Rechtsklarheit bei Rückkaufswert

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinen jüngsten Urteilen vom 12. Oktober die Rechte der Lebensversicherungskunden gestärkt. Rückkaufswert, Abschlusskosten und Stornoabzug bei Lebensversicherungspolicen standen erneut auf dem Prüfstand. Die Richter entschieden, dass Versicherungsnehmern bei vorzeitiger Vertragsauflösung mindestens die Hälfte ihrer Beiträge erstattet werden muss.

Strittig war, ob Lebensversicherer Klauseln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die von Gerichten wegen mangelnder Transparenz untersagt wurden, auch für Kapitallebensversicherungen im Treuhänderverfahren ersetzen dürfen. Mit dem Spruch der Bundesrichter können nun Lebensversicherungskunden bei vorzeitiger Kündigung ihres LV-Vertrages mit deutlich höheren Rückzahlungen rechnen als früher.

Seit 1994 erhalten Versicherungsnehmer, die ihren LV-Vertrag in den ersten drei bis fünf Jahren vorzeitig kündigen, kaum Geld von Versicherer zurück. Der BGH beziffert die Zahl der Betroffenen mit bis zu 15 Millionen Kapitallebensversicherungen. Der Bund der Versicherten mutmaßt, dass es sich gar um 20 Millionen Policen handeln könnte.

Experten sehen in der höchst richterlichen Entscheidung einen Schlag für die Lebensversicherer von „immenser wirtschaftlicher Bedeutung“. Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zeigte man sich „überrascht“ und begrüßte, dass in Bezug auf die Ersetzung unwirksamer Klauseln in der Kapital bildenden Lebensversicherung endlich Rechtsklarheit geschaffen wurde. So habe der BGH herausgestellt, dass das so genannte Treuhänderverfahren zur Vertragsanpassung in der gesamten Lebensversicherung Anwendung findet. „Damit ist ein Schlussstrich unter eine jahrelange Diskussion über den Anwendungsbereich dieses Verfahrens gezogen worden“, kommentierte GDV-Sprecherin Gabriele Hoffman. Der GDV bemängelte allerdings, dass der BGH mit seiner Entscheidung die Versicherten, die vorzeitig das Vertragsverhältnis beenden, einseitig gegenüber allen anderen Versicherten bevorzuge. Eine solche Regelung müsse dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

Der BGH hob mit seinen Urteilen drei vorinstanzliche Entscheidungen auf, und gab den drei Klägern Recht, die gegen die Allianz und die Provinzial Versicherung geklagt hatten. Die Kläger waren vorzeitig aus ihren LV-Verträgen ausgestiegen und wollten sich nicht damit zufrieden geben, dass die Abschlusskosten komplett mit den Sparbeiträgen verrechnet wurden. Sie erhielten entsprechend geringere Summen vom Versicherer ausbezahlt, obwohl ihrer Meinung nach in den Policen andere Summen ausgewiesen worden waren.

Der BGH bestätigte die Einwände der Versicherungsnehmer und prangerte erneut mangelnde Transparenz der AVB an. Deswegen erklärten die Richter nun die gängigen Klauseln über den Rückkaufswert vorzeitig gekündigter Lebensversicherungsverträge für unwirksam. Die Klauseln, um die es ging, hatten die Versicherer bereits zuvor nach einem BGH-Urteil vom Mai 2001 geändert. Die erfolgten Änderungen reichen dem Bundesgerichtshof bei weitem nicht aus, heißt es in einer BGH-Mitteilung. Die Richter bemängelten jetzt erneut, dass die Lebensversicherer die Storno-Kosten bei der Auszahlung mit in den Rückkaufswert einrechnen - ohne dass der Kunde das erkennen kann. Solche Abzüge müssen nach Ansicht der Richter ausdrücklich vereinbart müssen, sonst seien sie unwirksam.

Die Lebensversicherer müssen jetzt die Verträge entsprechend nachbessern. Beobachter vermuten, dass sich die BGH-Entscheidung nicht auf die zwischen 1994 und 2001 abgeschlossenen 15 Millionen Verträge auswirkt, zumal weitere Gerichtsverfahren anhängig sind. Auch Lebensversicherungsverträge jüngeren Abschlussdatums könnten von dem Urteil betroffen sein.

Für die Festlegung der Rückkaufswerte vorzeitig gekündigter Lebensversicherungspolicen machte der BGH klare Vorgaben. Danach darf der Rückkaufswert einen bestimmten Mindestbetrag nicht unterschreiten. Die eingezahlten Beiträge dürfen nicht mehr einfach mit den Vertragsabschlusskosten verrechnet werden. Künftig soll der Versicherte mindestens die Hälfte seiner eingezahlten Beiträge erstattet bekommen.



Autor(en): Ellen Bocquel

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