Das Bundesfinanzministerium macht Ernst und hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Deckelung von Abschlussprovisionen von Lebens- und von Restschuldversicherungen vorgelegt.
Der Entwurf enthält im Grunde den Vorschlag, den die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bereits seit nahezu zwei Jahren vorwiegend mündlich und in zunehmend konkreter werdender Form lanciert hat.
25/40 und Dienstleistungsvergütung
Danach soll es für die kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen einen Deckel von 25 Promille der Beitragssumme bis zu maximal 35 Jahren Laufzeit geben – alles darüber hinaus ist zu kappen. Versicherungsunternehmen können auch bis zu 40 Promille gehen, wenn sie ein System einrichten und betreiben, mit dem die Qualität des vermittelten Geschäfts beobachtet wird. Dazu werden mehrere konkrete und kaum überraschende Ansätze für Qualitätssicherung genannt: Beschwerden, Stornoquote, Beanstandungen von Nichteinhaltungen gesetzlicher Vorgaben.
Für die reine Bestandsbetreuung können sogenannte Dienstleistungsvergütungen vereinbart werden. Diese müssen aber so gestaltet und bemessen sein, wie man auch externe Dienstleister für eine nachweisliche Dienstleistung vergüten würde. Die Zeiten einer pauschalen Bestandsverwaltungsprovision ohne Nachweis einer dafür erbrachten Leistung am Kunden wären dann vorbei. Solche Vergütungen werden also wohl in der Regel zeitbasiert erfolgen müssen.
Betroffen sind alle Kapitallebens- und Rentenversicherungen, klassisch wie modern, Deckungsstock- wie fondsbasiert, außerdem auch Termfix-/Ausbildungsversicherungen und lebenslange Todesfallversicherungen, bei denen Überschüsse zur Abkürzung der Laufzeit verwendet werden. Geförderte wie ungeförderte Verträge sollen gleichermaßen einbezogen sein.
Abschlussprovision ist mehr als nur Abschlussprovision
Als Abschlussprovisionen sollen in einem neuen § 7 Nr. 34c VAG "sämtliche Vertriebsvergütungen", definiert werden, "die an den Abschluss oder den Fortbestand eines Vertrages" anknüpfen. Das bedeutet konkret, dass hiermit keineswegs nur die branchenüblich als Abschlussprovisionen bezeichneten Einmalprovisionen zum Vertragsbeginn gemeint sind, sondern auch die meist als laufende Provision, Bestandsprovision, Abschlussfolgeprovision oder ähnlich bezeichneten Vergütungen während der Laufzeit, die pauschal für das Fortbestehen eines Vertrags gezahlt werden.
Auch Bonuszahlungen und Reisen sind im Begriff Abschlussprovision enthalten
Um den Provisionsdeckel in Promille der Beitragssumme gemäß einem neuen § 50a VAG einzuhalten, müssen solche laufenden Vergütungen nach dem Vorschlag des Ministeriums abgezinst werden, und zwar mit einem Marktzins nach § 7 Rückstellungsabzinsungsverordnung. Außerdem sind im Begriff Abschlussprovisionen auch andere Vergütungselemente und Anreize enthalten, zum Beispiel Bonuszahlungen und Reisen.
Der Deckel gilt auch für dynamische Erhöhungen. Zudem ist er ausdrücklich ebenfalls auf provisionsbezahlte Angestellte anzuwenden. Schließlich wird an eine mögliche Umgehung über das Konstrukt des Gruppenvertrags gedacht und auch hier eine Vergütung an dessen Versicherungsnehmer in die Regelung einbezogen.
Bei Restschuldversicherungen soll es nach einem neuen § 50b VAG ebenfalls einen Provisionsdeckel von 25 Promille geben. Aber in diesem Fall beziehen sich die Promille auf den Darlehensbetrag. Außerdem soll künftig die fünfjährige Stornohaftung auch für Restschuldversicherungen gelten.
Im Provisionsdeckel-Gesetz sind noch einige weitere Regelungen enthalten, die die Einrichtung von Sicherungsfonds sowie den Höchstrechnungszins betreffen. So soll die Aufsicht weiterhin das Recht haben, auch im Solvency II-Regime einen Höchstwert für den Rechnungszins festzusetzen.
Unzureichende Kostensenkung bemängelt
Das BMF rechtfertigt den Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht der Berufsausübung mit den „Herausforderungen des Niedrigzinsumfelds“ sowie einer Vermeidung von Fehlanreizen, die mit dem Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) erreicht werden sollten. Dies sei aber im Bereich der Abschlusskosten nicht ausreichend gelungen, und innerhalb dieser Kostenposition seien wiederum Vermittlervergütungen mit über zwei Drittel Anteil die größte Position. Die "tatsächliche Senkung dieser Kosten" sei "nur unzureichend erfolgt", wird unter Verweis auf den LVRG-Evaluationsbericht vom Juni 2018 ausgeführt.
"Trotz erster Erfolge bei der Senkung der Abschluss- und Vertriebskosten" seien "weitere Anstrengungen erforderlich, um die Kosten zu senken". Auch behauptet das BMF, dass die Bafin bislang nicht ausreichend im Rahmen der Missstandsaufsicht bei Fehlanreizen und exorbitant hohen Provisionen einschreiten könnte. Belegt wird diese These jedoch nicht.
Zudem wird der Eingriff als maßvoll und als verhältnismäßig angesehen, letzteres vor allem wegen der Möglichkeiten der qualitätsabhängigen Vergütung. Man wolle gerade keinen "starren Provisionsdeckel". In die Verantwortung genommen würden die Versicherer. Sie müssen Systeme einrichten und betreiben, um die Qualität des Vermittlungsgeschäfts und die damit gerechtfertigte Vergütung festzustellen. Offenbar ist dabei an eine Grundprovision plus "flexibel ansteigender Abschlussprovision" gedacht, die in Stufen greifen kann.
Mehrfachvertreter am teuersten
Die Gesetzesbegründung nennt auch durchschnittliche Abschlussprovisionen - einmalige wie laufende - für 2017 je Vertriebsweg, die von der Bafin bei den Versicherern abgefragt wurden. Danach erhielt der Ausschließlichkeits-Vertretervertrieb 36,6 Promille, der Angestellte Außendienst 21,8 Promille, Mehrfachvertreter 52,1 Promille und Makler 40,2 Promille. Insgesamt habe die Branche für 104,6 Milliarden Euro Beitragssumme Neugeschäft 3,95 Milliarden Euro Abschlussprovisionen oder 37,7 Promille ausgegeben.
Anscheinend wird das Ganze für ein Problem der kleineren Lebensversicherer angesehen. Denn nach den Angaben des BMF hätten die sieben größten Versicherer mit insgesamt mehr als 50 Prozent Marktanteil durchschnittlich nur 32,8 Promille aufgewendet. Davon waren sogar nur 24 Promille Einmalprovision bei Vertragsbeginn, der Rest aufgeschobene Vergütungen. Insgesamt hätten 60 Prozent der abgefragten Versicherer maximal 40 Promille aufgewendet, seien aber für zwei Drittel des Neugeschäfts verantwortlich. Offenkundig will das BMF mit solchen Zahlen darlegen, dass nur kleinere Teile des Marktes ernsthaft betroffen wären - warum es dann eines Gesetzes bedarf und nicht auf die regulierende Kraft des Marktes und die Nachfragemacht der Kunden vertraut wird, diese Frage wird nicht gestellt.
Autor(en): Matthias Beenken