Der Bundesgerichtshof hat am 29. Juli in zwei Entscheidungen die Rechte von Kunden gestärkt, die einer nach dem alten Policenmodell abgeschlossene Lebensversicherung widersprochen haben. Die Urteile haben auch Bedeutung für Vermittler.
In den beiden entschiedenen Fällen (IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14) ging es um eine Lebens- und eine Rentenversicherung, die nach dem so genannten Policenmodell abgeschlossen worden waren, bei dem die notwendigen Vertragsinformationen erst mit der Police mitgesandt wurden. In den entschiedenen Fällen hatte der Versicherer allerdings versäumt, den Kunden korrekt über sein Widerspruchsrecht aufzuklären, weshalb der Kunde auch Jahre nach dem Abschluss noch den Widerspruch wirksam erklären konnte.
Rückzahlung aller Beiträge und Zinsen gefordert
Tatsächlich hatte er den Rückkaufswert der Versicherungen erhalten, verlangte aber stattdessen die komplette Rückzahlung der eingezahlten Beiträge nebst Zinsen. Damit erhielt der Kläger nach einer Niederlage vor dem Landgericht Aachen vor dem Oberlandesgericht Köln grundsätzlich Recht. Allerdings entschied es, dass der Kunde sich den genossenen Versicherungsschutz gegenrechnen lassen muss. Der Vierte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) korrigierte diese Entscheidung lediglich in einem Punkt, denn auch auf die bereits abgeführte Kapitalertragsteuer und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag hat der Kunde keinen Rückerstattungsanspruch.
Besondere Aufmerksamkeit hat das Urteil deshalb erhalten, weil der BGH die Ansicht der Vorinstanz bestätigt, dass ein Versicherer bei der Rückabwicklung keine Abschluss- und Verwaltungskosten geltend machen kann. Der beklagte Versicherer hatte argumentiert, dass er sich damit nicht bereichert habe, sondern diese Kosten tatsächlich entstanden sind. Nach Meinung des BGH fallen Verwaltungskosten aber ohnehin an, unabhängig vom einzelnen Versicherungsvertrag.
Entreicherungsrisiko liegt beim Versicherer
Bei den Abschlusskosten ist die Argumentation des BGH noch etwas anders gelagert. Hier hatte der Versicherer geltend gemacht, dass er bereits eine Abschlussprovision gezahlt und sich damit „entreichert“ hat. Der BGH dazu in seiner Pressemitteilung: „Hinsichtlich der Abschlusskosten gebietet es der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko trägt.“
Provision ist reine Erfolgsvergütung
Mit anderen Worten muss der Versicherer selbst zusehen, wie er die bereits ausgezahlte Abschlussprovision zurückerhält, dem Kunden darf er die bereits erfolgte Auszahlung nicht anlasten.
Damit wird aber auch einmal mehr deutlich, dass die Provision eine reine Erfolgsvergütung ist. Dazu Rechtsanwalt Jürgen Evers, Kanzlei Blanke Meier Evers, Bremen: „Zwar haben der Versicherungsvertreter oder der Versicherungsmakler eine Beratungs- und Vermittlungsleistung erbracht. Indessen sind gleichwohl keine Ansprüche auf Abschlussvergütung entstanden. Denn Abschlussvergütungen sind sowohl beim Vertreter als auch beim Makler Erfolgsentgelte.“
Der Grund: „Die Provision des Versicherungsvertreters setzt gemäß §§ 92 Abs. 3 HGB ein Geschäft voraus, der Courtageanspruch nach § 652 Abs. 1 BGB einen wirksamen (Haupt)vertrag. Daran fehlt es aber gerade, wenn der VN fristgemäß widerspricht.“
Trotz eigenständiger Rechtspflichten kein Vergütungsanspruch
Evers weist darauf hin, dass man auch aus einer Entscheidung des Wettbewerbssenats des BGH von 2013 (I ZR 104/12) nichts anderes ableiten kann. Damals hatte der BGH auf die eigenständigen Beratungspflichten nach § 61 VVG hingewiesen, die sowohl Vertreter als auch Makler gegenüber dem Kunden erfüllen müssen. Eine solche erbrachte Leistung kann allerdings bei einem Widerspruch und anschließender Rückabwicklung des Versicherungsvertrags nicht vom Kunden an den Vermittler zurückerstattet werden.
Evers weiter: „Das gesetzliche Leitbild der erfolgsabhängigen Beratung wird aber weder durch die Vorschriften der §§ 59 ff. VVG ausgehebelt, noch durch die Rechtsprechung des Wettbewerbssenats, weil es sich um Schutzpflichten aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis handelt, die typischerweise unabhängig davon bestehen, ob es zu einem Geschäftsabschluss kommt.“
Das kann man auch so zusammenfassen, dass die Provision oder Courtage selbst dann, wenn andere Schuldverhältnisse wie insbesondere ein Maklervertrag oder eben auch gesetzliche Beratungspflichten und daraus resultierende Haftung gegenüber dem Kunden dagegen zu sprechen scheinen, weiterhin ausschließlich eine Erfolgsvergütung ist. Diese entsteht gar nicht erst, wenn der Erfolg nicht eintritt oder wenn der Erfolg wie in den vom BGH entschiedenen Fällen rückwirkend nach dem Widerspruch nicht eingetreten ist.
Keine Provision bei Misserfolg, bei Erfolg aber auch zu viel Provision?
Die Entscheidung ist auch aus einem anderen Grund interessant. Die Große Koalition will laut ihrem Koalitionsvertrag die Honorarberatung fördern. Damit greift sie die vielfältige Kritik an den selbst von der EU-Kommission in deren Begründung zum Entwurf einer neuen Vermittlerrichtlinie als anscheinend zu hoch bezeichneten Abschlussvergütungen in der Lebensversicherung auf. Verschiedene Vermittler bieten schon heute Provisionsabgaben an, um die vermeintlich überhöhte Abschlussprovision zu senken und den Eindruck zu erwecken, eine aufwandsgerechtere Vergütung anbieten zu können.
Die BGH-Entscheidungen zeigen einmal mehr, dass dem Provisionsrecht der Gedanke einer Aufwandsgerechtigkeit fremd ist. Vielmehr handelt es sich um eine Erfolgsgerechtigkeit, betriebswirtschaftlich um eine Quersubventionierung zwischen erfolgreichen und erfolglosen Vermittlungsbemühungen, zwischen erfolgreichen Vermittlungen mit geringem Umsatz und solchen mit hohem Umsatz.
Leitbild des Maklers überdenken
Allerdings steigen infolge der Vermittlerregulierung auch die Pflichten und Haftungen, die unabhängig vom Vermittlungserfolg bestehen. Evers: „Vermittler empfinden es vielfach als ungerecht, dass ihnen solche Pflichten aufgebürdet werden und dass sie dann auch noch leer ausgehen sollen.“
Das sollte in Zukunft auch in der Rechtsprechung mindestens für den Fall des Maklers mehr anerkannt werden, fordert der Fachmann für Vertriebsrecht. „Es sollte leichter möglich sein, erfolgsunabhängige Honorare zu vereinbaren. Der Automatismus, dass dann von einer Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Maklers und damit einer unangemessenen Benachteiligung ausgegangen wird, ist überdenkenswert.“
Bildquelle: © Frank Wagner /fotolia
In den beiden entschiedenen Fällen (IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14) ging es um eine Lebens- und eine Rentenversicherung, die nach dem so genannten Policenmodell abgeschlossen worden waren, bei dem die notwendigen Vertragsinformationen erst mit der Police mitgesandt wurden. In den entschiedenen Fällen hatte der Versicherer allerdings versäumt, den Kunden korrekt über sein Widerspruchsrecht aufzuklären, weshalb der Kunde auch Jahre nach dem Abschluss noch den Widerspruch wirksam erklären konnte.
Rückzahlung aller Beiträge und Zinsen gefordert
Tatsächlich hatte er den Rückkaufswert der Versicherungen erhalten, verlangte aber stattdessen die komplette Rückzahlung der eingezahlten Beiträge nebst Zinsen. Damit erhielt der Kläger nach einer Niederlage vor dem Landgericht Aachen vor dem Oberlandesgericht Köln grundsätzlich Recht. Allerdings entschied es, dass der Kunde sich den genossenen Versicherungsschutz gegenrechnen lassen muss. Der Vierte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) korrigierte diese Entscheidung lediglich in einem Punkt, denn auch auf die bereits abgeführte Kapitalertragsteuer und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag hat der Kunde keinen Rückerstattungsanspruch.
Besondere Aufmerksamkeit hat das Urteil deshalb erhalten, weil der BGH die Ansicht der Vorinstanz bestätigt, dass ein Versicherer bei der Rückabwicklung keine Abschluss- und Verwaltungskosten geltend machen kann. Der beklagte Versicherer hatte argumentiert, dass er sich damit nicht bereichert habe, sondern diese Kosten tatsächlich entstanden sind. Nach Meinung des BGH fallen Verwaltungskosten aber ohnehin an, unabhängig vom einzelnen Versicherungsvertrag.
Entreicherungsrisiko liegt beim Versicherer
Bei den Abschlusskosten ist die Argumentation des BGH noch etwas anders gelagert. Hier hatte der Versicherer geltend gemacht, dass er bereits eine Abschlussprovision gezahlt und sich damit „entreichert“ hat. Der BGH dazu in seiner Pressemitteilung: „Hinsichtlich der Abschlusskosten gebietet es der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko trägt.“
Provision ist reine Erfolgsvergütung
Mit anderen Worten muss der Versicherer selbst zusehen, wie er die bereits ausgezahlte Abschlussprovision zurückerhält, dem Kunden darf er die bereits erfolgte Auszahlung nicht anlasten.
Damit wird aber auch einmal mehr deutlich, dass die Provision eine reine Erfolgsvergütung ist. Dazu Rechtsanwalt Jürgen Evers, Kanzlei Blanke Meier Evers, Bremen: „Zwar haben der Versicherungsvertreter oder der Versicherungsmakler eine Beratungs- und Vermittlungsleistung erbracht. Indessen sind gleichwohl keine Ansprüche auf Abschlussvergütung entstanden. Denn Abschlussvergütungen sind sowohl beim Vertreter als auch beim Makler Erfolgsentgelte.“
Der Grund: „Die Provision des Versicherungsvertreters setzt gemäß §§ 92 Abs. 3 HGB ein Geschäft voraus, der Courtageanspruch nach § 652 Abs. 1 BGB einen wirksamen (Haupt)vertrag. Daran fehlt es aber gerade, wenn der VN fristgemäß widerspricht.“
Trotz eigenständiger Rechtspflichten kein Vergütungsanspruch
Evers weist darauf hin, dass man auch aus einer Entscheidung des Wettbewerbssenats des BGH von 2013 (I ZR 104/12) nichts anderes ableiten kann. Damals hatte der BGH auf die eigenständigen Beratungspflichten nach § 61 VVG hingewiesen, die sowohl Vertreter als auch Makler gegenüber dem Kunden erfüllen müssen. Eine solche erbrachte Leistung kann allerdings bei einem Widerspruch und anschließender Rückabwicklung des Versicherungsvertrags nicht vom Kunden an den Vermittler zurückerstattet werden.
Evers weiter: „Das gesetzliche Leitbild der erfolgsabhängigen Beratung wird aber weder durch die Vorschriften der §§ 59 ff. VVG ausgehebelt, noch durch die Rechtsprechung des Wettbewerbssenats, weil es sich um Schutzpflichten aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis handelt, die typischerweise unabhängig davon bestehen, ob es zu einem Geschäftsabschluss kommt.“
Das kann man auch so zusammenfassen, dass die Provision oder Courtage selbst dann, wenn andere Schuldverhältnisse wie insbesondere ein Maklervertrag oder eben auch gesetzliche Beratungspflichten und daraus resultierende Haftung gegenüber dem Kunden dagegen zu sprechen scheinen, weiterhin ausschließlich eine Erfolgsvergütung ist. Diese entsteht gar nicht erst, wenn der Erfolg nicht eintritt oder wenn der Erfolg wie in den vom BGH entschiedenen Fällen rückwirkend nach dem Widerspruch nicht eingetreten ist.
Keine Provision bei Misserfolg, bei Erfolg aber auch zu viel Provision?
Die Entscheidung ist auch aus einem anderen Grund interessant. Die Große Koalition will laut ihrem Koalitionsvertrag die Honorarberatung fördern. Damit greift sie die vielfältige Kritik an den selbst von der EU-Kommission in deren Begründung zum Entwurf einer neuen Vermittlerrichtlinie als anscheinend zu hoch bezeichneten Abschlussvergütungen in der Lebensversicherung auf. Verschiedene Vermittler bieten schon heute Provisionsabgaben an, um die vermeintlich überhöhte Abschlussprovision zu senken und den Eindruck zu erwecken, eine aufwandsgerechtere Vergütung anbieten zu können.
Die BGH-Entscheidungen zeigen einmal mehr, dass dem Provisionsrecht der Gedanke einer Aufwandsgerechtigkeit fremd ist. Vielmehr handelt es sich um eine Erfolgsgerechtigkeit, betriebswirtschaftlich um eine Quersubventionierung zwischen erfolgreichen und erfolglosen Vermittlungsbemühungen, zwischen erfolgreichen Vermittlungen mit geringem Umsatz und solchen mit hohem Umsatz.
Leitbild des Maklers überdenken
Allerdings steigen infolge der Vermittlerregulierung auch die Pflichten und Haftungen, die unabhängig vom Vermittlungserfolg bestehen. Evers: „Vermittler empfinden es vielfach als ungerecht, dass ihnen solche Pflichten aufgebürdet werden und dass sie dann auch noch leer ausgehen sollen.“
Das sollte in Zukunft auch in der Rechtsprechung mindestens für den Fall des Maklers mehr anerkannt werden, fordert der Fachmann für Vertriebsrecht. „Es sollte leichter möglich sein, erfolgsunabhängige Honorare zu vereinbaren. Der Automatismus, dass dann von einer Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Maklers und damit einer unangemessenen Benachteiligung ausgegangen wird, ist überdenkenswert.“
Bildquelle: © Frank Wagner /fotolia
Autor(en): Matthias Beenken