Missbrauch nachträglicher BU-Vereinbarung verboten

Versicherer dürfen mit ihren Kunden keine nachträglichen Vereinbarungen treffen, ohne Verbraucher über mögliche gravierende Folgen aufzuklären. Tun sie es dennoch, und der Kunde hat dadurch handfeste Nachteile, so ist dies Rechtsmissbrauch, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 7. Februar 2007 (Az.: IV ZR 244/03). Folge: Der Kunde kann die volle Leistung verlangen. Im Streitfall erhält nun ein Mann rund 100.000 Euro Nachzahlung aus mehreren Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen (BUZ). Er war als Krabbenfischer tätig (samt Meisterbrief und Kapitänspatent), konnte den Beruf des Fischwirts wegen eines Bandscheibenvorfalls jedoch nicht mehr ausüben und war seit September 1995 zu 100 Prozent berufsunfähig.

Nach den AVB kann die Assekuranz die BUZ-Rente von knapp 16.000 Euro pro Jahr auch dann nicht verweigern, wenn der Kunde einen neuen Beruf erlernt. Der Versicherer legte dem Kunden jedoch nachträglich eine Vereinbarung vor, die dessen Position wesentlich verschlechterte: Danach sollte die Entscheidung über das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bis zum 31. Juli 1999 zurück gestellt werden, wenn der Versicherer für den Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis 31. Juli 1999 die Rente aus Kulanzgründen zahlt. Nach Ablauf dieser Zeit wollte der Versicherer anhand der dann vorliegenden gesundheitlichen Verhältnisse und auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlich neu erworbener beruflicher Fähigkeiten abschließend die Berufsunfähigkeit prüfen. Der Kunde hatte diese Vereinbarung Ende 1997 unterschrieben - ein schwerer Fehler.

Nachdem er inzwischen erfolgreich die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert hat und als Fischverkäufer im elterlichen Betrieb arbeitet, stoppte der Versicherer die Rentenzahlung ab 1. Januar 2000. Grund: Der Mann könne auf diesen Beruf verwiesen werden. Damit war der Mann, der dadurch erhebliche Einkommensnachteile gegenüber der Krabbenfischerei hatte, nicht einverstanden und zog vor Gericht. Seine Begründung: Die verspätete Vereinbarung sei unwirksam, zumindest aber rechtsmissbräuchlich ausgelegt. Er verlangte die volle Leistung nach den ursprünglichen AVB. Das Landgericht Kiel gab ihm Recht, das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht jedoch nicht. In letzter Instanz sprach der BGH dem Kunden seine BUZ-Rente in Höhe von knapp 16.000 Euro ab dem 1. Januar 2000 zu. Zudem sei der Kunde im Wesentlichen von der weiteren Beitragszahlung freizustellen.

Begründung der obersten Bundesrichter: Dem Versicherer sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Vereinbarung zu berufen. Er habe mit der nachträglichen Regelung den Versuch unternommen, "unter Ausnutzung seiner überlegenen Sach- und Rechtskenntnisse die vertragliche Position des Klägers in schwerwiegender Weise zu verschlechtern", heißt es in einer Mitteilung des BGH. Nach den AVB konnte der Krabbenfischer zwar auf einen nach Qualifikation und Lebensstellung gleichwertigen Beruf verwiesen werden. Eine Qualifikation für einen solchen anderen Beruf hatte er aber gar nicht. Der Versicherer hatte auch nicht das Recht, ihn später auf neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu verweisen. Er hätte deshalb sein Pflicht zur Rentenzahlung und Beitragsfreiheit unbefristet anerkennen müssen. Lediglich eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes hätte den Rentenstopp gerechtfertigt. Stattdessen habe der Versicherer sich gegen das Versprechen befristeter Kulanzleistungen eine nach dem Vertrag ausgeschlossene Verweisungsmöglichkeit verschaffen wollen, ohne dem Kunden die gravierende Verschlechterung zu offenbaren. Ein Versicherer, der sich auf eine solche Vereinbarung beruft, handelt rechtsmissbräuchlich, so der BGH. Der Verbraucher hat Anspruch auf volle Leistung, so lange er medizinisch weiter zu 100 Prozent als berufsunfähig gilt.

Autor(en): Detlef Pohl

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