Seit 2012 verzeichnen die privaten Krankenversicherer (PKV) Bestandsverluste in der Krankenvollversicherung, auch wenn diese rückläufig sind. Gestützt wird diese Sichtweise durch die Ergebnisse einer Umfrage zur Markteinschätzung, die die Rating-Agentur Assekurata im Frühjahr dieses Jahres erstmals unter 19 Krankenversicherern durchgeführt hat. Bis auf ein PKV-Unternehmen sehen die Gesellschaften die künftigen Geschäftserwartungen in diesem Geschäftszweig skeptisch.
Elf Gesellschaften mit einem Marktanteil nach vollversicherten Personen von 46,8 Prozent nahmen an der Umfrage teil. Die Vollversicherung müsse viel aktiver als früher verkauft werden, meinte Gerhard Reichl, Fachkoordinator Krankenversicherung der Assekurata, bei einer Webkonferenz am 27. Mai. Vermittler erlebten eine hohe Verunsicherung auf Seiten potenzieller Neukunden. Darüber hinaus stelle die Versicherungspflichtgrenze von derzeit 62.550 Euro jährlich eine hohe Hürde für die PKV dar. Diese sei für junge Akademiker relativ hoch. Wenn die potenziellen Kunden älter würden, habe sich oft deren Familiensituation geändert, sodass ein Beitritt zur PKV unattraktiv sein könne.
Beihilfe-Empfänger in der Mehrheit
Im Vorjahr verbesserte sich der Nettozuwachs im Beihilfegeschäft nach ersten Erkenntnissen von 0,9 auf 1,5 Prozent. Allerdings mussten die Gesellschaften im Nicht-Beihilfesegment, dem so genannten Normalgeschäft, voraussichtlich einen Bestandsverlust von 1,6 Prozent hinnehmen (2018: -1,3 %). "Dies unterstreicht den langjährigen Trend, wonach Beihilfeberechtigte bereits seit 2014 mit rund 55 Prozent den Großteil des jährlichen Neuzugangs aus der GKV ausmachen. Seit 2018 sind sie auch bestandsmäßig in der Überzahl", erläuterte Reichl.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2019 stieg ihr Anteil von 50,3 auf rund 51 Prozent. Nach Einschätzung von Assekurata dürfte diese Entwicklung auch in naher Zukunft anhalten, da durch die Corona-Pandemie zumindest im Normalgeschäft nicht von einem steigenden Neugeschäft auszugehen ist.
Zusatzversicherung weiter mit Wachstumspotenzial
Insgesamt beurteilen die Gesellschaften jedoch den Krankenversicherungsmarkt aktuell und künftig leicht positiv, was im Wesentlichen an der Zusatzversicherung liegt. Hier verbuchte die Branche 2019 nach Verträgen insgesamt ein Plus von 2,1 Prozent. Die leichte Verbesserung gegenüber dem Vorjahr (2,0 %) ist dabei vor allen Dingen auf die Entwicklung in der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) zurückzuführen, die branchenweit um 16,6 Prozent zulegen konnte. Ohne dieses Segment hätte die Zuwachsrate sowohl 2019 als auch 2018 nur bei jeweils 1,7 Prozent gelegen.
Die Pflegezusatzversicherung dürfte zwar gegenüber dem Vorjahr (93.200) mit einem Nettozuwachs von rund 110.000 Verträgen leicht zugelegt haben, bleibt damit jedoch weiterhin deutlich unter dem Niveau der Jahre vor 2017, als das zweite Pflegestärkungsgesetz noch nicht umgesetzt war.
Positives Ergebnis 2019
"Trotz anhaltendem Niedrigzins gestaltete sich das Geschäftsjahr 2019 ergebnistechnisch positiver als das Jahr davor. Dies ist im Wesentlichen auf das Kapitalanlageergebnis zurückzuführen, welches um knapp 1,1 Milliarden Euro zulegte", konstatierte Gerhard Reichl. Damit stieg die Nettoverzinsung marktweit von 3,0 auf 3,3 Prozent an und kompensierte den Rückgang der versicherungsgeschäftlichen Ergebnisquote von 13,3 auf 11,9 Prozent. In der Summe verbesserte sich das Rohergebnis nach Steuern um 0,8 auf knapp 5,9 Milliarden Euro.
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Auswirkungen gestalte sich eine Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr "derzeit recht schwierig", gab Reichl zu bedenken. "Anders als im Vorjahr dürfte die Kapitalanlage diesmal allerdings das Rohergebnis der Unternehmen deutlich nach unten ziehen." Übrigens werde der Beitragsdruck nach oben auch in der gesetzlichen Krankenversicherung zunehmen, so der Experte. Zum einen sei durch die Corona-Krise mit Beitragsausfällen durch Arbeitslosigkeit zu rechnen, zum anderen dürften sich die Krankheitsausgaben erhöhen.
Autor(en): Bernhard Rudolf