Der Gesetzgeber führte mit dem so genannten Notlagentarif eine zweite Chance für verschuldete privat Krankenversicherte ein: Heute vor sechs Jahren trat das "Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung" in Kraft. Mehr dazu erläutert der PKV-Verband.
Zum damaligen Zeitpunkt lagen die Außenstände in der privaten Krankenversicherung (PKV) bei 745 Millionen Euro). Etwa 149.000 Personen waren so genannte "Nichtzahler". Als solche galten Versicherte mit drei oder mehr Monatsbeiträgen Rückstand.
Belastung für übrige Versicherte
Für die Versichertengemeinschaft der PKV waren diese Beitragsschuldner eine doppelte Belastung: Sie leisteten selbst keinen Beitrag mehr (oder zu geringe Beiträge), die kalkulierten Leistungen waren also nicht mehr zu 100 Prozent gedeckt. Und die übrigen Versicherten des jeweiligen Kollektivs mussten weiter Alterungsrückstellungen mit für sie aufbauen. Die Beitragsschuldner sorgten damit für höhere Beitragssteigerungen in ihren Tarifen. Denn seit Einführung der Pflicht zur Versicherung im Jahr 2009 konnten die PKV-Unternehmen ihnen auch nicht mehr kündigen.
Verschuldete im Teufelskreis
Die Beitragsschuldner selbst steckten allerdings auch in einem Dilemma. Nicht nur, dass sie mit den bisher aufgelaufenen Schulden ihres alten Tarifs zu kämpfen hatten: Die ursprüngliche Rechtslage sah vor, dass sie bei länger anhaltender Nichtzahlung zwangsweise in den Basistarif umgestellt wurden. Dieser war aber meist teurer als der ursprüngliche Tarif – das Ergebnis waren noch höhere Schulden.
Hilfe bei Beitragsschulden
Mit dem neuen Notlagentarif erhielten die Beitragsschuldner eine Möglichkeit, ihre Außenstände schneller zurückzuzahlen und in ihren ursprünglichen Tarif zurückzukehren. Die Mehrbelastung für die übrigen Versicherten wurde gleichzeitig deutlich geringer. Dass der Tarif tatsächlich funktioniert wie beabsichtigt, zeigt ein Blick auf die aktuellsten Zahlen: Ende 2018 waren im Notlagentarif insgesamt 102.200 Personen versichert. Das sind etwa drei Prozent weniger als im Jahr zuvor und nur 1,7 Prozent aller Privatversicherten. Verglichen mit den etwa 149.000 Nichtzahlern vor Einführung des Notlagentarifs ist die Gesamtzahl also um über 31 Prozent zurückgegangen. Die durchschnittliche Verweildauer im Notlagentarif beträgt etwa ein Jahr. Auch das ist ein klares Indiz dafür, dass der Tarif wie beabsichtigt dabei hilft, Schulden leichter tilgen zu können.
Wie der Notlagentarif funktioniert
Wer in Beitragsrückstand gerät und diesen nach zweimaliger Mahnung des Versicherers nicht innerhalb einer Frist begleicht, landet zwangsweise im Notlagentarif. Die Leistungen dort beschränken sich bei Erwachsenen auf die Heilbehandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen sowie auf die erforderlichen Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Dass die Leistungen im Vergleich zu den Normaltarifen der PKV damit stark eingeschränkt sind, ist allerdings nicht nur als Sanktion gedacht. Ziel des Gesetzgebers ist nämlich auch eine möglichst geringe Beitragshöhe im Notlagentarif: Dadurch verlangsamt sich der weitere Anstieg der Beitragsschulden – und die Schulden können später schneller wieder abgetragen werden.
Um die Prämie gering zu halten, bildet der Notlagentarif auch keine weiteren Alterungsrückstellungen mehr. Die bisherigen Rückstellungen der Versicherten fließen sogar teilweise in den Beitrag mit ein und reduzieren ihn zusätzlich. Im Ergebnis sind die Beiträge im Notlagentarif mit etwa 100 Euro pro Monat sehr gering. Die übrigen Alterungsrückstellungen der Versicherten parkt und verzinst das PKV-Unternehmen für die spätere Rückkehr in den alten Tarif.
Lösung für Ausnahmefälle
Der Notlagentarif ist damit nur eine Lösung für Ausnahmefälle. Aus diesem Grund kann sich auch niemand bewusst für den Tarif entscheiden. Und es steht Unternehmen frei, trotz Notlagentarif aufgrund von Beitragsschulden Schufa-Einträge oder Pfändungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Rein rechtlich gesehen gilt nämlich: Die Versicherten im Notlagentarif sind keine Sozialfälle. Wer Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialrechts nachweisen kann, muss nie in den Notlagentarif. Stattdessen können sich alle Hilfebedürftigen im Basistarif mit Leistungen auf Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung versichern – ohne die Einschränkung auf Notfallleistungen und gegebenenfalls sogar ohne eigenen Zahlbeitrag.
Autor(en): Bernhard Rudolf