In der Begründung zum Entwurf eines Provisionsdeckelgesetzes werden durchschnittliche Abschlussprovisionen und in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP Maximalwerte je Vertriebsweg genannt. Was hinter diesen Zahlen steckt.
Der kurz vor Ostern vorgelegte Entwurf eines "Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovision von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen" weist in der Begründung durchschnittliche Abschlussprovisionen aus, die die Branche nach den Erkenntnissen des Bundesfinanzministeriums beziehungsweise der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) an ihre Versicherungsvermittler zahlt. Danach sollen 2017 durchschnittlich 3,66 Prozent der Beitragssumme im Vertrieb an Ausschließlichkeitsvertreter, 5,21 Prozent bei Mehrfachvermittlern, 4,02 Prozent bei Maklern und 2,18 Prozent bei Angestellten im Außendienst geflossen sein.
Erstaunliche Höchstwerte
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion (41 Promille sind ein Exzess) werden zusätzlich Minimal- und Maximalwerte genannt. Die Maximalwerte nehmen dabei erstaunliche Höhen an. Demnach werden in der Ausschließlichkeit maximal 9,03 Prozent, an Mehrfachvermittler 10,76 Prozent, an Makler 7,02 Prozent und an den Angestellten Außendienst 6,61 Prozent gezahlt.
Versicherungsmagazin gegenüber bestätigte die Bafin, dass es sich dabei um Werte einzelner Versicherungsunternehmen handelt, nicht etwa um Zahlungen an einzelne Versicherungsvermittler.
Alle künftigen Provisionen nominal eingerechnet
Tatsächlich seien die "nicht diskontierten Zahlungen für Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen für das Neugeschäft in 2017 abgefragt" worden. Das heißt, es wurden sowohl die sofort fälligen als auch die erst später fälligen, laufenden Abschluss- und auch Bestandsprovisionen abgefragt.
Da diese nicht abzuzinsen waren, bedeutet das faktisch, dass beispielsweise eine im Markt typische Bestandsprovisionszusage von einem Prozent des Jahresbeitrags als zehn Promille der Beitragssumme bewertet wurden – zusätzlich zu den vertraglich vereinbarten Abschlussprovisionen. Im Gesetzentwurf selbst wird allerdings eine Diskontierung vorgesehen, sodass das Gewicht der laufenden Vergütungen geringer ausfällt. Beispielsweise bei einer Laufzeit von 35 Jahren bedeutet eine künftige Bestandsprovision von einem Prozent des Jahresbeitrags nach den Vorstellungen des Bundesfinanzministeriums einen Gegenwert von aktuell 6,0 Promille (vergleiche dazu Vierfacher Provisionsdeckel).
Noch weniger wäre es, wenn das Bundesfinanzministerium (BMF) denselben Diskontierungssatz ansetzen würde, den es in den Steuerbilanzen der deutschen Wirtschaft für die Abzinsung von Altersvorsorgeverpflichtungen verlangt. Dieser ist trotz der Niedrigzinsen auf einem unrealistisch hohen Niveau von 6,0 Prozent festgeschrieben, was für die Steuereinnahmen günstig ist. Würde das BMF aber in seinem Gesetzesvorschlag diesen Diskontierungssatz anwenden, wären die oben genannten nominalen zehn Promille bei 35 Jahren Laufzeit sogar nur noch 4,1 Promille heute wert.
Mit anderen Worten: Die in der Gesetzesbegründung und in der Kleinen Anfrage genannten Werte dürften um mehrere Promille zu hoch angesetzt worden sein.
Bunter Mix an Produkten
Weiter bestätigt die Bafin, dass sie ganz allgemein nach "Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen" gefragt hat. Eine Differenzierung nach Spar- und Biometrieversicherungen, Deckungsstock-gestützten- und Fondsversicherungen, „normalen“ oder Restschuldversicherungen, Einzel- oder Kollektivversicherungen erfolgte offenbar nicht. Damit dürften auch spezielle Vertragsgestaltungen wie in der Restschuldversicherung sowohl in die Mittel- als auch in die Maximalwerte eingeflossen sein, die als Begründung für die Notwendigkeit eines allgemeinen Provisionsdeckels angeführt werden.
Wie viel der unterschiedliche Geschäftsmix ausmachen kann, zeigt die "Bilanzanalyse deutscher Lebensversicherer 2017" des Map-Reports. Dort schwanken die bilanziellen Abschlusskostenquoten, die allerdings alle beim Versicherer anfallenden Kosten auch der eigenen Vertriebsorganisation und Antragsbearbeitung und nicht etwa nur die Provisionen enthalten, zwischen 0,9 Prozent und 13,3 Prozent der Beitragssumme des Neugeschäfts. Am günstigen Ende steht mit der Mylife ein sehr kleiner Spezialist für Nettotarife, was den ungewöhnlich niedrigen Abschlusskostensatz leicht erklärt. Allerdings zahlen die Kunden faktisch erheblich mehr, nämlich Honorare an die Makler oder an zwischengeschaltete Abrechnungsgesellschaften. Das wird - typisch für die ideologisierte Diskussion über die Vorzüge einer Honorarberatung - außen vor gelassen.
Treiben Run-off- und Restschuldversicherer die Durchschnittswerte?
Am anderen Ende der Skala steht mit der Skandia ein Unternehmen, das sich im Run-off befindet. Mit 13 Prozent eine fast genauso hohe Abschlusskostenquote weist die Deutsche Lebensversicherung aus, ein Spezialist unter anderem für Restschuldversicherungen aus dem Allianz-Konzern. Mit 12,6 Prozent Abschlusskostenquote ebenfalls in derselben Liga unterwegs ist die Credit Life, die sich auf ihrer Homepage Banken als Partner für das Restschuldversicherungs-Geschäft andient. Unter den Versicherern mit auffallend hohen Abschlusskostenquoten finden sich eine Reihe weiterer Gesellschaften, die entweder im Bankenvertrieb engagiert oder im Run-off sind.
Der Markteingriff Provisionsdeckel, der von der Bafin auf Nachfrage erneut mit dem IDD-Prinzip des bestmöglichen Kundeninteresses gerechtfertigt wird, sollte deutlich differenzierter begründet werden. Denn es kann sich auch nicht um das bestmögliche Kundeninteresse handeln, wenn unterschiedlichste Versicherungsprodukte, Bedarfssituationen oder Vergütungsvarianten über einen Kamm geschoren und mit einem einheitlichen Deckel belegt werden.
Autor(en): Matthias Beenken