Joachim Geiberger, Geschäftsführer des Analysehauses Morgen & Morgen, über die wachsende Bedeutung nachhaltiger Finanzprodukte und was der neue Sustainable Award in Finance bringt.
Herr Geiberger, warum beschäftigt sich Ihr Analysehaus mit der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten?
Wir sehen seit geraumer Zeit, dass einerseits zunehmend Anbieter von Finanzdienstleistungsprodukten das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus stellen und gleichzeitig Verbraucher und Vermittler gleichermaßen bei der Auswahl von Produkten die Nachhaltigkeit als Entscheidungskriterium mit einbeziehen. Allerdings gab es gerade auf Produktebene bislang kein Verfahren, das überprüft, ob und inwieweit ein Produkt denn tatsächlich nachhaltig ist. Bisher mussten sich daher Kunden und Vermittler auf die Marketingaussagen der Anbieter verlassen. Dies werden wir durch den Sustainable Award in Finance ändern und wollen für mehr Transparenz sorgen.
Worin unterscheiden sich die für den Sustainable Award in Finance angesetzten Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen von den Faktoren, die für Ihre Analysen ansonsten herangezogen werden?
Üblicherweise setzen wir als Morgen & Morgen den Standard. In diesem Fall jedoch gab es glücklicherweise von den Vereinten Nationen bereits definierte Ziele für Nachhaltigkeit weltweit. An diese Ziele und die Themen, die sie umreißen, lehnt sich unser Award eng an und geht im Detail sogar noch einen Schritt weiter. Konkret heißt das, dass wir zunächst prüfen, in welchem Ziel ein erkennbarer positiver Beitrag durch das Produkt geleistet wird (do good). Zugleich wird überprüft, ob nicht etwa in einem der anderen Ziele ein unangemessener Nachteil entsteht (do no harm). Und schließlich - und das ist die Besonderheit - prüfen wir, ob und inwieweit beim Anbieter Prozesse für die Prüfbarkeit und Messbarkeit des gewünschten Nachhaltigkeitseffekts bestehen oder eingerichtet wurden und ob und wie darüber dauerhaft und verbindlich berichtet wird. Gerade die Messbarkeit und das Reporting scheinen uns wichtige Faktoren für mehr Akzeptanz in der Verbraucher- und Vermittlerschaft zu sein.
Welche Rolle spielen Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Beratung von Investmentprodukten, Spar- und Finanzierungsprodukten sowie Versicherungen?
Kunden, die bewusst in nachhaltige Produkte investieren wollen, erwarten zurecht, dass sie auch erkennen können, was genau denn mit ihrem Investment zur Nachhaltigkeit beiträgt und wie die Entwicklung beziehungsweise die Verbesserung in diesem Segment ist. Daher legen wir diesen großen Wert auf Messbarkeit und Reporting beim Anbieter.
Warum brauchen Kunden mehr Orientierung insbesondere beim Kauf nachhaltiger Produkte?
Bei der im Markt verwendeten Begrifflichkeit gehen die Definitionen und Interpretationen der Nachhaltigkeit mächtig auseinander. Wichtig für den Kunden ist es, dass er die Möglichkeit hat, zu erkennen, zu welchem Nachhaltigkeitsziel sein individuelles Investment beiträgt. So ist es manchen Kunden beispielweise sehr wichtig, dazu beizutragen, Armut zu beseitigen. Anderen wiederum ist es besonders wichtig, einen Beitrag zur Umweltverbesserung, zum Beispiel zur Wasserqualität zu liefern. Jeder Kunde sollte in die Lage versetzt werden, leicht diejenigen Produkte zu finden, die seinen Ideen von Nachhaltigkeit am ehesten entsprechen.
Worauf müssen sich die Anbieter nachhaltiger Produkte angesichts des steigenden Angebots und der hohen Nachfrage künftig einstellen?
Die Anbieter werden sich darauf einstellen müssen, dass Kunden und Vermittler künftig sicherlich vermehrt die Details zu den Produkten, der Messbarkeit der Ziele und das Reporting kritisch hinterfragen. Der Sustainable Award in Finance kann einen enormen Beitrag zu mehr Transparenz und besserer Entscheidungsfindung leisten.
Autor(en): Christian Kemper