Laut dem aktuellen Tätigkeitsbericht musste die Schlichtungsinstanz in erstaunlichen Fällen helfen: Versicherer ohne Kenntnisse im Vermittlerrecht, untätige Aufsichtsbehörden, faule Rechtsanwälte – es gab Einiges zu tun. Aber es gab auch sehr Positives zu berichten.
Der Ombudsmann für Versicherungen verzeichnete 2021 insgesamt 18.344 Beschwerden, ein leichter Anstieg um 1,2 Prozent zum Vorjahr. Davon waren 17.300 Versichererbeschwerden, die sogar um 0,6 Prozent zurückgegangen sind.
Doppelagent Makler-Assekuradeur
Der Anstieg resultiert aus einer Steigerung der Vermittlerbeschwerden um weit mehr als das Doppelte von allerdings sehr geringer Basis, nämlich von 298 auf 677 Beschwerden. Grund war eine Umdeckungsaktion von überwiegend Gebäude- und auch einigen Hausratversicherungen, die allein 290 Verbraucherbeschwerden nach sich zogen. Diese beschwerten sich sowohl gegenüber dem Versicherer als auch dem umdeckenden Vermittler. Zudem handelte es sich teilweise um mehrere Verträge, sodass in Summe über 800 Beschwerdevorgänge zusammenkamen.
Das Besondere an der Aktion war, dass der Vermittler einerseits als Versicherungsmakler zugelassen und von den Kunden als solcher beauftragt war, sich andererseits aber auch als ein sogenannter Assekuradeur gerierte und von der betroffenen Versicherungsgesellschaft eine weitgehende Zeichnungsvollmacht besaß. Eine solche Doppelkonstellation ist weder mit dem Polarisationsprinzip der geltenden Versicherungsvertriebsrichtlinie noch dem daraus abgeleiteten deutschen Vermittlerrecht vereinbar. Das trennt eindeutig zwischen dem Makler, der dem Kunden verpflichtet ist, und dem Vertreter, der an den Versicherer gebunden ist.
Missachtung der BaFin-Meinung?
Besonders deutlich wurde das nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Schadenregulierung durch Versicherungsmakler. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) folgerte daraus: „Beabsichtigt ein Versicherungsunternehmen, ein bislang als Versicherungsmakler tätiges Unternehmen weiterhin mit der Schadenregulierung zu beauftragen, so müsste das Unternehmen seinen Status als Versicherungsmakler aufgeben und den Status eines Versicherungsvertreters annehmen, um einen Verstoß gegen das RDG zu vermeiden“. Offenkundig hatte der in die Beschwerdewelle verwickelte Versicherer diese Vorgaben nicht beachtet. So stellt sich die Frage sowohl an die BaFin als auch an die Industrie- und Handelskammer, die diesen Vermittler zugelassen hat, ob und wie sie gegen diese Konstellation vorgeht.
Denn der Versicherungsombudsmann selbst konnte wohl für die vielen verärgerten Kunden nichts tun, die nach der Umdeckung zweimal die Versicherungen bezahlen musste, weil der ursprüngliche Versicherer die Kündigungen des vermeintlichen Maklers nicht akzeptierte. „Nach Wochen ergebnisloser Gespräche“ habe er die „Fortführung der anhängigen Schlichtungsverfahren“ abgelehnt, schreibt der Ombudsmann. Weiter erläutert er, dass der Makler-Assekuradeur seiner Meinung nach ein unzulässiges In-sich-Geschäft betrieben habe, indem er einerseits als Makler die Kündigungen der Verträge ausgesprochen und sie gleichzeitig als Bevollmächtigter des Versicherers akzeptiert habe.
Kostenträchtige Rentenverträge und faule Anwälte
Fortgesetzte Probleme gab es laut Tätigkeitsbericht mit doppelten Abschlusskosten in der Riester-Rente bei nachträglichen Vertragsänderungen, zum Beispiel wegen Veränderungen bei der Zusammensetzung aus Zulagen und Eigenbeitrag. Zwei Versicherer hätten solche Belastungen der Kunden vorgenommen, obwohl laut BaFin alle Gesellschaften schriftlich ihr gegenüber angegeben hätten, dies nicht mehr zu tun. Grundlage war eine eigenwillige Interpretation des entsprechenden Schreibens des Bundesfinanzministeriums. Der Versicherungsombudsmann hat im Ergebnis um eine erneute Klärung beim Ministerium gebeten.
Ein weiterer Schwung von mehr als 800 Beschwerden kamen nach Angaben des Versicherungsombudsmanns von zwei Rechtsanwaltskanzleien, und zwar „unmittelbar vor Jahresschluss“. Dabei ging es wohl überwiegend um Widerrufe von Lebensversicherungen, die bisher nicht erledigt und in den beiden Kanzleien „offenbar lange nicht weiterbearbeitet worden“ waren. Die Anwälte nutzten offensichtlich die Beschwerdemöglichkeit, um ihr eigenes Versäumnis zu heilen und die Verjährung der Fälle zu hemmen.
Konfliktarme Schadenregulierung bei „Bernd“
Es gab aber auch Positives zu berichten. Die Corona-Pandemie, die im Jahr 2020 noch zu einem Anstieg des Beschwerdeaufkommens vor allem in der Reiseversicherung geführt hatte, spielt im Beschwerdegeschehen 2021 keine besondere Rolle mehr.
Dafür gab es 2021 mit dem Sturmtief „Bernd“ und dessen katastrophalen Überschwemmungsfolgen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz einen Belastungstest für die Schadenregulierung der Versicherungswirtschaft. Auch der Versicherungsombudsmann wurde bereits aktiv, selbst wenn „noch keine abschließende Anspruchsablehnung des Versicherers vorlag“, was eine Beschwerde formal begründet hätte, und nahm im Interesse von Versicherten Kontakt zu Versicherern auf und bat um unbürokratische Hilfe.
Das scheint gefruchtet zu haben. Stand April 2022 seien bisher nur 91 Beschwerden eingegangen und „fast ausnahmslos auch im Jahr 2021 beendet“ worden. „Das ist angesichts des Ausmaßes der Schäden eine erstaunlich geringe Zahl“, lobt der Ombudsmann die Versicherungsunternehmen. Ihnen sei es gelungen“ die Schadenregulierung sehr weitgehend ohne Konflikte zu bewerkstelligen“.
Anhebung der Beschwerdewertgrenze meist nicht notwendig
Es sei nicht einmal notwendig gewesen, die Beschwerdewertgrenze von 100.000 Euro anzuheben, wie es die Landesregierung Rheinland-Pfalz angeregt hatte in der Annahme, dass der Ombudsmann sonst in vielen der oft sehr hohen Schadenfälle gar nicht zuständig sein werde.
Interessant in dem Zusammenhang ist die Erklärung, warum sich der Beirat des Ombudsmanns nach Beratung letztlich gegen eine solche Anhebung entschieden hat. Denn es werde „selbst bei hohen Gebäudeschäden allenfalls Differenzen hinsichtlich der Schadenhöhe geben“, diese Differenz sei aber nur maßgeblich für die Bemessung des Beschwerdestreitwertes. Wenn also ein Totalschaden an einem Gebäude Wiederaufbaukosten weit jenseits von 100.000 Euro auslöst, letztlich aber lediglich um einen kleineren Teilbetrag gestritten werden muss, bleibt der Versicherungsombudsmann weiterhin als Streitschlichter zuständig.
Dagegen gebe es kaum Fälle, bei denen der gesamte Schaden als solcher strittig sei. Der Eintritt des Elementarschadens war ebenso eindeutig feststellbar wie die Tatsache, ob der Kunde eine dazu passende Elementarschadendeckung besaß oder nicht.
Autor(en): Matthias Beenken