Mix aus Bürgerversicherung und Kopfpauschale

Als Flop bezeichnet die Mehrzahl der Bevölkerung die bisherigen Reformbemühungen zur besseren Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Die privaten Krankenversicherungen (PKV) verzeichnen in diesen Zeiten der Verunsicherung wohltuende Zuwächse. Wie nun endgültig mehr Geld in die gesetzlichen Krankenkassen kommen soll, überlegt Bert Rürup, der als einer der "Erfinder der Kopfpauschale" gilt und bisher im Auftrag der Bundesregierung auch an diversen anderen Reform-Konzepten zur Verbesserung der Lage im sozialen Sicherungsnetz für die Bevölkerung mitarbeitete.

Bisher stehen Konzepte einer "Bürgerversicherung" und das Modell der "Kopfpauschale" zur Diskussion, wobei das Regierungslager mehr die Bürgerversicherung favorisiert. Professor Rürup will nun bis 15. Juli 2004 in Zusammenarbeit mit Professor Eberhard Wille, Sprecher des Gesundheits-Sachverständigenrates, einen weiter modifizierten Reform-Vorschlag vorlegen. Der angedachte Ausweg aus der finanziell klammen Situation für die Krankenkassen: Der Bürger bezahlt künftig eine Kombination aus einem monatlichen Festbetrag und einem prozentual vom Einkommen abhängigen Beitrag. Rürup rechnet vor, dass mit einer Kopfprämie zwischen 170 und 200 Euro sowie einem ein- bis dreiprozentigen Beitrag der soziale Ausgleich im System geschaffen werden könne.

Reformiertes System finanzierbar?


Mit der pauschalen Gesundheitsprämie von maximal 200 Euro monatlich werde das reformierte System finanzierbar. Rürup macht die Rechnung auf, dass durch eine Umstellung auf Pauschalen nach unterschiedlichen Berechnungen zunächst zwar eine Finanzierungslücke in der GKV von bis zu 40 Milliarden Euro entstehe, die aber bald anderweitig geschlossen werden könne. Denn bei seinem Modell soll der bisherige Arbeitgeber-Beitrag nicht direkt in die GKV sondern an den Arbeitnehmer ausbezahlt werden. Der wiederum müsste das versteuern. Nach heutigen Steuersätzen wären daraus rund 18 Milliarden Euro zu erwarten, nach einer möglichen Steuerreform nach Plänen der Unionsparteien im Bundestag blieben immer noch 14 Milliarden Euro übrig. Diese Summen sollten nach Rürups Plänen als Bundeszuschuss in die GKV fließen und damit all diejenigen entlasten, für die die angedachte Pauschale immer noch zu hoch wäre.

Die verbleibende Lücke sollte über einen einkommensabhängigen prozentualen Beitrag der Krankenkassen-Mitglieder geschlossen werden. Überschlagsweise würde ein Prozent-Punkt in der Rürup-Rechnung etwa zehn Milliarden Euro entsprechen. So würden zwei bis drei Prozent-Punkte das finanzielle Loch leicht stopfen. Bei näherer Betrachtung entstünde ein modifizierter Mix aus den beiden Konzepten von "Bürgerversicherung" und "Kopfpauschale".

Was bedeutet Kopf-Pauschale?
Unter der Kopf-Pauschale wird ein fester Betrag verstanden, den alle Bürger monatlich zahlen müssten, unabhängig von ihrem Einkommen. Ob und wie Kinder und Erwerbslose in dieses Konzept einbezogen werden sollen, kann bisher nicht eindeutig ausgemacht werden.

Was heißt Bürgerversicherung?
Laut Plan sollen alle Bevölkerungskreise und alle Einkunftsarten in die solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems eingebunden werden - ohne Beitrags-Bemessungs-Grenze. Eine solche Versicherung sieht vor, dass jeder in die GKV einzahlt, der Geld verdient. Dazu sollen dann neben Arbeitern und Angestellten auch Selbstständige, Beamte und Freiberufler gehören. Auch Zins- und Mieteinkünfte sowie Aktiengewinne werden herangezogen.

PKV im Abseits

Bei beiden Konzepten und auch den neuen Vorschlägen geraten die privaten Krankenversicherungen (PKV) immer mehr ins Abseits. Sie könnten nach Einführung einer entsprechenden Reform nur noch als Zusatzversicherungen fungieren.

Die neuen Rürup-Pläne werden von politischer Seite – auch von der Opposition - als vorteilhafte Lösung angesehen, zumal die Abwicklung (Einzug der Krankenkassenbeiträge und vieles andere) bei den vorhandenen Einrichtungen verbleiben könne. Die alten Vorschläge zur Bürgerversicherung belasten nach Insider-Meinung den Faktor Arbeit, außerdem müsse der Fiskus Kassenbeiträge auf sonstige Einnahmen erheben. Ob bis zur Sommerpause am 15. Juli 2004 eine tatsächlich finanzierbare Lösung gefunden wird, bleibt abzuwarten. Die einzelnen Parteien sagen hinsichtlich kommender Landtagswahlen nur wenig Konkretes dazu.

Autor(en): Marianne Storck

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