Occupy:Wallstreet - Protestwelle hat Deutschland erreicht

Für den 15. Oktober hatte die occupy-Bewegung zur globalen Solidarität mit den US Demonstrationen gegen Banken aufgerufen. Rund 40.000 Menschen waren nach Schätzungen des globalen Netzwerks Attac dem parteiübergreifenden Aufruf zum Protest gegen Banken bundesweit gefolgt. Als Mahnwache angemeldet begann am gleichen Abend der Aufbau eines Zeltcamps vor der Europäischen Zentralbank (EZB).

Am 15. Oktober 2011 sind weltweit mehrere hunderttausend Menschen "egen die Macht der Finanzmärkte und Banken" wie es in einer Stellungnahme der deutschen Bewegung "Occupy:Frankfurt" heißt, auf die Straße gegangen. Erwartet hatten die Organisatoren 1.000 bis 1.500 Demonstranten. Gekommen waren jedoch nach Angaben von Colin Below, einem Sprecher von Occupy:Frankfurt 6.000 bis 8.000. Nach Angaben des globalisierungskritischen Netzwerks Attac beteiligten sich in Deutschland insgesamt 40.000 Menschen an den Kundgebungen.

"Unser Ziel ist es zunächst, mit den Protesten ein Zeichen zu setzen" so Below. Wichtig sei den Organisatoren, dass die Aktion überparteilich sei. Zwar hätten einige Mitglieder der Linkspartei entgegen der Absprachen Fahnen geschwenkt, im Großen und Ganzen hielten sich die Demonstranden jedoch an die selbstgewählte Vorgabe. Ziel ist, mit dem Protest einen möglichst großen Teil der Bevölkerung anzusprechen, dem Occupy-Motto folgend: „We are the 99 Prozent."

Ziele der Bewegung noch im Fluss
Noch nicht klar abgesteckt sind die politischen Ziele der Proteste. "Dafür ist es noch zu früh", so Colin , man sei noch in der Phase, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Fürsprecher zu versammeln. So gibt es derzeit sehr unterschiedliche Strömungen bei den Aktivisten. Einige möchten das gesamte Zinseszinssystem abschaffen, so wie der Volkswirtschaftler Professor Bernd Senf, der gegenüber "Alpenparlament.tv" äußerte, dass der "Zins als Krebs des sozialen Organismus" zu sehen sei.

Weiteres Problem laut Senf: die nicht vorhandene Unabhängigkeit der Zentralbanken. Der Anhänger eines zinslosen Geldsystems plädiert als Lösung für eine vierte Gewalt neben den drei bestehenden - eine "Monetative"- sowie eine Liquiditäts- bezeihungsweise Umlaufsicherungsgebühr nach Silvio Gesell, bei der, so die Theorie, Geldbesitzer ihr Kapital dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung stellen, um der Gebühr zu entgehen. Anderen Teilnehmern geht es mehr um Protest gegen die aktuell von der Politik gewählten Lösungen gegen die Finanzkrise: "Mit diesem Geld hätte man gesellschaftlich Sinnvolleres bewegen können", so ein Demonstrationsteilnehmer. Er möchte seinen Namen nicht veröffentlicht sehen. Gegen die Familie von Occupy-Sprecher Wolfram Siener waren telefonisch Morddrohungen gerichtet worden. Siener zog sich daraufhin von der Protestaktion zurück.


Stimmen aus Politik und Wirtschaft
Unterstützung erhielten die Aktivisten bereits am Wochenende per Pressemeldung durch die Linken und die Grünen. Bundesfinanzminister Schäuble ließ bereits vermelden, er nehme die Demonstrationen "sehr ernst" und der Sprecher der Bundeskanzerlin, Steffen Seibert gab am Montag das Verständnis der Kanzlerin für das "berechtigte Gerechtigkeitsverlangen" der Demonstranten zu Protokoll: "Die Kanzlerin kann auch persönlich verstehen, dass die Menschen auf die Straße gehen." Die Regierung beobachte die Proteste genau. "Es ist noch nicht gelungen, der internationalen Finanzwelt die Regeln zu geben und die Zügel anzulegen, die wir in Deutschland wünschenswert finden", so Seibert.

Kritisch zu den Protesten äußerte sich hingegen der ehemalige Beauftragte für die Unterlagen der DDR-Staatssicherheit und Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, auf einer Veranstaltung der Wochenzeitung "Die Zeit". Der Traum von einer Welt, in der man sich der Bindung an die Finanzmärkte entledigen könne, sei eine romantische Vorstellung. Die aktuellen Proteste hält er daher für "unsäglich albern".

"Wir nehmen die Kritik sehr ernst und setzen uns damit intensiv auseinander, denn ohne gesellschaftlichen Rückhalt kann keine Bank auf Dauer erfolgreich sein", so Lars Hofer, Pressesprecher der deutschen Kreditwirtschaft. Die Krise habe gezeigt, dass nicht jedes Finanzprodukt volkswirtschaftlichen Nutzen gestiftet habe. Er gibt jedoch auch zu Bedenken: "Deutschland ist eine erfolgreiche Exportnation, doch dass vor allem auch, weil Banken diesen Erfolg finanzieren und global tätige Unternehmen brauchen global operierende Banken, die sie begleiten."

Die jetzige Krise sei aber eine Krise des Vertrauens in die Politik, gelöst werden könne sie auch nur von der Politik. "Zuerst müssen dringend und glaubhaft die Staatsschulden verringert werden, denn sonst werden die internationalen Investoren weiterhin einen großen Bogen um Europa und europäische Staatsanleihen machen", so Hofer.

Bildquelle: © Occupy:Frankfurt

Anita Mosch ist freie Autorin in Frankfurt am Main.

Autor(en): Anita Mosch

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