Der enorme Kostendruck in der Sachversicherung beschäftigte das MCC-Branchentreffen "Innovatives Schadenmanagement 2017" in Köln. Rationalisierung durch intelligente Technik ist in vielen Fällen die Lösung, die die Schadenexperten entwickelt haben.
So hat die Münchener Rück sehr erfolgreich in den USA Luftbilder zur Früherkennung und Regulierung von schweren Sturmschäden getestet. "Wir werden in Deutschland diese Art der Regulierung in zwei bis fünf Jahren als Standard haben", glaubt Thomas Schreiner, der Leiter der Schadenanalyse bei Munich Re ist. Untersucht wurden in den USA bei Großschäden die Analyse durch Satellitenbilder, Aufnahmen von Flugzeugen und Drohnen. Wie so oft liegt das Gute in der Mitte. So habe sich herausgestellt, dass Satellitenfotos zwar schnell und großflächig nach einem Schaden zur Verfügung stehen, jedoch nicht genügend Auflösung ermöglichen. Das Gegenteil ist bei Drohnen der Fall, die ein genaues Schadenbild der Objekte liefern können. Jedoch ist der Einsatz bei schweren Naturschäden laut Schreiner viel zu zeitaufwändig. Gute Luftaufnahmen für die Schadenregulierung ließen sich aber mit dem Flugzeug machen. "Damit können die Schäden beispielsweise in fünf Klassen eingeteilt werden", erläuterte Schreiner.
Luftbilder helfen auch gegen Betrug
Über den Einsatz von Luftbildern könne man Kapazitätsprobleme beheben, die regelmäßig nach großflächigen Sturmschäden auftreten. Schreiner: "Wir haben dann eine frühe Einschätzung des Schadenumfangs und können entscheiden, wo wir jemanden vor Ort hinschicken müssen." Zudem bekämen die Sachverständigen Vorher- und Nachher-Bilder. Das diene auch zur Betrugsbekämpfung. Nicht reparierte Vorschäden würden sichtbar.
Außerdem dienten die Bilder auch der Sicherheit. "Sachverständige müssen oft gar nicht mehr aus Dach", so Schreiner. Bei Kleinstschäden müsse man bei einer automatisierten Regulierung in drei Mikrosekunden entscheiden, ob gezahlt werden soll oder nicht. Das würde in vielen Bereichen schon funktionieren. Im Großschadenbereich müsse weiterhin jeder Schaden einzeln gemanagt werden. "Bei einer großen Datenbasis kann ich dann auch hier entscheiden, will ich zahlen oder gehe ich in einen Prozess", so Schreiner. Damit würden Unsicherheiten reduziert. Aufgrund der erfolgreichen Simulationen in den USA ist der Schadenexperte überzeugt, dass das Modell auch in den deutschen Markt kommen wird. So könne man solche Bilder nicht nur zu Schadenregulierung, sondern auch für ein Underwriting nutzen.
Schadenregulierung für Versicherer mit Regulierungsgesellschaft
Mit der Schadenregulierung für Versicherungsmakler beschäftigte sich Prof. Dirk-Carsten Günther, der als Anwalt bei der Kanzlei Bach Langheid Dallmayr (BLD) arbeitet. BLD ist überwiegend für Versicherer tätig. Noch immer treibt die Branche das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2016 um (I ZR 107/14), das eine Regulierung von Schäden durch Versicherungsmakler im Auftrag des Versicherers als einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz qualifiziert hat.
Jurist Günther macht nun nochmals deutlich, dass Versicherungsmakler auf keinen Fall glauben dürfen, dass ein "Weiter so" noch möglich wäre. Dabei verwies er auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), die schnell und klar deutlich gemacht habe, dass für eine schadenregulierende Tätigkeit von Maklern für Versicherer nun grundsätzlich kein Raum mehr bleibe.
Die Branche steht nach Einschätzung von Günther nun vor einem Dilemma, denn eine Regulierung von Frequenzschäden durch die Versicherer selbst oder gar Rechtsanwälte käme aus Kostengründen nicht in Betracht. In beiden Fällen müssten die Prämien erhöht werden. Aus juristischer Sicht warnte der BLD-Anwalt davor den Makler als eine Art "vorbereitenden Assistenten" einzusetzen.
Eigenständige Regulierungsgesellschaft möglich
Auch die Gründung von Assekuradeur oder Mehrfachagent, mit dem Ziel, den Kunden weiterhin selbst zu betreuen, sieht der Jurist als Umgehungstatbestand kritisch. Demgegenüber sei es aber möglich eine eigenständige Regulierungsgesellschaft zu gründen. Aus Sicht des Rechtsdienstleistungsgesetzes sei dies „unbedenklich“. Dabei müsse aber eine "Mischbearbeitung" vermieden werden. "Sehr problematisch ist es, wenn der Mitarbeiter der Claim GmbH die Kunden bis 13 Uhr berät und dann einen Schalter umlegt und für sie im Auftrag des Versicherers in der Schadenregulierung tätig wird", so Günther. Bei einer klaren personellen Trennung der Beratungs- und Regulierungstätigkeit sieht der Experte hingegen keinen Interessenkonflikt oder juristische Probleme.
Jeder zweite Leitungswasserschaden regressfähig?
Demgegenüber gibt es bei Leitungswasserschäden weiterhin eine Menge von Problemen. Nach Einschätzung von Hans-Hermann Drews, Geschäftsführer des Instituts für Schadenverhütung und Schadenforschung (ifs-ev.org), wird bei vielen Schäden nicht erkannt, dass die Ursache Handwerker-Pfusch ist oder mangelhafte Teile eingebaut wurden. Versicherer sollten intensiver prüfen, ob sie sich den Schadenaufwand vom Handwerker zurückholen können.
Umstritten war in der Diskussion die Behauptung, dass jeder zweite Leitungswasserschaden regressfähig sei. Drews gab zu, dass bei den rund 3.500 Begutachtungen, die das IFS jährlich durchführt, eine starke Selektion vorliegt. So werde das IFS in der Regel nur tätig, wenn ein Versicherer einen Anfangsverdacht hat. Drews verweist aber darauf, dass Mängel der Installationsarbeiten auch über eine gute Dokumentation erkannt werden können, ohne, dass ein Sachverständiger vor Ort gewesen ist.
Handwerk vertuscht Fehler
Problematisch ist nach Einschätzung von Jurist Günther, dass vielfach der Versicherungsnehmer, ausgerechnet den Handwerker mit der Schadenbeseitigung beauftrage, der auch die früheren Arbeiten ausgeführt habe. Günther: "Dann sind die beschädigten Teile meist weg." Das grenze an eine vorsätzlichen Vertuschung.
Ob und in welchem Umfang der Versicherungsnehmer in solchen Fällen mitverantwortlich ist, weil er etwa eine Obliegenheitsverletzung begannen hat, ist unter Juristen umstritten. Gegenüber Versicherungsmagazin erklärte der Hamburger Fachanwalt für Versicherungsrecht, Stephan Michaelis: "Das Fehlverhalten des Installateurs muss sich der Versicherungsnehmer zurechnen lassen." Er müsse zur Aufklärung des Versicherungsfalles beitragen. Dies sei eine Obliegenheit nach dem Versicherungsfall. Deren Verletzung könne zu einer Leistungskürzung führen. "Fragt der Versicherungsnehmer nach konkreten Weisungen und erfüllt diese, kann er keine Pflichten verletzen", so Michaelis. Es empfehle sich daher, dem Versicherer eine angemessene Frist zu Schadenbegutachtung zu setzen. Gerät der Versicherer dann in Verzug, sei er selbst schuld.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek