Neue Musterbedingungen für die Cyber-Versicherung hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) veröffentlicht. Die Bedingungen sollen helfen, neue Entwicklungen bei der Digitalisierung abzusichern. Experten sind aber nicht mit allen Regelungen voll einverstanden. Ein individuelles Wording der Assekuranzen oder führender Cyber-Makler dürfte daher weiterhin das Maß aller Dinge sein.
Laut GDV hat sich seit der Erstveröffentlichung im Jahr 2017 der Cyberversicherungsmarkt sehr dynamisch entwickelt. Zudem hätten sich manche Rahmenbedingungen verändert. So würden mehr Beschäftigte mobil arbeiten, Anwendungen würden zunehmend über Cloud Computing angeboten und die Datenschutzgrundverordnung habe neue Schadenersatzansprüche bei Datenlecks geschaffen. „Die neuen Musterbedingungen tragen diesen Entwicklungen Rechnung”, lässt sich GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in einer Pressemitteilung zitieren. „Eine Cyberpolice nach GDV-Musterbedingungen bietet kleinen und mittleren Unternehmen umfassenden Versicherungsschutz gegen Cyberangriffe“, behauptet Asmussen weiter.
Ausschluss des Ausfall eines Dienstleister ist unzeitgemäß
Das sehen Experten etwas kritischer. So verweist Achim Fischer-Erdsiek, Geschäftsführender Gesellschafter der NW Assekuranzmakler Prorisk aus Hannover darauf, dass kleinere und mittlere Unternehmen heute immer stärker auf externe IT-Dienstleister und Cloudlösungen angewiesen sind. Laut den GDV-Musterbedingungen ist aber der Ausfall des Dienstleisters nicht versichert. Schutz gibt es nur, wenn beim Dienstleister gespeicherte Daten manipuliert, mit Schadsoftware infiziert oder für unberechtigte Personen zugänglich wurden. Nach Einschätzung von Fischer-Erdsiek passt die Definition „Ausfall des externen Dienstleisters“ heute nicht mehr. „Damit wird die Sinnhaftigkeit einer Cyber-Versicherung insgesamt in Frage gestellt“, so der Versicherungsmakler. Problematisch bewertet der Experte zudem, dass die GDV-Bedingungen für die Entschädigung bei Betriebsunterbrechung nicht der Besonderheit beim Ausfall von IT-System entsprechen. So werde lediglich die Zeit des Ausfalls wie in der Sachversicherung entschädigt, nicht aber der Zeitraum bis zum Erreichen des geplanten, möglichen Umsatzes.
Kriegsausschluss geht zu weit
Einig sind sich Fischer-Erdsiek und Ole Sieverding, der Geschäftsführer der Berliner Cyber Direkt GmbH ist, in ihrer Kritik, dass die Kriegsausschlussklausel des GDV zu weit geht. „Die Klausel ist auch unklar“, so Sieverding. Ähnlich argumentiert Fischer-Erdsiek, der darauf verweist, dass die Kriegsklausel eigentlich den Kumulschaden begrenzen soll, beim GDV aber mit dem Hinweis auf bekannte Tätergruppen aus der Vergangenheit, nur auf den einzelnen Fall bezogen ist. „Diese Klausel ist nur teilweise marktgerecht“, so Fischer-Erdsiek.
Positiv wird von Sieverding aber die Abbedingung der grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls in den GDV-Musterbedingungen hervorgehoben. Vorteilhaft sei auch die Aufnahme von immateriellen Schäden sowie die Ausweitung des Versicherungsschutzes in Bezug auf das Cloud-Risiko, die Heimarbeit und die Nutzung von Fahrzeugen. „Wir gehen davon aus, dass viele Produktgeber anhand der aktualisierten Bedingungen nun auch die eigenen Formulierungen überprüfen und zeitnah anpassen werden“, erläutert der Versicherungsmakler. Die Änderungen würden im Marktvergleich und Rating von CyberDirekt für Makler transparent aufgezeigt, um ihnen eine aktuelle Übersicht zu ermöglichen.
Aktueller Markt ist weich
Der Versicherer Hiscox begrüßt die Veröffentlichung des GDV, weil so in der Zukunft die hohe Heterogenität in den Bedingungswerken reduziert werde. Auch Hiscox werde die GDV-Bedingungen ins eigene Wording einfließen lassen. „Unsere Produkt- und Bedingungsgestaltung orientiert sich aber vor allem am Bedarf der Unternehmen und unserer langjährigen Schadenerfahrung, die wir als Cyber-Pionier seit 2012 aufbauen konnten“, betont Gisa Kimmerle, Head of Cyber bei Hiscox.
Bei der Einschätzung des Marktes sind sich alle Expertinnen und Experten einig: Er ist aktuell „weich“, weil neue Anbieter genügend Kapazität bieten. Kimmerle: „Im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen sehen wir neben einer ungebrochen hohen Nachfrage auch einen starken Wettbewerb. Dieser wird sowohl im Bereich der Bedingungen als auch über Prämien bespielt.“
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek