Öko und digital - das geht zusammen

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Seit einigen Jahren geistert das Schlagwort vom Ökosystem durch die Managementkonferenzen, von dem sich Referenten und Referentinnen völlig neue Vertriebserfolge auch für Versicherungen versprechen. Sinnvoll ist das aber nur auf einer digitalen Plattform und mit einem tiefen Datenverständnis, so die Autoren eines neuen Sammelwerks.

Die Autoversicherung wird im Paket vom Autohändler oder sogar gleich vom Hersteller verkauft. Die Gebäude- und Hausratversicherung gibt es in Verbindung mit einem Smart Home-Sensorikpaket, mit dem das Leitungswasser-Leckage-Risiko reduziert wird. Smarte Bezahlsysteme, Online-Konten und Versicherungsberatung könnten kombiniert werden. Eine Vernetzung von Gesundheitsdienstleistern und Patienten bietet passgenauere medizinische Lösungen.

Digitale Kolonie Europa

Das sind alles keine Science-Fiction-Ideen, sondern teilweise schon Realität. Viel spannender ist es deshalb für Manager, die verborgenen Perlen zu suchen, die Idee, die noch kein anderer Versicherer hatte. Dies, zumal Europa immer mehr zur "digitalen Kolonie" sowohl der USA als auch Chinas zu werden droht, wie es die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" vor kurzem beschrieb. Alle immer wieder auch in diesem Buch genannten, existierenden Groß-Ökosysteme "Amazon, Alibaba, Apple, Baidu, Facebook, Google, Tencent", "verfügen über eine Marktmacht, die ganze Branchen bedroht oder gar vernichten kann", wie die Herausgeber im Vorwort schreiben.

34 Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Bereichen wie Beratung, Finanzdienstleistung und Wissenschaft bieten dazu Überblicke und Einblicke, die in drei Themenschwerpunkte untergliedert werden. Im ersten Teil geht es um Strategien und Geschäftsmodelle, im zweiten um Künstliche Intelligenz (KI) und Daten sowie im dritten um Plattformen und Technologien.

Ökosysteme erfordern eine digitale Infrastruktur, so eine Kernbotschaft des Werks. Diese wiederum erfordert ein tiefes Datenverständnis und vor allen Dingen eine einheitliche Dateninterpretation auch über verschiedenste Anbieter und Beteiligte hinweg. Dort fangen aber die praktischen Probleme des digitalen Ökosystems an, denn bislang sind Daten und deren Organisation Gegenstand autonomer Entscheidungen von Unternehmen und Institutionen. Ein Teilen der Daten wurde in der Regel nicht von vornherein mitbedacht. Natürlich spielen der Datenschutz sowie eine gewisse Ängstlichkeit eine innovationsbremsende Rolle.

Plattformen bedrohen traditionelle Geschäftsmodelle

Die Chance sind neue Wertschöpfungsketten und damit Umsatzpotenziale, so beispielsweise Dieter und Lisa Knörrer. Regulatorische Änderungen wie ein drohender Provisionsdeckel machen die Welt für Versicherer und Makler unsicher, so Volkswohl Bund-Vorstand Gerrit Böhm. Er sieht in "Plattformgeschäftsmodellen" sowie einem "Trend zur Servitization" eine Bedrohung für das Geschäftsmodell Versicherer wie auch Makler. Deshalb sollten diese Bedrohungen in der Geschäftsstrategie berücksichtigt werden.

Mikro-Policen könnten nach Ansicht von HDI-Vorstand Wolfgang Hanssmann und seinem Innovationsmanager Stefan Zurth einen Einstieg als Versicherer in ein Ökosystem sein. Das Beispiel des chinesischen Versicherers PingAn zeige, dass KI hilft, den Bedarf für solche Versicherungen zu erkennen und sie situativ Kunden anzubieten oder an Leistungspakete anzubündeln. Vielleicht könnte künftig die KI sogar anhand von Bewegungsprofilen eines Nutzers auf einer Plattform erkennen, welcher Versicherungsbedarf entsteht. Die Versicherermarke verschwindet dabei, sie wird zum white label.

Mehrwert durch Teilen

In Zusammenhang mit betrieblicher Altersvorsorge kann sich Unternehmensberater Hans Eder KI als Mittel zur Bestimmung von Kundentypologien vorstellen. Versicherer würden "in naher Zukunft" eigene, kundenorientierte Ökosysteme aufbauen, in denen von der Produktentwicklung über die Betreuung und Abwicklung einerseits Mehrwerte für die Kunden entstehen, gleichzeitig aber der Versicherer maßgeblich die Dienstleistungen steuere. Durch "passgenaue Angebote" steige die Wirtschaftlichkeit. Gleichzeitig könnten nach dieser Vision etablierte Vertriebspartner aufatmen - sie werden weiter gebraucht und eingebunden ins Ökosystem.

Von der Payment Services Directive 2 (PSD2) können auch Versicherer profitieren, so Professor Sascha Kwasniok sowie die Alte Leipziger-Führungskräfte Julius Kretz und Frank Kettnaker in einem Beitrag. "Von Open Banking zu Open Finance" bietet die Möglichkeit, dass auch Versicherer mit Zustimmung der Kunden Zugriff auf deren Bankdaten bekommen und daraus Versicherungsempfehlungen ableiten können. Versicherer würden profitieren, wenn sie ebenfalls ihre Daten zugänglich machen, statt sie in "Pipeline-Ansätzen" aus Angst vor Konkurrenz einzuschließen versuchen.

Große Hoffnung setzen die Autoren auf die Free Insurance Data Initiative (FRIDA), die die bisherigen Normen der Brancheninitiative Prozessoptimierung (Bipro) und des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (E-Normen) erweitern. Dadurch entstünden Branchenschnittstellenstandards, die eine Anschlussfähigkeit zu Plattformen gewährleisten.

Lesetipp

Dieter Knörrer, Marcus Mosen, Jürgen Moormann, Dietmar Schmidt: Digitale Ökosysteme, Strategien, KI, Plattformen, ISBN 978-3-95647-192-6, 79,90 Euro, 506 Seiten, 2021 Frankfurt School Verlag, Frankfurt/Main

Buchrezension Knörrer et.al.

Autor(en): Matthias Beenken

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