"Makler sollten über den Auszug aus der Provisionswelt nachdenken"

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Das Inkrafttreten der Vermittlerrichtlinie IDD in Deutschland hat die Diskussion pro oder contra Provisionen befeuert. Im ersten Teil einer Interview-Serie zum Thema sprach VM-Chefredakteur Bernhard Rudolf mit Dieter Rauch, Geschäftsführer der VDH GmbH Verbund Deutscher Honorarberater (im Bild). Er ist davon überzeugt, dass das Honorarmodell für Vermittler und Kunden das Beste ist.

Warum sollten Makler jetzt über eine Erweiterung ihres Geschäftsmodells in Richtung Honorarberatung nachdenken?
Dieter Rauch:
Ein bisschen schwanger geht nicht, ein bisschen Honorarberatung unseres Erachtens auch nicht. So sind Makler, die gegen Provision vermitteln, zwar unabhängig von Gesellschaften, nicht jedoch vom Produktverkauf. Bei der produkt- und provisionsunabhängigen Honorarberatung stattdessen wird die geleistete Dienstleistung durch den Kunden bezahlt. Folgerichtig wird der Kunde in die Lage versetzt, eigenständig eine bestmögliche Entscheidung betreffend Vermögensaufbau sowie Altersvorsorge vorzunehmen.

Wie bewerten Sie ein Mischmodell aus Provisions- und Honorarberatung?
Dieter Rauch:
Anknüpfend hieran werden Mischmodelle und Honorarvermittlung unter dem Deckmantel der unabhängigen Honorarberatung angeboten, bedeuten aber schlussendlich nichts anderes als Produktverkauf! Interessenskonflikte sind dabei vorprogrammiert. So erhält ein Vermittler eine separat ausgehandelte Vergütung für die Beschaffung und Vermittlung von provisionsfreien wie provisionsreduzierten Produkten. Das ist faktisch nichts anderes als ein Surrogat zur Provision, bei der für den Vermittler und dem Verbraucher alles beim Alten bleibt. Dies zulasten der echten Honorarberatung, die mit diesen Modellen nichts gemeinsam hat, aber leider in einen Topf geworfen wird.

Aus diesem Grund sollte ein Makler idealerweise nicht über eine Erweiterung, sondern vielmehr über einen Auszug aus der Provisionswelt respektive Eintritt in die unabhängige Honorarberaterwelt nachdenken.

Warum sollte er das tun?
Dieter Rauch: Die Gründe für die Honorarberatung sind schnell genannt: Zum einem ist es die völlige Unabhängigkeit von Provision oder Produkten. In Zeiten, in den Gesellschaften rapide den Rotstift bei Provisionen ansetzten, ein durchaus beachtenswerter Punkt. Darüber hinaus ergibt sich die Überlegenheit der Honorarberatung aus der betriebswirtschaftlichen Betrachtung. Während bei Provisionsmodellen kaum eine seriöse Kalkulationsgrundlage für Berater in puncto Aufwand und Ertrag pro Stunde möglich ist, kann der Berater im Honorarmodell exakt die betriebswirtschaftlich erforderlichen Erlöse kalkulieren. Und das ohne etwaige Abhängigkeiten von Produkten und deren Hersteller.

Von aktuell 44 befragten Unternehmen bieten 17 Lebensversicherungsunternehmen, ein Krankenversicherer und drei Kompositversicherer eigens kalkulierte Netto-Tarife an. Wie wollen Honorarberater das Problem lösen, wenn es viel zu wenig Nettotarife im Markt gibt?
Dieter Rauch:
Auch wenn wir die genannte Quote nicht bestätigen können, so bietet nahezu jeder bedeutende Maklerversicherer Netto-Tarife an, steht die Anzahl der Tarife in keinem Verhältnis zur Qualität der Honorarberatung, da Berater nicht produktabhängig sind. Infolgedessen wird er beispielhaft einen Bruttotarif empfehlen, wenn dieser Tarif zum Kundenbedarf passt. Im Gegensatz zu Maklern hat der Versicherungsberater hier den gesamten Markt zur Verfügung. Einhergehend hierzu ist der Berater beim Brutto-Tarif verpflichtet, hieraus entstehende Provisionen entsprechend an den Kunden auszukehren beziehungsweise muss der Versicherer unter Vorlage eines Beratungsnachweises gemäß VAG 48c 80 Prozent der Provisionen dem Prämienkonto gutschreiben. Möglich ebenso, dass ein Honorarberater empfiehlt, einen bestehenden Versicherungsschutz ersatzlos zu streichen, wenn dieser nicht notwendig ist oder alles so zu belassen wie es ist.

Auch wenn unserer Einschätzung nach eine Vielzahl an Maklerversicherern inzwischen Nettotarife auf den Markt gebracht haben, wäre es natürlich löblich, wenn noch mehr Gesellschaften maßgeschneiderte honorarbasierte Lösungen anbieten würden. Parallel hierzu freut es uns, wenn große Versicherer wie die Allianz zuletzt mitteilen, dass sie künftig in allen Sparten, inklusive PKV, eigene Honorartarife anbieten werden. Eine Entscheidung, die das Thema Nettotarife innerhalb der Versicherungswirtschaft weiter in die richtige Richtung bewegen dürfte. So haben bereits weitere PKV-Versicherer angekündigt gemäß § 48c VAG zu verfahren. Der Versicherungsberater ist hier gegenüber dem Makler in einer bevorzugten Stellung.

Welche Kunden sind geeignet für eine Ansprache in Richtung Honorarberatung? Nach den britischen Erfahrungen mit der 2013 in Kraft getretenen Reform "Retail Distribution Review" gibt es eine Beratungslücke in Großbritannien – vor allem für Menschen mit geringem Einkommen oder geringem Anlagevermögen, die sich die Beratungshonorare nicht leisten können oder es schwer finden Zugang zu erhalten. Ist Honorarberatung also für die Breite der Bevölkerung ein Nachteil?
Dieter Rauch: Vorab: viele Modellrechnungen belegen, dass die Honorar- gegenüber der Provisionsberatung sowohl im Versicherungs- als auch Investmentbereich in der Regel vorteilhafter für Kunden ist. Als ein Beispiel hierfür konnten wir zuletzt etwa aufzeigen, dass eine Investition von 50.000 Euro in fünf der erfolgreichsten Mischfonds in der Anlagekategorie Aktien/Anleihen Global im Fünf-Jahresrückblick den Anleger zwischen 4.308 und 7.881 Euro an Provisionen gekostet hat. Mit einer Honorarberatung wäre der Anleger, alleine von der Kostenseite betrachtet, deutlich besser gefahren. Ganz abgesehen davon, ob die Vergütung zum tatsächlichen Aufwand gerechtfertigt ist.

Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die Kosten von Versicherungsprodukten für die Altersvorsorge betrachtet. Beispiele hierzu kann ich Ihnen zahlreiche liefern. Allgemein gilt zudem, dass Vermittler vom Versicherer Provisionen erhalten, die bereits im Tarif einkalkuliert sind. Der Kunde zahlt diese Kosten und nicht der Versicherer aus seinem Gewinn. Die Aussage "der Kunde könne sich Honorarberatung nicht leisten" negiert die Tatsache, dass er sich diese in Form von Provisionen schon heute leistet. Zudem: Drei Stunden Beratung ohne Produktverkauf können eine teils bessere Investition darstellen, als ein Produktkauf, der eigentlich nicht benötigt somit nachteilig wird.

Grundsätzlich ist daher jeder Kunde, der in Bezug auf Versorgung sowie Vermögensaufbau Wert auf ausgezeichnete, produktunabhängige Beratungsqualität legt und zusätzlich keine Ausgabenaufschläge, Provisionen oder sonstige versteckte Kosten für Investment- und Versicherungsprodukte zahlen möchte, für eine Honorarberatung geeignet. Jährlich nimmt dabei die Quote der Verbraucher zu, die über den VDH gute Honorarberater suchen. Das zeigt sich auch an den über 12.000 Anfragen von Verbrauchern, die im vergangenen Jahr über den VDH an Honorarberater vermittelt werden konnten.

Welche Möglichkeiten haben Honorarberater bei der Festsetzung ihrer Honorare?
Dieter Rauch:
Jeder Honorarberater in Deutschland muss im Rahmen seiner unternehmerischen Kalkulation für sich selbst bestimmen, in welcher Art und Höhe er seine Honorare berechnet. Diesbezüglich ist es ohne weiteres möglich, dass Honorare ratierlich bezahlt werden. Nichts anderes macht ein Verbraucher in Form der einkalkulierten Provision schon heute. Dies allerdings häufig, ohne es zu wissen. Auch Einstiegshonorare sind durchaus denkbar und insbesondere für junge Familien beziehungsweise Mandanten, die am Start ihres Vermögensaufbaus stehen, eine attraktive Option. Die Gestaltung von Beratungshonoraren ist flexibel möglich und wird anders als bei der Provision nicht durch einen Dritten festgelegt beziehungsweise bezieht sich nicht ausschließlich auf den Absatz von Produkten.

Wie viele Honorarberater gibt es aktuell?
Dieter Rauch:
Die exakte Zahl derer, die gegen Honorarberatung ihre Dienstleistung anbieten, lässt sich gar nicht beziffern. Wie auch, wenn zahlreiche der §34f- und §34d-Vermittler derzeit noch Honorarberatung anbieten können, ohne den Status des einwandfrei lizenzierten Honorarberaters zu besitzen. Es dürften demnach mehr sein als man denkt. Selbst ein großer Vermittlerverband aus Berlin spricht an dieser Stelle bereits von 20 Prozent Anteil an Honorarberatung bei seinen Mitgliedern.

In der aktuellen Mai-Ausgabe von Versicherungsmagazin beschäftigt sich die Titelgeschichte "Die richtige Balance finden" mit dem Thema Honorarberatung.

 

Autor(en): Bernhard Rudolf

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