Die dritte Legislaturperiode geht zu Ende, in der die Bundesregierung versucht hat, die Honorarberatung zu stärken. Neben das Angebot provisionsfreier Tarife ist auch eine Durchleitungsmöglichkeit der Provisionen bei Bruttotarifen getreten.
In der Finanzkrise 2007/2008 lebte eine Diskussion wieder auf, die vorher eher akademisch geführt wurde: Kann es richtig sein, dass insbesondere Makler sich vom Versicherer bezahlen lassen, obwohl sie dem Kunden gegenüber verpflichtet sind, in dessen bestem Interesse passende Versicherungen einzukaufen? Und führen nicht ganz generell Vergütungs- und Anreizsysteme zu Interessenkonflikten mit schädlichen Folgen für die Kunden?
Interessenkonflikte mit Honorarberater-Berufsständen begegnen
Ende 2008 legte das damalige Verbraucherschutzministerium eine Studie über die Qualität der Finanzberatung vor, die zum Ergebnis kam, dass ein breiteres Angebot an Honorarberatung den Kunden helfen würde, solchen Interessenkonflikten zu entgehen. Allerdings griff man nicht etwa den Vorschlag auf, die finanzielle Allgemeinbildung in der Bevölkerung zu verbessern, damit Kunden selbstbestimmt sinnvolle Finanz- und Versicherungsentscheidungen treffen können. Offenbar befürchtete man damals schon, mit einem solchen Ziel an der Realität des Föderalismus zu scheitern.
Stattdessen sollte ein Bezeichnungsschutz für die Honorarberatung her. Den gab es schon für die Versicherungsberater, auch wenn nur rund 300 Personen diese Gewerbeerlaubnis besaßen im Vergleich zu rund 200.000 Vermittlern.
Deshalb entschied sich die damalige Bundesregierung, zunächst im Jahr 2014 einen Honorar-Finanzanlagenberater zu schaffen und zwei Jahre später einen Honorar-Immobiliardarlehensberater. Beide Gewerbeerlaubnisse sind bis heute ebenfalls eher Nischenangebote geblieben. Rund 200 Honorar-Finanzanlagenberater stehen über 38.000 Finanzanlagenvermittlern sowie knapp 700 Honorar-Immobiliardarlehensberater insgesamt fast 55.000 Immobiliardarlehensvermittlern gegenüber.
Wettbewerbshindernisse für Honorarberatung beseitigt
Für die Versicherungsberater wurden weitere Maßnahmen geplant und im Jahr 2018 umgesetzt: Damit sie sich weiter ausbreiten können, wurden vermeintliche Wettbewerbshindernisse beseitigt. Die wurden in einer Doppelbelastung des Kunden mit dem Honorar einerseits und einer in die Versicherungsprämie einkalkulierten Provision andererseits gesehen.
Dazu wurde dem Versicherungsberater erstens ausdrücklich erlaubt zu vermitteln und zweitens aufgegeben, entweder Nettotarife auszuwählen oder Bruttotarife, bei denen er dann den Versicherer verpflichten kann, eine Durchleitung von wesentlichen Teilen der enthaltenen Vermittlungskosten an den Kunden durchzuführen.
Außerdem wurde der Umstieg vom Provisionsvermittler zum reinen Honorarberater dadurch erleichtert, dass der Versicherungsberater alte Provisionsansprüche aus der Zeit vor dem Umstieg weiterhin vereinnahmen darf und nicht etwa ablehnen muss.
Versicherungsberater bleiben selten
Genützt hat es alles nichts. Am Jahresanfang 2021 standen immer noch ganze 326 Versicherungsberater den 197.111 Versicherungsvermittlern gegenüber. Allerdings gibt es auch seit langem Versicherungsmakler, die meistens wahlweise mal gegen Provision und mal gegen Honorar vermitteln. Eigentlich wollte die vorherige Bundesregierung das verhindern und den Vermittlern ein Honorarannahmeverbot ins Gesetz schreiben, das konnte allerdings verhindert werden. Die ohnehin zarte Pflanze Honorarberatung wäre wohl ganz zertreten worden.
In den Jahren 2011 und 2016 veröffentlichte das Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität zu Köln Ergebnisse aus Versichererbefragungen, welche Marktbedeutung Nettotarife als das wesentliche Angebot zur Verbreitung der Beratung und Vermittlung gegen Honorar haben. Diese Untersuchung haben die Universität Köln und die Fachhochschule Dortmund wiederholt (https://ivk.uni-koeln.de/de/publikationen/mitteilungen).
Fast die Hälfte des Marktes unterstützt eine der Honorarlösungen
Zwar beteiligten sich aus verschiedenen Gründen weniger Versicherer an der Umfrage als 2011 und 2016. Zusammen repräsentieren sie rund 62 Prozent Marktanteil. Aber wie vor fünf Jahren gaben 17 Versicherer und Versicherungskonzerne an, grundsätzlich in einer oder in mehreren Sparten Nettotarife anzubieten.
Neu ist, dass acht Versicherer auch die Durchleitung der Provisionen im Fall der Vermittlung von Bruttotarifen durch Versicherungsberater unterstützen. Da zwei Antwortende beide Verfahren parallel anbieten, bedeutet das netto 23 Versicherer, die mindestens eines der beiden Angebote an den Honorarberatermarkt machen. Bemerkenswert ist, dass diese Versicherer immerhin für knapp 46 Prozent Marktanteil stehen. Außerdem gaben sechs weitere Versicherer an, allein in der Lebensversicherung entweder kurz- oder mittelfristig Angebote zu entwickeln.
Nur wenige Promille Neugeschäftsanteil
Der Marktanteil der Nettotarife bleibt allerdings äußerst gering. Im Neugeschäft der Lebensversicherer machen die gemeldeten Umsatzanteile hochgerechnet auf den ganzen Markt gerade einmal 6,3 Promille des Neugeschäfts in der Lebensversicherung, 1,8 Promille in der Krankenversicherung und 0,8 Promille in der Kompositversicherung aus. Das ist zwar eine deutliche Steigerung zu den früheren Untersuchungen, aber nach wie vor so gering, dass es eher unwirtschaftlich erscheint, in diesen Markt einzusteigen.
Damit ist die Angebotsseite gut aufgestellt, wesentliche Wettbewerbshindernisse für eine weitere Ausbreitung der Beratung und Vermittlung von Versicherungen gegen Honorar sind nicht bekannt. Es gibt auch erkennbar keine ideologischen Vorbehalte der Versicherungsunternehmen. Selbst die ungeliebte, weil sehr verwaltungsaufwändige Durchleitungslösung wird von einigen Versicherern angeboten. Nun müsste nur noch die Nachfrage der Kunden hinzukommen.
Autor(en): Matthias Beenken