Nachhaltigkeit gerne – nur nicht bei mir

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Der fast inflationär benutzte Begriff Nachhaltigkeit soll seinen Ursprung in der Forstwirtschaft haben. Der Begriff bezeichnet ein Gebot, eine Verhaltensregel. So muss ein Forstwirt einen sehr langen Atem und ein Denken in Generationen aufweisen, damit er nicht mehr Bäume zur Holzgewinnung fällt als regelmäßig nachwachsen kann.

Auch als ökologische Maxima, so der Duden sagt der Begriff aus, dass nicht mehr verbraucht werden soll, als durch Regeneration wieder entstehen kann. Es bedarf wohl einer beachtlichen Charakterstärke, nicht seinem Trieb zur kurzfristigen Gewinnmaximierung zu folgen, sondern die langfristigen Folgen zu bedenken und dementsprechend maßzuhalten.

Versicherungskollektive müssen nachhaltig sein
Diese Maxime kann man auch auf Versicherungen anwenden. So könnte sie lauten, dass Versicherte nie mehr aus dem Topf des Kollektivs entnehmen, als dauerhaft gebraucht wird, um alle Ansprüche zu befriedigen. Das ist kein freiwilliges Prinzip, sondern gesetzlicher Auftrag, technisch als Solvenz bezeichnet zur dauerhaften Sicherstellung der Vertragserfüllung. Die Bafin hat dies zu überwachen.

Folgerichtig verstehen auch fast neun von zehn in einer aktuellen "Asscompact Trend-Studie" befragte Makler und Mehrfachvertreter unter Nachhaltigkeit "langfristige finanzielle Stabilität des Versicherers" und nahezu ebenso viele die "dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge" (89 und 87 Prozent).

Öko-Auto oder Bahn? Nein danke!
Doch wann sind Versicherungsverträge dauerhaft erfüllbar? Dazu tragen mehrere Akteure bei. Der Versicherer kalkuliert das Produkt, bringt es in den Markt und verwaltet es, was Kosten verursacht. Der Vermittler vertreibt und betreut es, was wiederum Kosten verursacht. Der Kunde nimmt das Produkt in Anspruch – erneut entstehen Kosten. Nur eine Balance zwischen all den kostentreibenden Teilnehmern am Versicherungsvertrag und der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der Kunden kann zur dauerhaften Erfüllung und damit zur Nachhaltigkeit führen.

Den eigenen Beitrag sehen die befragten Vermittler allerdings weniger unter dem Begriff Nachhaltigkeit. Nur 53 Prozent verstehen darunter ein nicht nur auf kurzfristige Erfolge ausgerichtetes Vergütungssystem, das zum Beispiel nicht nur aus einmaligen Abschlussprovisionen besteht. Und gar nur noch 41 Prozent würden so weit gehen, sich bei der Wahl ihrer Fortbewegung ökologische, nachhaltige Gedanken zu machen und umweltfreundliche Fahrzeuge oder öffentliche Verkehrsmittel zu wählen. Mit zwölf Prozent widerspricht sogar der relativ größte Anteil Befragter ausdrücklich der Ansicht, dass die Wahl des Autos etwas mit Nachhaltigkeit zu tun habe.

Nachhaltigkeit soll es also gerne geben, aber bitte nicht in meinem Portemonnaie und schon gar nicht auf meinem Parkplatz, so könnte man die Botschaft plakativ zusammenfassen. In leichtem Widerspruch dazu geben allerdings 62 Prozent an, persönlich auf eine nachhaltige Lebensweise zu achten.

Der Trend ist unverkennbar
Aber der Trend, sich mit nachhaltigen Produkten zu befassen, wird auch von den Vermittlern deutlich wahrgenommen. So sagen gut zwei Drittel, dass nachhaltige Angebote ein positives Image aufweisen und auf jeden Fall forciert werden sollten. Rund jeder Zweite nimmt zudem ein wachsendes Bewusstsein für solche Angebote wahr.

Immerhin 52 Prozent geben an, dass sie sich schon mit Nachhaltigkeit in ihrem Maklerbüro befasst hätten, gut drei Viertel dabei im ökologischen Bereich. Doch auch rund jeder zweite Betrieb engagiert sich sozial und versucht, durch Gesundheitsschutz, gesunde Ernährung und andere Maßnahmen nachhaltig zu führen. Ähnlich viele Vermittler haben die Nachhaltigkeit in Beratungsgesprächen thematisiert, entweder weil entsprechende Angebote vorgehalten werden oder weil Kunden danach fragten. Den Anteil entsprechend besonders empfänglicher Kunden schätzen die Vermittler auf rund elf bis 15 Prozent (Median aller Antworten, abgefragt in Klassen).

Es fehlt noch an Angeboten
Doch das Angebot entsprechender Produkte ist noch sehr klein, das sehen jedenfalls fast drei Viertel der Befragten so. Und wenn es Angebote gibt, dann eher nicht aus tiefer Überzeugung, sondern um sich ein grünes Image zu geben, unterstellen zwei Drittel den Anbietern. Nachhaltigkeit muss ihrer Meinung nach nicht mit höheren Kosten und geringeren Renditen einhergehen.

Auf die Frage, welche Produkte für ein Angebot an nachhaltig interessierte Kunden fehlen, geben die freien Kommentare ein buntes Bild. Erwähnt werden keineswegs nur Sparprodukte und nachhaltige Geldanlagen, sondern häufiger auch nachhaltige Sachversicherungen oder Biometrieprodukte.

Schlagworte dominieren
Vereinzelt wird Nachhaltigkeit als Abbau von Gesundheitsfragen und vermehrte Aufnahme von Risiken ohne Vorbedingungen verstanden. Aus Elementarversicherungen finanzierte Spenden für den Hochwasserschutz, zielgruppengerechtere Angebote, Nachhaltigkeits-Zertifikate oder auskömmlichere Vergütungen für den Vermittler finden sich unter den Forderungen an die Branche.

Bei der Frage, was für das Thema Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsbranche spricht, dominieren Schlagworte wie Trend, Image, Zukunft, Verantwortung und auch Nachfrage der Kunden. Auch Argumente dagegen werden eine Reihe vorgetragen. Darunter stechen Begriffe wie fehlende Transparenz, höhere Kosten, Komplexität oder geringes Vertrauen in die Anbieter hervor. Es bleibt offenbar noch viel zu tun, bevor nachhaltige Angebote, aber auch ein nachhaltiges Verhalten der Vermittler zur Normalität werden.

Die Studie "Asscompact Trends III/2017" kann kostenpflichtig bei der BBG Betriebsberatungs GmbH bestellt werden (stasch@bbg-gruppe.de).

Autor(en): Matthias Beenken

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