Die Corona-Krise ist zwar aus den Köpfen der Private-Equity-Investoren verschwunden, doch geopolitische und wirtschaftliche Unsicherheiten bestimmen laut einer Umfrage aktuell das Handeln in der Branche. Statt auf große Transaktionen fokussieren sich die europäischen PE-Experten auf Value Creation.
Geopolitische Risiken und steigende Zinsen schlagen auf die Stimmung der europäischen Private Equity (PE)-Branche. Fast 60 Prozent der rund 1.700 für den "European Private Equity Outlook 2023" vom Beratungshaus Roland Berger befragten Experten glaubt, dass die Zahl der Firmenübernahmen und -beteiligungen, kurz M&A, mit PE-Kapital auf niedrigem Vorjahresniveau liegen wird.
Externe Finanzierungen kaum realisierbar
"Externe Finanzierungen für große Deals sind im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld eher schwierig zu bekommen. Daher rückt in diesem Jahr die Value Creation innerhalb der Portfoliounternehmen zunehmend in den Fokus", erläutert Christof Huth, Partner bei Roland Berger. Allerdings biete der Markt auch interessante Ziele im Small- und Mid-Cap-Segment. "Die PE-Branche zieht wieder verstärkt gelistete Unternehmen und Primärinvestitionen in Betracht", betont Huth.
Dabei bewerten die PE-Experten die mögliche Entwicklung regional jedoch unterschiedlich: In den nordischen Länder, Spanien und Portugal rechnen sie zum Teil mit einem Wachstum der M&A-Aktivitäten von mehr als zehn Prozent rechnen. Pessimistisch sind die Investoren im Hinblick auf Italien, Mittel- und Osteuropa sowie Großbritannien. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz erwarten die Befragten allenfalls ein leichtes Plus, heißt es weiter.
Corona verliert an Relevanz
Dabei bewerten 91 Prozent der Befragten die Verfügbarkeit von Fremdfinanzierungen (2022: 35 Prozent) und 90 Prozent die allgemeine Wirtschaftslage (2022: 74 Prozent) als die beiden zentralen Einflussfaktoren für die weitere Entwicklung des laufenden Jahres. Fast 60 Prozent gehen zudem davon aus, dass die hohen Energiekosten und das Verbrauchervertrauen auf die kommenden PE-Aktivitäten auswirken werden. Für nur vier Prozent der Teilnehmer hat die Corona-Pandemie noch einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung (2022: 45 Prozent).
Die meisten Transaktionen prognostizieren die Befragten in den Segmenten Small-Cap (bis zu 100 Millionen Euro) und Mid-Cap (100 bis 249 Millionen Euro). Hier sei die Abhängigkeit von großen externenFinanzierungen am geringsten, heißt es zur Begründung. 21 Prozent der Teilnehmer glaubt zudem, dass die Vermögenswerte fair bewertet werden. 2022 sagten das nur acht Prozent.
Value Creation hat hohe Priorität
Insgesamt sind für 44 Prozent Mehrheits- und für immerhin 24 Prozent Minderheitsbeteiligungen wichtigste Investitionsziele. "Diese bieten nach wie vor ein erhebliches Value-Creation-Potenzial, das für PE-Firmen zu einer Priorität geworden ist", so die Studienautoren. 89 Prozent glauben, das dies im laufenden Geschäftsjahr eine wichtige oder sogar sehr wichtige Rolle spielen wird. 2022 waren nur 54 Prozent dieser Ansicht. Und 91 Prozent gehen davon aus, dass Value Creation auch in den kommenden fünf Jahren ein zentraler Fokus bleibt (2022: 71 Prozent).
Den stärksten Attraktivitätszuwachs verzeichnen dabei börsennotierte Unternehmen mit 55 Prozent, gegenüber 13 Prozent im Jahr 2022. Secondary Buy-Outs werden hingegen mit 19 Prozent (2022: 60 Prozent) als am wenigsten relevant betrachtet.
Pharma, Gesundheit, IT und Energiebranche attraktiv
Zu den besonders attraktiven Branchen, für die die Experten mit einer hohen Zahl von PE-Deals rechnen, gehören Pharma und Gesundheit (67 Prozent) sowie Technologie und Software (61 Prozent). Auf Platz drei folgt der Energiebereich mit 43 Prozent. 2022 belegte die Branche noch Rang fünf im Ranking - hinter Business Services und Infrastruktur. "Assets im Sektor Erneuerbare Energien werden für Private-Equity-Fonds immer interessanter. Im Zuge der Energiewende spielen sie eine wichtige Rolle für künftige Investitionen", so Huth.
Autor(en): Angelika Breinich-Schilly