"Ratings interessieren uns nur am Rande"

740px 535px

Matthias Helberg (Foto) ist Versicherungsmakler in Osnabrück und ausgewiesener Experte in Sachen Risikolebensversicherungen. Versicherungsmagazin fragte nach, wann seines Erachtens eine RLV wichtig ist und wann Kunden keinen Versicherungsschutz mehr erhalten.

In welchen Fällen empfehlen Sie welchen Kunden eine Risikolebensversicherung (RLV)?
Eine RLV ist in vielen Situationen sinnvoll: Wenn jemand Angehörige hat, die von ihm finanziell abhängig sind, Kredite oder Darlehen noch zu tilgen sind oder ein Unternehmen sich gegen den Tod einer Führungsposition absichern will. Neben solchen klassischen Situationen gibt es einige weitere, auf die man vielleicht zunächst nicht kommt. Beispielsweise weil klar ist, dass der Freibetrag für die Erbschaftsteuer überschritten wird. Dann dient eine RLV dazu, dass die Hinterbliebenen die Erbschaftssteuer zahlen können, ohne ihr Vermögen veräußern oder belasten zu müssen. Manche unserer Kundinnen und Kunden, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, nutzen die dafür aufbereitete Gesundheitshistorie auch, um eine RLV „auf Vorrat“ abzuschließen. Also nicht, weil aktuell schon Bedarf besteht, sondern weil klar ist, dass man sie in ein paar Jahren brauchen wird. Der Abschluss ist dann mit geringem Aufwand für die Kunden möglich und die Beiträge oft auch günstiger. Außerdem können später auftretende Erkrankungen den Versicherungsschutz nicht mehr erschweren.

Wie schwierig ist es, für einen Kunden mit einer teils schwierigen Krankenvorgeschichte oder gefährlichen Sportarten beziehungsweise Berufen eine RLV zu vermitteln?
Ich würde nicht sagen, dass es schwierig ist. Eher, dass es manchmal einen erheblichen Aufwand für die Versicherungswilligen sowie für uns als Versicherungsmakler bedeutet. Da muss die Gesundheitshistorie vernünftig recherchiert und aufbereitet werden, eventuell Befunde, Atteste oder Arztbriefe besorgt, vielleicht Zusatzfragebögen ausgefüllt werden – und dann geht es auf die Suche nach dem Versicherer, der willig ist, das Risiko zu zeichnen.

Was war bisher Ihr kompliziertester Fall?
Einfache Fälle haben wir sowieso eher nicht, denn solche Kunden wenden sich gar nicht erst an Spezialisten. Herausfordernd wird es immer dann, wenn schwere Vorerkrankungen mit dem Wunsch nach einer hohen Versicherungssumme zusammentreffen. Da war beispielsweise der Kunde mit Multiple Sklerose, der eine Versicherungssumme von 2,5 Millionen Euro zur Absicherung eines Existenzgründungsdarlehns benötigte. Oder wenn jemand gleiche mehrere nicht unerhebliche Vorerkrankungen hat, wie der Kunde mit Asperger-Syndrom, Zwangsstörung, Migräne und Tremor. Manchmal reicht auch schon eine einzige Diagnose wie Epilepsie, um die Suche nach Versicherungsschutz ausufern zu lassen. Allen dreien konnten wir übrigens mit einem Risikozuschlag Versicherungsschutz in der gewünschten Höhe besorgen. Schönen Dank an dieser Stelle an die Lebensversicherer, die sich selbst mit solchen schweren Fällen auseinandersetzen und Versicherungsschutz übernehmen!

Wann empfiehlt sich eine anonymisierte Risikovoranfrage bei mehreren Versicherern?
Leider immer häufiger. Das liegt daran, dass sich die Voten der Versicherer sehr oft unterscheiden: Wo manche Versicherer gleich einen Risikozuschlag nehmen wollen, nehmen andere noch zu normalen Bedingungen an. Welcher Versicherer was macht, ist oft von Fall zu Fall unterschiedlich. Die Kunden wollen nicht „die Katze im Sack kaufen“. Sie wollen – vollkommen berechtigt – vor dem Abschluss wissen, wie der Versicherer sich entscheidet, um sich Enttäuschungen und noch mehr Aufwand zu ersparen. Also müssen wir immer dann anonymisierte Risikovoranfragen empfehlen und stellen, wenn wir Zweifel an einer glatten Annahme haben und die Beratungssoftware der Anbieter nicht weiterhilft.

In welchen Fällen wird der Kunde keinen Versicherungsschutz bekommen?
Hauptsächlich bei schweren Krebs-Erkrankungen, aber auch bei gleich mehreren psychischen Erkrankungen, die sich seit vielen Jahren hinziehen. Laufende Behandlungen und noch nicht abgeklärte Verdachtsdiagnosen führen eher zu einer Rückstellung. Dann kann man es später erneut probieren.

Wann werden Risikozuschläge fällig? Wie hoch sind diese im Schnitt?
Risikozuschläge werden fällig, wenn schwere Vorerkrankungen oder gefährliche Sportarten durch einen höheren Beitrag mitversichert werden können. Bei uns liegen sie meist zwischen zehn und 50 Prozent, in Ausnahmefällen auch darüber.

Wie bewerten Sie die Ratings anderer Analysehäuser? Welche können Sie empfehlen?
Ratings interessieren uns nur am Rande, wir lesen noch Versicherungsbedingungen. Ausschlaggebend für unsere Kundinnen und Kunden ist letztlich die konkrete Annahmeentscheidung der Versicherer – und die kann man keinem Rating entnehmen. Insofern kann man sich zwar alle möglichen Ratings ansehen, ich würde jedoch keine Abschluss-Empfehlung mit einem Rating begründen.

Ist es richtig, dass nicht nur abgelehnte Anträge auf eine RLV, sondern selbst Erschwernisangebote an die „schwarze Liste“ HIS gemeldet werden können?
Ja. Zumindest bei den Lebensversicherern, die noch mit dem HIS zusammenarbeiten. Seit wir im Herbst 2014 dort einen Datenskandal aufgedeckt haben, werden das zum Glück immer weniger.

Welche sind die wichtigsten Leistungsunterschiede bei den RLV-Tarifen?
Beispielsweise Nachversicherungsgarantien, Auszahlung der Versicherungssumme noch vor dem Tod, Verlängerungsoptionen, aber auch Obliegenheiten während der Vertragslaufzeit.

 

Autor(en): Bernhard Rudolf

Alle Branche News