PKV nochmal davon gekommen

Statt einer strukturellen Reform des Gesundheitswesens hat sich die Bundesregierung in dieser Woche mit einer heftigen Beitragssteigerung Ruhe in der Gesundheitspolitik erkauft, zumindest für diese Legislaturperiode. Die beiden wichtigsten Ziele der Reform - die sichere Finanzierung der Gesundheitskosten einer alternden Gesellschaft und die Entlastung des Arbeitsmarktes - wurden nicht erreicht. Die Ergebnisse im Schnelldurchgang:

Gesundheitsfonds: Der Fonds - eine Art Geldsammelstelle - soll ab 2008 eingeführt werden. Die einzelnen Kassen erhalten aus diesem Finanzpool (dorthin fließen alle Beiträge) eine bestimmte Summe für jeden Versicherten: einen Einheitsbetrag je Versicherter plus Zuschläge für Altersstruktur und Risiken ihrer Versicherten.

Beiträge: Der Beitragssatz wird künftig im Gegensatz zu heute gesetzlich festgelegt. Die Verteilung der Last zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern soll so bleiben wie bisher. Um das drohende Defizit der Krankenkassen für 2007 zu decken, sind steigende Beiträge anvisiert. Im Schnitt dürfte es mindestens 0,5 Prozentpunkte teurer werden.

Zusatzbeitrag: Kassen, die mit der Zuweisung aus dem Fonds ihre Leistungen nicht decken können - also schlecht wirtschaftende Kassen - dürfen einen zusätzlichen Beitrag erheben. Es soll den Kassen überlassen bleiben, ob sie einen Festbetrag ("kleine Kopfpauschale") erheben oder einen prozentualen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag (maximal ein Prozent des Einkommens). Bei guter Finanzlage können Kassen Beiträge rückerstatten oder Mehr-Leistung anbieten.

PKV: Die private Krankenversicherung (PKV) wird nicht in den Fonds einbezogen. Sie bleibt als "Vollversicherung" erhalten; wichtig: Die Versicherungspflichtgrenze wird nicht erhöht (3.937,50 Euro). Damit wird die PKV nicht zusätzlich vom Neukundenzugang abgeschnitten. Beamte und Unternehmer können nun auch bei geringerem Einkommen in die PKV wechseln (frühestens drei Jahre nach dem Stichtag 3. Juli 2006). Für alle freiwillig gesetzlich Versicherten (Einkommen: über 3.937,50 Euro) muss die PKV künftig einen Basistarif anbieten, der dem GKV-Schutz vergleichbar ist (nicht erst ab Alter von 54 wie bisher). Interessenten müssen unabhängig vom Krankheitsrisiko aufgenommen werden (Kontrahierungszwang). Eine Gesundheitsprüfung soll nicht nötig sein.

Die PKV-Versicherten beteiligen sich finanziell über den wachsenden Steuerzuschuss. Per Gesetz soll sichergestellt werden, dass Versicherte ihre Altersrückstellungen bei einem Wechsel innerhalb der PKV mitnehmen können (Portabilität). Menschen ohne Versicherungsschutz können sich wieder dort versichern, wo sie zuletzt versichert waren, entweder privat oder gesetzlich. Die PKV bietet für diese Fälle einen Basistarif mit standardisierter Altersrückstellung an. Ein Wechsel von der PKV zurück in die GKV ist weiterhin generell ausgeschlossen (Ausnahme: Rückfall beim Einkommen unter die Versicherungspflichtgrenze).

Steuerfinanzierung: Gesamtgesellschaftliche Leistungen der Krankenkassen sollen zunehmend über Steuern finanziert werden (2008: zunächst 1,5 Milliarden Euro). Konkret soll das Geld in die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder fließen (kostet rund 16 Milliarden Euro). Wo die Mittel herkommen sollen, ist völlig offen.

Krankenkassen: Sie dürfen untereinander fusionieren. Ein neuer Spitzenverband soll "zeitliche und organisatorische Abläufe" in den Kassenverbänden straffen. Die Kassen sollen mehr Einzelverträge mit Ärzten und Krankenhäusern abschließen dürfen; die kassenärztlichen Vereinigungen bleiben aber erhalten. Die Kassen kommen künftig nicht mehr für Komplikationen in Folge von Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen auf.

Ärzte: Sie erhalten ein einfacheres Vergütungssystem mit Pauschalpreisen. Die bisherige Budgetierung wird abgeschafft.

Medikamente: Es werden Höchstpreise eingeführt. Werden dadurch nicht mindestens 500 Millionen Euro gespart, müssen Apotheken den Kassen einen Sonderrabatt gewähren. Zudem können die Apotheker direkt mit den Pharmafirmen Preise unter dem Höchstwert aushandeln.

Autor(en): Detlef Pohl

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