Risikomanagement bei Versicherern verschärft

Die EU-Kommission hat den Entwurf eines neuen Aufsichtsmodells vorgelegt – weg von der quantitativen Aufsicht und hin zur Qualität des internen Risikomanagements jedes Versicherers (genannt: Solvency II). Ziel ist es, die Unternehmenssteuerung in der Versicherungsbranche genauer zu erfassen und daraus das erforderliche Eigenkapital abzuleiten, aber auch Schieflagen besser als bisher zu erkennen. Daraus lässt sich dann ein genaueres Rating der Versicherer ableiten, was den Investoren als Entscheidungshilfe dient.

Das Vorhaben wird in Deutschland noch intern von Gremien, Verbänden und Unternehmen diskutiert. Eigentlich sollte es für börsennotierte Versicherer schon ab 2005 gelten. Wahrscheinlich kommt es für alle Versicherer "erst 2008, womöglich 2009", schätzte Klaus-Wilhelm Knauth, Geschäftsführer Zentrale Bereiche des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf einer Fachtagung in Berlin. "Solvency II ist jedoch schon jetzt ein ideales Instrument, um einen Konzern wertorientiert zu steuern", sagte Werner Görg, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Versicherungen. Man kenne hinterher genauer als bisher üblich die spezifische Risikosituation des Unternehmens und bilanziere in Abhängigkeit davon die nötigen Eigenmittel.

Da Eigenkapital in Zukunft noch mehr Geld koste, führe kein Weg an einem stimmigen Solvabilitätssystem vorbei. Die Bilanzierung nach bisherigem Recht sei aber ungeeignet, um Solvency II umzusetzen, so Görg. Hintergrund: Noch könnten nach geltendem Recht versicherungstechnische Entwicklungen über mehrere Jahre verwischt werden. Daher sei kaum ein Überblick über die wahre Lage jeder Sparte möglich. Als Ausweg nannte er die künftige Bilanzierung nach Vorschriften des International Accounting Standard (IAS), mit denen ab 2007 zu rechnen sei.

Mitunter würden die IAS-Maßstäbe schon jetzt an deutsche Versicherer angelegt, was zu falschen Aussagen führen müsse, so Thomas Schubert, Leiter betriebswirtschaftliches Institut beim GDV. So sollen deutschen Lebensversicherern nach den künftigen Maßstäben derzeit zehn Milliarden Euro Sicherheitsmittel fehlen. Doch derzeit gäbe es noch nicht einmal ein einheitliches Verfahren zur Berechnung des erforderlichen Risikokapitals bei Versicherern, so Schubert. Inzwischen habe der GDV ein Modell entwickelt, das viele Versicherer nutzen wollen. Die Gothaer sieht sich dabei als Vorreiter. Bereits jetzt werde in der ersten Führungsebene beim leistungsabhängigen Teil des Gehalts auch das interne Risikomanagement bewertet und vergütet. Damit wächst der Druck, grundsätzlich nur noch risikogerechte Prämien zu verlangen und im Zweifel auch schlechte Risiken auszusondern. Denn nur mit einem soliden versicherungstechnischen Ergebnis könne der verantwortliche Manager auf sein volles Gehalt kommen.

Fazit: Die Prämienfestlegung wie auf einem Basar hat keine Zukunft mehr. Risikogerechte Bezahlung rückt in den Blickpunkt – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Immerhin: Der Vertrieb könnte weniger anfällig für Stornierungen werden, weil die Solidität des Versicherers künftig besser dokumentiert wird und auch das Image des Vermittlers beim Kunden steigen dürfte. Kehrseite der Medaille: Versicherer werden sich von unprofitablen Sparten trennen und womöglich höhere Selbstbehalte der Kunden im Schadenfall durchzusetzen versuchen.

Autor(en): Detlef Pohl

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