Runter mit der Mehrwertsteuer

Es geht nicht nur um Wahlkampfgetöse, wenn Wilfried Johannßen sich als Mitglied des Vorstands der Allianz Privaten Krankenversicherungs-AG in die derzeitige Mehrwertsteuerdebatte einschaltet. Er fordert, dass einem abgesenkten Mehrwertsteuersatz für Medikamente eine Schlüsselposition bei der notwendigen Kostenreduzierung im Gesundheitswesen zukommen könnte.

Experten rechnen vor, dass die Ersparnis für die Krankenversicherer - gleichermaßen für die gesetzlichen (GKV) und privaten (PKV) - bei rund 1,8 Milliarden Euro ausmachen würde, wenn der Mehrwertsteuersatz auf sieben Prozent halbiert würde. Im Übrigen sei Deutschland nahezu das einzige Land in Europa, bei dem die volle Mehrwertsteuer auf die Verkaufspreise der Medikamente berechnet werde.

„Arzneimittel sollten zukünftig nur noch dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von derzeit sieben Prozent unterliegen“, fordert Wilfried Johannßen. „Unabhängig von der Debatte um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nach der Bundestagswahl ist die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel auf den ermäßigten Steuersatz von derzeit sieben Prozent eine vordringliche Aufgabe“, betont Johannßen. Auch für den Fall, dass alles beim alten bleibe oder gar - wie im Wahlprogramm der Christdemokraten angestrebt - um weitere zwei Prozentpunkte nach oben ginge, hat die Allianz Private Krankenversicherung eine Rechnung aufgemacht. Für den Fall einer Erhöhung der Mehrwertsteuer müsse man von einem Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel in der privaten wie der gesetzlichen Krankenversicherung um rund 402 Millionen Euro ausgehen.

„Diese Mehrkosten konterkarieren das für eine Mehrwertsteuer-Erhöhung genannte Ziel der Entlastung der Sozialversicherungsbeiträge“, kritisiert Johannßen als Vorstandsmitglied der drittgrößten privaten Krankenversicherung in Deutschland.
Das habe vor allem mit den Ankündigungen zu tun, welchen Zwecken die Mehrwertsteuer-Erhöhung gewidmet werde. Mit den Mehreinnahmen aus der höheren Mehrwertsteuer sollen der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung und damit die Lohnebenkosten abgesenkt werden. Die gleiche Maßnahme in der Krankenversicherung würde zu einem Anstieg der Sozialversicherungsausgaben führen.

Dass der Gesetzgeber im Prinzip durchaus inhaltliche Begründungen für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Produkte der medizinischen Versorgung anerkenne, werde daran deutlich, dass etwa Rollstühle und andere Fahrzeuge für Behinderte, Körperersatzstücke, orthopädische Apparate, künstliche Gelenke oder auch Hörapparate und Herzschrittmacher auch nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt werden.

Arzneimittel unterliegen im europäischen Ausland meist einem deutlich ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Zum Teil erhebt der Staat auch überhaupt keine Mehrwertsteuer auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, z.B. in Schweden oder Großbritannien.

Das wird in der Übersicht über Mehrwertsteuersätze für Arzneimittel in ausgewählten europäischen Ländern deutlich:
- In Frankreich beträgt der normale Mehrwertsteuer-Satz 22 Prozent. Auf Medikamente werden nur zwischen 2,1 und 5,5 Prozent Mehrwertsteuer geschlagen.
- In Italien beträgt der normale Mehrwertsteuer-Satz 20 Prozent. Auf Medikamente werden nur zehn Prozent Mehrwertsteuer geschlagen.
- In den Niederlanden beträgt der normale Mehrwertsteuer-Satz 19 Prozent. Auf Medikamente werden nur sechs Prozent Mehrwertsteuer geschlagen.
- In Spanien beträgt der normale Mehrwertsteuer-Satz 16 Prozent. Auf Medikamente werden nur vier Prozent Mehrwertsteuer geschlagen.




Autor(en): Ellen Bocquel

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