MSK-Aktuare sehen großen Kapitalbedarf

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Die Auswirkungen des Klimawandels wird die Beiträge besonders für die verbundene Wohngebäudeversicherung (VGV) und verbundene Hausratversicherung (VHV) in die Höhe treiben, sagt die Aktuarielle Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK). In einem Pressegespräch gaben Experten des Unternehmens auf Schätzungen beruhende Berechnungen aus, wie Versicherungssummen und Kapitalbedarf in Gebäude- und Kaskoversicherungen sich durch die Auswirkungen des Klimawandels, Inflation sowie Regulatorik verändern könnten.

Der R+V Vorstandsvorsitzende Norbert Rollinger hatte bereits in einem VRM-Interview Ende 2023 davon gesprochen, dass man mit Blick auf die Veränderungen durch den Klimawandel „sukzessive auf eine Unversicherbarkeit von Risiken“ zugehe. Dazu könnte es bei Ausbleiben einer „Klimafolgenanpassung“ sogar eine Verdoppelung der Versicherungsprämien geben.

Steigender Kapitalbedarf für Versicherungen

Ausgehend davon rechnete der MSK-Rückversicherungsexperte Tommy Berg vor, dass der aktuell berechnete Kapitalbedarf für VGV und VHV von 31,1 Milliarden Euro allein durch die Folgen von Klimawandel und Inflation um 53 Prozent auf 47,5 Milliarden Euro steigen könnte. Im Bereich Kaskoversicherung wäre der Anstieg mit 21 Prozent (von 4,8 auf 5,8 Milliarden Euro) weniger stark ausgeprägt, aber dennoch spürbar.

MSK Kapitalbedarf

Quelle: Meyerthole Siems Kohlruss

Dazu verwies Berg auf eine kürzlich veröffentlichte Meinung der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA), die eine Rekalibrierung des Naturkatastrophen-Risikomoduls und regelmäßige Prüfungen dieses in Aussicht stellte. Einige geplante Anpassungen von Länderfaktoren in Europa gibt es bereits. So will Frankreich das Hagelrisiko um 100 Prozent erhöhen. In Deutschland soll dieses um 50 Prozent in der Sachversicherung ansteigen.

Regulatorik und Pflichtversicherung als weitere Kostentreiber

Ebenso könnte neue Regulatorik den Kapitalbedarf für VGV und VHV laut Berg stark erhöhen. Auch wenn vor der anstehenden Bundestagswahl nur die Union aus CDU und CSU die Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung im Wahlprogramm haben, so äußerten sich auch SPD, Grüne und Linke bereits öffentlich positiv zum Thema. Nur die FDP hat sich klar gegen die Einführung einer Pflichtversicherung ausgesprochen. Bei Einführung einer solchen Pflichtversicherung könnte der geschätzte Kapitalbedarf für VGV und VHV um 48 Prozent auf 46 Milliarden Euro (ausgehend vom Status Quo) steigen, so Berg. Werden diese beiden Effekte zusammengerechnet, könnte also ein Mehrbedarf an Kapital von knapp 30 Milliarden Euro für die Versicherungsbranche nötig sein.

Rein rechnerisch, sagt Berg, könnte die Branche auch diesen Anstieg noch stemmen. Die nötigen Erträge könnten beispielsweise durch differenziertes Pricing und Anpassungen um Rückversicherungssektor eingespielt werden. Die großen Versicherer müssten wahrscheinlich auch neue Wege gehen, zum Beispiel engere Kooperationen untereinander eingehen.

Zusammenfassend analysierte Berg, dass die Ertragskraft der VGV zu stärken sei und dass die Branche im Mittel auch stark genug sei, selbst große Erhöhungen des Kapitalbedarfs zu stemmen. Und dies sei auch nötig, denn „durch den Dreiklang aus Klimawandel, regulatorischen Änderungen und Pflichtversicherung“ könnten „bis zu 80 Milliarden Euro weiteres Kapital“ benötigt werden.

KI-Modell als mögliche Lösung für genauere Versicherungssummen

In einem zweiten Teil des Pressegesprächs stellte der MSK-Berater Florian Bohl ein KI-gestütztes Modell zur adressgenauen Berechnung von Versicherungssummen für Gebäude vor. Mithilfe von maschinellem Lernen könnten risikodifferenzierende Merkmale, also die genauen Umstände jedes Gebäudes (Entfernung zur nächsten Feuerwehr/ Polizei, zur nächsten Autobahnauffahrt, die Höhenlage und so weiter, siehe Grafik) erschlossen werden.

MSK Gebäudedaten

Quelle: Meyerthole Siems Kohlruss

So soll die KI auch deutlich präzisere Versicherungssummen (VS) für Gebäude errechnen können, als es mit den noch üblichen, vom Versicherungsnehmer auszufüllenden Kalkulationsbögen möglich ist. Die einzige Angabe, die von Kundinnen und Kunden benötigt werde, sei die Adresse des Gebäudes. Man sei schon „angetan von der Genauigkeit des Systems“, so Bohl. In die vom Modell errechnete VS fließen zum Beispiel auch spätere Anbauten ein, die in offiziell gemeldeten Versicherungssummen noch nicht berücksichtigt werden. Dazu könnten durch Machine Learning berechnete VS in Tarifierung, Bestandscontrolling und Sanierung eingesetzt werden.

Erweiterung des Modells ist geplant

Laut Bohl würden durch das adressbasierte Pricing „kundenfreundliche Tarife mit schlanker Antragsstrecke“ entstehen. Das MSK-Modell mit Gebäudedaten soll künftig noch erweitert und geschärft werden, auch mit Blick auf immer häufiger verbaute Photovoltaikanlagen und dem Einbezug „soziodemografischer Merkmale“ des Standorts in der Preiskalkulation. Unter Letzteren befänden sich auch die Arbeitslosenquote, das BIP, der Anteil an Mehrfamilienhäusern und Kriminalitätsraten.

Auf Nachfrage eines Journalisten, ob es beim Modell am Ende darauf hinauslaufe, dass arme Regionen häufig mit größeren Risiken berechnet werden, bestätigte Bohl dies. Beim Einbruch- und Diebstahlrisiko wiederum könnten eher reichere Gebiete betroffen sein und dort würden diese dann stärker in die Berechnung der KI einfließen. Wie das KI-Modell letztlich von den Versicherern genutzt wird, muss sich mit der Zeit noch zeigen.

Autor(en): Frederik Schmidt

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