Im Sommer dieses Jahres konnte die deutsche Wirtschaft einen erfreulichen Aufschwung von sechs Prozent verzeichnen - trotz Corona-Krise. Viel schauten wieder optimistisch auf 2021. Doch nun sieht die Lage schon wieder etwas kritischer aus. Die deutsche Wirtschaft muss wahrscheinlich nochmal einen Abschwung verkraften, starke wirtschaftliche Schäden abfedern. Das prognostizieren Marcel Fratscher und Clemens Fuest - auch schon Ende Oktober auf der DKM.
Clemens Fuest ist Präsident des Ifo-Instituts und Marcel Fratscher leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Fuest plädiert dafür, auf jeden Fall alle Bereiche mit hoher Wertschöpfung zu schützen, zu gewährleisten, dass die Industrieproduktion auf jeden Fall weiterläuft, sieht es aber als gefährlich an, alle Regionen und Bereich gleich zu behandeln und empfiehlt „sehr differenziert vorzugehen“.
Zum damaligen Zeitpunkt sah er einen Shutdown light als mögliche Option, „das Weihnachtsgeschäft noch zu retten“.
„Der Staat kann nicht Alles retten“
Fratscher vertritt dagegen die Position, dass die Wirtschaft grundsätzlich keinerlei Logdown verkraftet, erachtet einen derartigen sogar als sehr gefährlich. „Wir haben im Frühjahr zu spät reagiert, diesen Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen,“ mahnt er. Zudem weist er darauf hin, dass Ende 2020 die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet, danach werde es viele Insolvenzen geben. Sicher sei es wichtig, vor allem die besonders stark Betroffenen zu unterstützen, die Menschen dürften aber nicht zu hohe Erwartungen an den Staat und seine Leistungen haben. „Der Staat kann aber nicht Alles retten“, so seine nüchterne Analyse.
Wirkung der Mehrwertsteuersenkung sehr beschränkt
Fuest moniert, dass in der aktuellen Krise auch viele Unternehmen unterstützt würden, die diesen Support überhaupt nicht benötigten. Dies zeige sich auch daran, dass das verfügbare Einkommen nicht gesunken sei. Als falsches und sogar teures Signal erachtet er auch die Mehrwertsteuersenkung. „Die Wirkung der Mehrwertsteuersenkung ist sehr beschränkt und sollte auch nicht wie angedacht verlängert werden“, fordert der Ifo-Mann. Das Problem liege hier nicht bei der Konsumbereitschaft der Menschen, sondern in erster Linie an den begrenzten Möglichkeiten. Auch die Wirtschaftsweisen sehen die Mehrwertsteuersenkung als schwaches bis kontraproduktives Instrument.
Vielmehr sollte man den Unternehmen erlauben, den so genannten Verlustrücktrag auszudehnen. Das heißt, den Unternehmen zu ermöglichen, ihre Gewinne aus 2019 mit den Verlusten aus 2020 zu verrechnen. Außerdem müssten die finanziellen Hilfen für Unternehmen wie Hotels und Gastronomie aufgestockt werden. Für den Verlustrücktrag machen sich auch die Wirtschaftsweisen in ihrer jüngsten Prognoseveröffentlichung stark.
Staat kann nur abmildern, Insolvenzen aber nicht wirklich verhindern
Fratscher setzt hier dagegen und argumentiert: „Der Staat kann sich keine weiteren Staatshilfen liefern, denn er ist nicht der bessere Unternehmer.“ Der Staat könne die prekäre Situation der Unternehmen nur abmildern, er könne aber Insolvenzen nicht verhindern. „Der Staat kann nicht die Angst nehmen, sondern nur unterstützen.“
In einem waren sich die Wirtschaftsexperten aber einig: In Deutschland muss es einen nennenswerten Strukturwandel geben. Dieser könne vor allem durch eine konsequente Digitalisierung und durch wahrhaft nachhaltiges Agieren angestoßen werden. Aber auch der Sektor Mobilität, hier beispielweise das automatisierte und autonome Fahren, müsse ausgebaut werden. So könne die deutsche Wirtschaft stabilisiert und „Schlimmeres verhindert werden“.
Haben wir die Energie, die Chance zu ergreifen?
„Diese strukturellen Veränderungen sind zwar erst einmal eine Last, aber auch eine Chance. Und diese Chance müssen wir ergreifen. Ich weiß aber nicht, ob wir diese Energie wirklich haben,“ so das skeptische Fazit von Fuest.
Autor(en): Meris Neininger