sich die Frage, warum unter diesen Umständen eine Klage überhaupt notwendig ist - offensichtlich traut Verdi der NAG doch mehr zu.
Auslöser des Streits ist wohl auch, dass die NAG bei den Aufsichtsratswahlen der Münchener Rück im März einen eigenen Wahlvorschlag eingereicht hatte. Mit knapp 41 Prozent der Stimmen erhielt die NAG so viel Zuspruch, dass sie einen der drei Sitze, die für Gewerkschaften vorgesehen sind, Verdi abnehmen konnte. Neben der Ergo-Betriebsrätin Ina Hosenfelder sitzt zudem mit dem Ergo-Konzernbetriebsratschef Marco Nörenberg auch der Vorsitzende des Gewerkschaftsrates der NAG im Münchener Rück-Aufsichtsrat. Verdi reagiert auf den Verlust dünnhäutig und wirft der NAG "Vortäuschung einer bestehenden Gewerkschaftseigenschaft" und persönliche finanzielle Interessen vor, "lukrative Aufsichtsratsmandate zu erringen".
Bidlquelle: © Cumulus
Vor 13 Jahren entstand innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) die heutige Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aus einer Fusion verschiedener Spartengewerkschaften. Dazu gehörten neben ÖTV und IG Medien vor allem auch die DGB-Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) und die bis dahin unabhängige Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG).
Wenig Interesse an gewerkschaftlicher Vertretung
In der Versicherungsbranche litten beide zuständigen Gewerkschaften HBV und DAG unter einem eher geringen Organisationsgrad der Beschäftigten. Dadurch gingen Tarifverhandlungen sowohl für die Beschäftigten der Versicherungsunternehmen als auch derjenigen in Vertreter- und Maklerunternehmen meist recht geräuschlos und schnell über die Bühne. Anders als bei Branchen wie Metall oder Öffentlicher Dienst mussten die Arbeitgeber keine nennenswerten Streiks und ähnliche Arbeitskampfmaßnahmen befürchten.
Die Fusion sollte mehr Schlagkraft bringen. Für die Versicherungsbeschäftigten positiv, wurde der sehr unideologische und pragmatische frühere Gewerkschaftssekretär der DAG, Richard Sommer, Bundesfachgruppenleiter bei Verdi. Doch mit seinem Eintritt in den Ruhestand verstummte diese Stimme gegen manche, eher politisch motivierte Festlegung des DGB. Beispiel Bürgerversicherung: Während der DGB sich früh auf die SPD-Forderung nach einer Abschaffung der privaten Vollversicherung zugunsten einer sogenannten Bürgerversicherung festlegte, erreichte Sommer innerhalb von Verdi, zumindest eine solche Festlegung öffentlich zu vermeiden. Denn für die Beschäftigten der betroffenen Krankenversicherungsunternehmen sowie für die über 80.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei den unter anderem von Krankenversicherungsvermittlung lebenden Vermittlern lösten solche Pläne verständlicherweise Existenzsorgen und Widerstand aus.
Unzufriedene gründeten neue (alte?) Gewerkschaft
Nach der Pensionierung von Sommer war der Weg frei, innerhalb auch Verdi einseitig linkspopulistische Positionen zu vertreten. Im Jahr 2010 schließlich wurde die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) "von unzufriedenen Verdi-Mitgliedern gegründet", wie Verdi in einer Pressemitteilung es darstellt. Sommer übernahm in diesem Jahr den Auftrag, die neue Gewerkschaft mit dem der alten DAG so ähnlichen Namen bei ihrem Aufbau zu unterstützen.
Offenkundig bereitet diese Wendung nun Verdi kalte Füße. Anfang September gab Verdi bekannt, gegen die NAG Klage einzureichen, um ihr den Gewerkschaftsstatus abzuerkennen. Christoph Meister, Verdi-Bundesvorstandsmitglied für Finanzdienstleistungen: "Eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung erfordert zwingend eine entsprechende Durchsetzungsfähigkeit. Dafür steht in der Versicherungswirtschaft allein Verdi."
Aufsichtsratsposten verloren
Aus ihrer Sicht sei die NAG weder fachlich noch als Tarifvertragspartei "allerdings bislang nicht erkennbar in Erscheinung getreten." Auch reiche die Mitgliederzahl nicht aus. Über die Zahl der Mitglieder schweigt sich die NAG auf Nachfrage aus. Gleichwohl stellt sich die Frage, warum unter diesen Umständen eine Klage überhaupt notwendig ist - offensichtlich traut Verdi der NAG doch mehr zu.
Auslöser des Streits ist wohl auch, dass die NAG bei den Aufsichtsratswahlen der Münchener Rück im März einen eigenen Wahlvorschlag eingereicht hatte. Mit knapp 41 Prozent der Stimmen erhielt die NAG so viel Zuspruch, dass sie einen der drei Sitze, die für Gewerkschaften vorgesehen sind, Verdi abnehmen konnte. Neben der Ergo-Betriebsrätin Ina Hosenfelder sitzt zudem mit dem Ergo-Konzernbetriebsratschef Marco Nörenberg auch der Vorsitzende des Gewerkschaftsrates der NAG im Münchener Rück-Aufsichtsrat. Verdi reagiert auf den Verlust dünnhäutig und wirft der NAG "Vortäuschung einer bestehenden Gewerkschaftseigenschaft" und persönliche finanzielle Interessen vor, "lukrative Aufsichtsratsmandate zu erringen".
Bidlquelle: © Cumulus
Autor(en): Matthias Beenken