Der offizielle Entwurf eines "Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovision von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen" wurde unmittelbar zum Beginn der Feiertage verschickt – mit einigen Änderungen zum bereits bekannten Vorentwurf. Die Verbände haben eine knappe Anhörungsfrist.
Am 27. März war ein erster Entwurf eines Provisionsdeckelgesetzes durchgestochen worden (Versicherungsmagazin Aktuell vom 28.3.2019). Nun liegt er auch offiziell als Referentenentwurf vor. Die Verbände erhielten ihn am Gründonnerstag Nachmittag und haben nun bis zum 6. Mai Zeit, eine Stellungnahme abzugeben.
Beitragssumme gleich abkürzbare Beitragssumme
Gegenüber dem durchgestochenen Entwurf gibt es mehrere Änderungen. Es bleibt bei den beiden bekannten Deckeln in der kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherung aller drei steuerlichen Schichten (Ausnahme: sofort beginnende Rentenversicherung) in Höhe von 25 und 40 Promille der Bruttobeitragssumme. Erfasst werden davon alle erfolgsabhängigen Vergütungen und Anreize, darunter Abschluss- und Bestandsprovisionen, Bonifikationen oder Wettbewerbsreisen.
Ergänzt wurde, dass diese Bruttobeitragssumme auf die "tatsächliche Beitragszahlungsdauer" begrenzt gelten soll, sofern "dem Versicherungsnehmer, der versicherten Person oder dem Begünstigten das Recht" zusteht, "den Beginn des Leistungsbezuges zu bestimmen". Hier geht es offenbar um Verträge mit abkürzbarer Aufschubzeit, sodass faktisch nur noch bis zum erstmöglichen Beginn der Leistungszeit eine Vergütung zulässig wäre.
Der zweite Deckel von 40 Promille soll nur dann ausgeschöpft werden dürfen, wenn der Versicherer qualitative Anforderungen des Vermittlers definiert und beobachtet. Wie das speziell bei Maklern und Mehrfachvertretern umsetzbar sein soll, wird weiterhin nicht erläutert.
Neues qualitatives Kriterium
Die bisher drei genannten Kriterien Beschwerden, Stornoquote und Beanstandungen der Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben werden im offiziellen Referentenentwurf um ein viertes ergänzt. Es sollen "nachprüfbare Maßnahmen zur Gewährleistung einer hochwertigen und umfassenden Beratung im bestmöglichen Interesse der Kunden" herangezogen werden.
Klarheit wird allerdings weiterhin keine geschaffen. "Beschwerden" werden zwar begrifflich zu "Verbraucherbeschwerden" konkretisiert. Welche Beschwerden und wem gegenüber geäußert heranzuziehen sind, muss ein Versicherer selbst definieren. Dasselbe gilt für die Stornoquote, für die es im Markt recht unterschiedliche Definitionen gibt. Auch die weiteren Kriterien sind hochgradig auslegungsbedürftig.
Schon fast als Realsatire mutet es an, wenn in der Begründung an anderer Stelle ausgeführt wird: "Der vergütete Vermittlungserfolg für sich genommen ist jedoch keine ´Leistung´, die in unterschiedlichen Qualitäten erbracht werden könnte." Das Bundesfinanzministerium (BMF) verheddert sich mit dem Versuch, zwei grundsätzlich unvereinbare Vergütungssystemen zu mischen, einerseits die nach Handelsrecht vorgesehene Provision als rein erfolgsabhängige Vergütung des Handels sowie andererseits die Gebühr oder Dienstleistungsvergütung als meist nach entsprechenden Vergütungsverordnungen vorgesehene Vergütung der freien Berufe. Eine Mischung der Systeme führt nicht zu einem ordnungspolitisch sinnvollen Ergebnis.
Der Aufwand, der durch diese Maßnahmen entstehen soll, wird kaum angemessen berücksichtigt. Das BMF suggeriert, das Gesetz enthalte keinerlei Belastungen für Verbraucher, obwohl es eine sehr klare Botschaft enthält: Wer als Vermittler mit 25 oder 40 Promille nicht auskommt, kann auf die Honorarberatung ausweichen. "Insbesondere die Honorarberatung ist vom Provisionsdeckel nicht betroffen", heißt es in der Begründung. Da sind dann 60, 70 und noch mehr Promille möglich, übrigens ohne Stornohaftung. Warum das keine Mehrbelastung für Verbraucher sein soll, ist fragwürdig. Hinzu kommt, dass die im Gesetzentwurf häufig zitierte Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD Wettbewerbsgerechtigkeit fordert, die zwischen einem gedeckelten deutschen Provisions- und einem ungedeckelten Honorarvertrieb gerade nicht gegeben ist.
Erfüllungsaufwand viel zu niedrig angesetzt
Auch der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft ist mit ganzen (jeweils gerundet) 240.000 Euro pro Jahr und 1,6 Millionen Euro einmalig nicht nachvollziehbar. Allein die Tatsache, dass das BMF laufende Vergütungen einem jährlich variablen Abzinssatz unterwerfen will, führt zu einem beständigen IT-Aufwand und Aufwand der Vertragsverhandlung mit Vermittlern, der vom Ministerium nicht berücksichtigt oder an einer Stelle als "nicht seriös" zu beziffern bezeichnet wird (Versicherungsmagazin Aktuell vom 8.4.2019).
Hier gäbe es eine bessere Lösung: In der Steuerbilanz müssen Unternehmen Altersvorsorgeverpflichtungen mit einem seit vielen Jahren stabilen Zinssatz von sechs Prozent abzinsen. Das BMF hält hieran trotz aller Realitätsferne in der Niedrigzinsphase und trotz abweichender, für Unternehmen deutlich ungünstigerer Abzinsung in der Handelsbilanz eisern fest. Es wäre daher nur fair, mit derselben Begründung den höheren und vor allem dauerhaft fixen Satz auch auf zeitlich verschobene Abschlussprovisionen für Altersvorsorgevermittlungen anzuwenden.
Vermittlerketten werden erfasst
Gegenüber dem inoffiziellen Entwurf wieder herausgenommen wurden die erweiterten Bußgeldvorschriften, mit denen Verstöße gegen das Provisionsdeckelgesetz zu Bußgeldern führen sollten. Vermutlich sind die im Rahmen der Missstandsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erlaubten Mittel durchaus empfindlicher als ein Bußgeld.
Neu ist weiter, dass nun auch die Gewerbeordnung geändert werden soll. Der § 34d Absatz 1GewO soll so ergänzt werden, dass auch Vermittler direkt an den Provisionsdeckel nach Versicherungsaufsichtsgesetz gebunden werden. Damit sollen zum einen laut Begründung "Vermittlerketten" erfasst werden, also Vermittler nicht Untervermittlern gegenüber abweichende Provisionsvereinbarungen treffen dürfen. Zum anderen sollen dadurch auch Auslandsvermittler an den Provisionsdeckel gebunden werden, wenn sie im Inland Lebensversicherungen vermitteln.
Autor(en): Matthias Beenken