Mit der Forderung nach einem Stopp der Riester-Rente, wollen Verbraucherschützer darauf aufmerksam machen, dass nach ihrer Einschätzung die staatlich geförderte Altersvorsorge unrentabel ist. Wir berichteten. Doch Verbände und Rating-Agenturen wie Assekurata, BVI und GDV liefern auch andere Argumente.
Der Appell der Vereine Bund der Versicherten, Bürgerbewegung Finanzwende und der Verbraucherzentrale Bundesverband richtet sich an die Kanzlerkandidaten. Nach Einschätzung der Verbraucherschützer ist die Riester-Rente gescheitert. Beklagt werden vor allem hohe Kosten der Anbieter. Häufig wären die Verträge unrentabel. Fast die Hälfte der Sparer hätten ihren Vertrag stillgelegt oder würden so wenig einzahlen, dass sie nicht die volle staatliche Zulage bekommen.
Bestandsschutz für Altkunden
Derzeit gibt es rund 16,4 Millionen Riester-Renten. Ihre Zahl ist seit 2018 rückläufig. Die Riester-Rente gibt es seit 20 Jahren. Riestern kann man über Versicherungen, Banken, Bausparkassen oder Investmentfonds. Möglich ist zudem einen Riester-Vertrag als Betriebsrente abzuschließen. Die Verbraucherschützer fordern die Einführung einer günstigen und einfachen Zusatzvorsorge, die staatlich organisiert werden soll. Altkunden mit laufenden Verträgen sollen aber Bestandsschutz erhalten und weiter gefördert werden. Sie sollen aber freiwillig und kostenfrei in das neue System wechseln können.
Die Versicherungslobby zieht hingegen eine positive Riester-Bilanz. „Riester sei nicht nur weit verbreitet, sondern funktioniere auch“, heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dabei stützt sich der GDV auf eine Berechnung der Deutschen Rentenversicherung (DRV), die ermittelt habe, dass bei Volleinzahlung für die Höchstförderung in einen Riester-Vertrag ein Rentenplus von 20 Prozent zu erwarten sei.
Bald keine Riester-Anbieter mehr
Neue Verträge lohnen sich aber kaum. Das bestätigt die Rating-Agentur Assekurata. „In seiner bisherigen Form ist das Riester-Geschäft angesichts des extremen Zinsumfelds weder für die Lebensversicherer noch für die Kunden besonders attraktiv“, heißt es in einer aktuellen Studie. Das zeigt auch eine Untersuchung der Stiftung Warentest. Gab es 2009 noch 53 Versicherer mit einer klassischen Riester-Rentenversicherung, waren es 2019 nur noch 15 Anbieter. Ihre Zahl dürfte fast auf 0 fallen, wenn die Lebensversicherer ab 2022 nur noch mit einem Garantiezins von 0,25 Prozent kalkulieren dürfen. Grund ist, dass bei Riester-Verträgen noch immer gesetzlich vorgeschrieben ist, dass bei Rentenstart 100 Prozent der Beiträge garantiert werden müssen. Dann kann man bei Verträgen mit Laufzeiten von 30 oder mehr Jahren vielleicht noch Minizinsen erwirtschaften.
„Bei hohen Garantien kann der Kunde nur eine geringe Rendite erwarten, denn der Versicherer muss das Geld dann sehr konservativ anlegen“, erläutert Lebensversicherungsexperte Lars Heermann von Assekurata. Bei kürzeren Laufzeiten gibt es aufgrund der Kapitalmarktsituation nur noch Negativrenditen. Gleichzeitig dürfen ab 2022 die Kosten den garantierten Zins von 0,25 Prozent nicht überschreiten. „Das ist für Beratung, Verwaltung und Kosten des Versicherungsmantels selbst für den effizientesten Versicherer nicht zu schaffen“, heißt es bei der Deutschen Aktuarvereinigung.
Bundesfinanzminister hat Sparer im Sticht gelassen
Nach Einschätzung des Fondsverbands BVI würde der Riester-Garantiezwang bei gleichzeitig negativen Zinsen die Verbraucher seit Jahren unnötig Rendite kosten. Das Bundesfinanzministerium habe sie im Stich gelassen, indem es eine vereinbarte Reform verschleppt hätte. Daher fordern die Anbieter von Riester-Renten die Garantie auf 80 Prozent der Beiträge zu senken, die Förderung auf alle Bevölkerungsgruppen auszuweiten und das komplizierte Zulagensystem zu vereinfachen. Dann wäre laut GDV auch ein einfaches, digital vertriebenes und kostengünstiges Standardprodukt möglich. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) schlägt zudem vor, mit einer reformierten Riester-Rente sofort alle Arbeitnehmer auszustatten. Wer dann nicht riestern möchte, müsste die zusätzliche Altersvorsorge aktiv abwählen. Laut BVK könnten rund 34 Millionen Menschen eine Riester-Police nutzen.
Eingezahltes Kapital nur bis zum 83. oder 85. Lebensjahr
Kritik üben die Anbieter von Riester-Renten an den Verbraucherschützern, die den Aufbau eines komplett neuen Produktes in staatlicher Obhut fordern. Vorbild ist ein schwedischer Staatsfonds. Ein vollkommen neues Produkt hätte laut BVK hohe Finanzierungs-, Verwaltungs- und Beratungsrisiken. So habe der schwedische Staatsfonds AP7 am Anfang mehrere Jahre hintereinander im zweistelligen Prozentbereich an Wert verloren. Ähnliches sei in der Finanzkrise 2008/2009 passiert. Schon 2019 hatte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) drei Vorschläge der Verbraucherschützer unter die Lupe genommen. Sie kam für die Extrarente, die Deutschlandrente und das Vorsorgekonto zum Schluss „diese Ideen die kapitalgedeckte Altersvorsorge auf neue Füße zu stellen, tragen nicht.“ In einer Modellrechnung zeigt die DRV auf, dass je nach Grundannahme das eingezahlte Kapital beim Vorsorgekonto nur bis zum 83. oder 85. Lebensjahr reicht.
Wer trägt die Kosten des Verwaltungsaufbaus?
„Es ist unklar, wer das Risiko trägt, wenn das Kapital nicht reicht“, stellt die DRV fest. Problematisch ist nach der Analyse zudem, wie der Risikoausgleich im Kollektiv funktionieren soll. Ein solcher Ausgleich wäre in der Regel nur möglich, wenn das Kapital von Menschen die früher sterben an das Kollektiv fällt. Beim Vorsorgekonto sei aber eine Vererbung vorgesehen. Daher würden die Erben von Menschen die lange leben, dann plötzlich leer ausgehen. Sehr problematisch ist nach Einschätzung der DRV, dass die Deutschland- und Extra-Rente überhaupt keine Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos vorsehen würden. Das bedeute, das 20 Prozent der Menschen, die vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden würden, nichts von den Produkten haben. „Unklar ist zudem, wer die Kosten des Verwaltungsaufbaus trägt“, so die Analyse der DRV.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek