Noch immer gibt es in der Versicherungsbranche Manager, die der Meinung sind, dass Nachhaltigkeit kein anhaltender Trend ist. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Beratungsunternehmen EY gemeinsam mit der Vers Leipzig durchgeführt hat.
In der Umfrage geben nur etwas mehr als 90 Prozent der Befragten an, das sie in der Nachhaltigkeit einen anhaltenden Trend sehen. Während 93 Prozent der Befragten glauben, dass der nachhaltige Umbau der Lebensversicherung notwendig ist, sind es beim Privat- und Industriegeschäft jeweils nur 76 Prozent. Beim Gewerbegeschäft liegt der Anteil sogar nur bei 71 Prozent und Schlusslicht ist mit 60 Prozent die private Krankenversicherung (PKV).
PKV wäre für Thema Nachhaltigkeit absolut geeignet
Das überrascht. Denn gerade die PKV wäre sowohl von der Produkt- als auch von der Kapitalanlageseite prädestiniert für Nachhaltigkeit. Immerhin handelt es sich bei der privaten Gesundheitsvorsorge im Kern um einen langfristigen Sparvorgang. Nur 40 Prozent der Manager stimmen der Aussage „voll“ und nur 37 Prozent „eher“ zu, dass die Steuerung der Finanzströme die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele maßgeblich beeinflusst. Mit der künftig notwendigen Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz ihrer Kunden durch die Erweiterung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive, IDD) soll aber die Nachhaltigkeit von Versicherungsprodukten deutlich stärker in den allgemeinen Focus rücken. Hier gelte das Motto „Angebot schafft Nachfrage“.
Kohleausstieg ist der Anfang
Befragt wurden 22 große Erstversicherer, drei Rückversicherer und die Vertriebsgesellschaften Ecclesia, Funk, Marsh, MRH Trowe und MLP. Die Kapitalanlage gilt derzeit als größter Stellhebel, um Finanzströme stärker in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Wie die Umfrage aber feststellt, setzen die Unternehmen vor allem auf die Einhaltung der „Principles for Responsible“ Investment (PRI), Positiv- und Ausschlusskriterien sowie einem langsamen Umbau des Portfolios. Aktive Maßnahmen hätten noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung.
Verbraucherschützer wie der Bund der Versicherten (BdV) sprechen etwa Lebensversicherungen den vollen Status der Nachhaltigkeit ab, wenn das Kapitalportfolio noch Werte enthält, die nicht den drei Nachhaltigkeitsdimensionen Environment, Social und Governance (ESG) entsprechen. Das hier noch ein langer Weg vor den Versicherern liegt, zeigt die Studie. So haben bisher nur 23 der 30 größten Versicherungsunternehmen ihre Geschäfte mit der Kohleindustrie weltweit eingeschränkt oder beendet. Die Politik könnte daher die Anlagevorschriften verschärfen, um eine schnellere Transformation zu erzielen.
Ein umfassender Umbau ist notwendig
Die Versicherer sind in Sachen Nachhaltigkeit an allen Fronten gefordert. Vor allem gelte es, die Kapitalanlage von derzeit rund 1,8 Billionen Euro ökonomisch und ökologisch verantwortungsbewusst anzulegen. „Zum anderen müssen die Versicherer die ESG-Faktoren in ihre Angebote integrieren – auch um die veränderten Kundenwünsche zu bedienen“, stellt Thomas Korte, Partner und Head of Insurance bei EY fest. Dabei müsste sich wohl auch das Underwriting künftig stark verändern.
Die zentrale Frage der Studie „Wie gelingt die grüne Transformation der Versicherungsbranche?“ kann aus den Antworten und Auswertungen, die 39 Seiten umfassen, noch nicht hinreichend beantwortet werden.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek