Knapp 700.000 Euro Beitragseinnahme verbuchen die Erstversicherer pro Mitarbeiter. Die Branche hat aber an Dynamik verloren.
Nach den aktuellen Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) haben die Erstversicherer im Jahr 2017 insgesamt knapp 198 Milliarden Euro Beitragseinnahmen verbucht. Und sie beschäftigten 292.200 Mitarbeiter im Innen- und im Außendienst oder als Auszubildende.
Nominal zweieinhalbfache Prämie pro Kopf
Pro Mitarbeiter wurden damit rund 678.000 Euro Beitragseinnahmen verbucht. Im Jahr 1990 waren es hingegen noch knapp 70 Milliarden Euro Beitragseinnahme, die von 254.700 Mitarbeitern verwaltet wurden. Das waren umgerechnet 274.000 Euro pro Kopf.
Nominal verarbeiteten 2017 die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund das Zweieinhalbfache der Prämien von 1990, die Steigerung scheint enorm zu sein. Inflationsbereinigt ist die Entwicklung jedoch deutlich moderater.
Inflationsbereinigt die Hälfte mehr
Legt man die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes zugrunde, dann entsprachen die Einnahmen 1990 rund 449.000 Euro in Preisen von 2017. Damit hat in diesen Jahren ein Produktivitätszuwachs um 51 Prozent stattgefunden. Worauf dieser zurückzuführen ist, beispielsweise auf bessere Informationstechnik und Prozesse oder aber auch auf eine Verlagerung von Aufgaben in den selbstständigen Vertrieb, kann man aus diesen Zahlen allein nicht herauslesen.
Betrachtet man den durchschnittlich pro Jahr erreichten Produktivitätsfortschritt, muss man feststellen, dass derzeit kaum noch Zuwächse realisiert werden. Im Zehnjahreszeitraum 1990 bis 2000 wurden noch rund 2,3 Prozent jährlicher Steigerung der Produktivität erreicht. Hier mag die Vergrößerung des Versicherungsmarktes nach der Wiedervereinigung eine wesentliche Rolle gespielt haben, der ein sehr zurückhaltender Mitarbeiterzuwachs gegenüberstand.
Seit 2010 keine nennenswerten Fortschritte mehr
In der anschließenden Dekade wurden nur noch 1,4 Prozent erreicht. Seit 2010 sind es sogar nur noch 0,4 Prozent. Auch hier kann man nur spekulieren, ob dies auf die zunehmende Regulierung wie unter anderem durch Solvency II und/oder die Vertriebs- und Datenschutzrichtlinien zurückzuführen ist, die sehr viel Personalkapazität gebunden hat.
Zufriedenstellen kann das die Branche jedenfalls nicht. Insbesondere deshalb nicht, weil sie insbesondere in der Lebensversicherung derzeit unter massivem Kostendruck steht. Mit der Evaluation des Lebensversicherungsreformgesetzes sind weitere finanzielle Belastungen zu erwarten.
Millionenschwere Investitionen in Startups bislang wenig erfolgreich
Offenbar scheinen aber auch die vielen Initiativen der Branche wie unter anderem der Gründung zweier großer Labs in Köln und in München und millionenschwere Investitionen in Startup-Unternehmen und interne Innovationsabteilungen bisher keinen sichtbaren Fortschritt bei der Produktivität zu liefern. Nun gehört es zum Wesen einer Investition, dass sie erst einmal mehr Kosten verursacht, um dann in Zukunft ihre hoffentlich positive Wirkung auf der Umsatz- oder auf der Kostenseite zu beweisen.
Die Frage ist, ob der Markt der Branche die Zeit dafür lässt, noch weitere Jahre auf Fortschritte beispielsweise bei der Attraktivität vor allem der Vorsorgeprodukte und damit einer Erschließung ungenutzter Marktpotenziale zu warten. Dasselbe gilt auf der Kostenseite für die Geschwindigkeit und Qualität von Prozessen, beim Datenaustausch oder auch bei der Effizienz der Verkaufs- und Betreuungsprozesse.
Autor(en): Matthias Beenken