Viele Privatpatienten müssen im nächsten Jahr mit höheren Versicherungsprämien rechnen. Insgesamt fallen die Erhöhungen moderat aus. Doch eine Reihe von Kunden erhalten zweistellige prozentuale Anpassungen. Sie trifft 2019 ein regelrechter Beitragsschock.
Knapp zwei Prozent höhere Prämien werden alle rund 8,8 Millionen Privatpatienten zahlen müssen. Das schätzt der Verband der Privaten Krankenversicherer (PKV Verband). Das größte PKV-Unternehmen, die Debeka, meldet sogar nur eine durchschnittliche Beitragsanpassung von 0,33 Prozent. Bei der Arag Versicherung werden die Prämien um rund zwei Prozent und bei der Provinzial Krankenversicherung um 2,5 Prozent steigen. Demgegenüber wird die Huk-Coburg nach vorläufiger Schätzung im Schnitt die Prämien um vier Prozent nach oben anpassen, während ihre Tochter, die Pax Familienfürsorge, sogar um 4,7 Prozent erhöht. Die neuen Beiträge werden bei der Huk-Gruppe erst im März fällig.
Ein Fehler: Extremwerte werden nicht kommuniziert
Doch die Durchschnitte verraten nur die halbe Wahrheit. Es gibt auch sehr deutliche Anpassungen in einzelnen Tarifen. „Extremwerte nach oben oder unten werden wir nicht nennen, da hier nur Einzelfälle betroffen sind“, antwortet die Huk-Coburg auf Anfrage. Auch die Debeka und Provinzial Krankenversicherung, die bei der VGH in Hannover angesiedelt ist, wollen Extremwerte nicht nennen. Laut VGH sind sehr starke Veränderungen in der Regel auf „untypische Vertragsverläufe“ zurückzuführen. Sie müssten erläutert werden. Das verbiete aber der Datenschutz, so der Versicherer.
Auch Deutschlands führender Versicherer, die Debeka verweigert grundsätzlich Angaben zu einzelnen Tarifen, denn sie würden häufig „zu Fehlinterpretationen führen“. Mit dieser Verweigerungshaltung erweist sich die Branche der privaten Krankenversicherer einen Bärendienst. Denn immer wieder beschweren sich Kunden, wenn sie feststellen, dass ihre persönliche Beitragserhöhung weit weg vom öffentlich angegebenen Durchschnitt liegt. Dann müssen die PKV-Unternehmen in der Regel schlüssige Erläuterungen nachliefern. Doch dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und das Vertrauen in die PKV-Branche wieder ein Stück mehr verloren gegangen.
Sonderauswertung auf Einzeltarif-Basis
Allein bei der Debeka, Huk-Coburg, Pax-Familienfürsorge und Provinzial Krankenversicherung sind über 170.000 Kunden von einer Beitragserhöhung betroffen. Auch bei der Gothaer und der Arag müssen etliche Kunden mit einer deutlichen Prämiensteigerung rechnen. Denn bei der Gothaer werden allein für einen 35-jährigen Kunden über 190 Tarife teurer. Bei der Arag sind es immerhin noch 120 Tarife. Das geht aus einer ersten Sonderauswertung für die PKV-Branche durch das Analysehaus KVpro.de aus Freiburg hervor.
Untersucht wurden rund 3.000 Tarife für vollversicherte Privatkunden im Alter von 35 und 55 Jahren. Danach erhöht beispielsweise die Provinzial Krankenversicherung die Beiträge teilweise um mehr als 23 Prozent. Bei der Bayerischen Beamtenkrankenkasse (BK) und der Union Krankenversicherung (UKV) liegen die Anpassungen in der Spitze bei über 15 Prozent. Um bis zu 14 Prozent müssen Arag-Privatkrankenversicherte mit einer Erhöhung rechnen, während die Anpassungen bei der Gothaer im Extremfall etwas über zehn Prozent liegen.
Derzeit noch keine konkreten Angaben möglich
Wenige Tarife werden auch bei der Halleschen und Signal Iduna um einen zweistelligen Prozentwert erhöht. Demgegenüber liegen die Anpassungen bei der Concordia, der Continentale, der R+V und der LVM auch im Extremen bei deutlich unter zehn Prozent. Viele PKV-Unternehmen erhöhen die Beiträge gar nicht oder senken sie sogar. Noch nicht in der Einzeltarifauswertung von KVpro.de sind die Debeka, die Huk-Coburg und die DKV aus der Ergo-Gruppe. Die DKV erhöht ihre Prämien erst zum 1. April 2019 und kann derzeit auch noch keine konkreten Angaben zur durchschnittlichen Anpassung machen.
Niedrige Zinsen treiben die Prämien
Die Gründe für die Anpassungen sind bei allen PKV-Unternehmen ähnlich. So müssen steigende Krankheitskosten und inflationsbedingte Preissteigerungen sowie der Fortschritt bei der medizinischen Entwicklung ausgeglichen werden. Zudem entsteht durch die demografische Entwicklung die Notwendigkeit, die kontinuierlich steigende Lebenserwartung regelmäßig durch Anpassen der Sterbetafeln in der Beitragskalkulation zu berücksichtigen. Auch das anhaltende Niedrigzinsniveau schlägt sich in der Kalkulation der Beiträge nieder. Übersteigen die so genannten auslösenden Faktoren – also die Schadenentwicklung oder eine geringere Sterblichkeit – die Schwelle von fünf Prozent, darf der Versicherer für diesen Tarif auch den Rechnungszins überprüfen.
„Aufgrund der derzeitigen Situation am Kapitalmarkt kommt es aktuell zu einer Absenkung des Rechnungszinses für alle von der Beitragsanpassung betroffenen Tarife. Dies wirkt sich beitragssteigernd aus“, erläutert die Provinzial Krankenversicherung. Eine private Krankenversicherung ist nämlich auch ein Sparvertrag. Der Versicherer kassiert in der Regel von den jüngeren Kunden einen etwas höheren Beitrag, als er ihn für Schäden benötigt. Diese Mehrprämie legt er am Kapitalmarkt an und kann damit im Alter die Prämien moderat halten. Werden diese Anlagen nur noch geringer verzinst, müssen die Prämien erhöht werden, um am Ende den gleichen Kapitalbetrag zu erzielen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek