Nur rund jeder vierte Haushalt in Deutschland verfügt über eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung. Das dürfte sich auch so bald nicht durchgreifend ändern.
Wenn sich Verbraucherschützer und Branche in einem einig sind, dann ist es der Bedarf einer Privathaftpflichtversicherung für jeden Kunden und einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) für jeden Erwerbstätigen.
Alle wollen nur „die Guten“
Doch seit sich die gesetzliche Rentenversicherung im Jahr 2001 aus dem Berufsunfähigkeitsschutz als selbstverständlichem Bestandteil der Leistungen mit Ausnahme des Vertrauensschutzes für vor 2. Januar 1961 geborene Versicherte zurückgezogen hat, kommt die Ausstattung der Betroffenen mit privater BU-Vorsorge nicht so richtig voran. Von einer flächendeckenden Versorgung kann weiter nicht die Rede sein.
Das wird viele Gründe haben. Einer davon dürfte auch darin zu suchen sein, dass sich die BU-Versicherer seit vielen Jahren einen harten Wettbewerb um die „guten“ Risiken liefern, also die Berufsgruppen mit besonders geringem BU-Risiko. Hieran hat der Maklermarkt einen wichtigen Anteil, hat er doch eine ständige Ausweitung der Leistungen und der Bedingungsqualität gefördert. Nun gelten BU fast nur noch mit Top-Bedingungen als verkäuflich, die sich aber insbesondere Menschen mit körperlicher Berufstätigkeit und Menschen mit Vorerkrankungen nicht leisten können.
Ersatz für Altersvorsorge-Geschäft
Seit einigen Jahren ist der Trend zu beobachten, dass gerade der Maklermarkt verstärkt auf das Thema Einkommenssicherung oder Biometrie anspringt. Das ist wohl eine Ausweichbewegung, da seit der Finanzkrise das Thema Altersvorsorge noch schwerer zu platzieren ist. Laut der Asscompact-Studie „BU / Arbeitskraftsicherung“ geben seit bereits sieben Jahren die befragten Makler und Mehrfachvertretern mit deutlicher Mehrheit von teilweise über 50 Prozent an, ein stark oder wenigstens leicht wachsendes Geschäft in diesem Segment zu verzeichnen, wohingegen nur knapp jeder zehnte Befragte gegenteilig ein schrumpfendes Geschäft verzeichnet.
Ein Verdienst des Maklermarktes ist es, dass es inzwischen eine Reihe alternative Konzepte zur Einkommenssicherung gibt, die auch für Zielgruppen erschwinglich und bedarfsdeckend sind, die sich eine Top-BU nicht leisten können. Doch hier machen viele Makler noch einen Bogen um solche Deckungen, wie die aktuelle Asscompact-BU-Studie 2018 belegt.
Nur eine Minderheit bietet regelmäßig alternative Konzepte an
Von den gut 400 Befragten bieten zwar mit gut 96 Prozent praktisch alle die Selbstständige BU an. Aber nur 37 Prozent vermitteln nach eigener Aussage regelmäßig Grundfähigkeitsversicherungen. Noch seltener sind Dread Disease (30 Prozent), Erwerbsunfähigkeit (23 Prozent) oder Multirisk-Deckungen auf Basis der Unfall- oder Lebensversicherung anzutreffen (15 bzw. 13 Prozent).
Möglicherweise intensiviert sich dadurch nur der Wettbewerb um die Kernzielgruppen, so wollen immerhin 46 Prozent verstärkt an Schüler, Auszubildende und Studierende herantreten, um sie frühzeitig für die BU zu gewinnen. Andere Zielgruppen dürften dabei allerdings aus dem Fokus geraten, und zwar gerade diejenigen, die am ehesten eine Arbeitskraftabsicherung benötigen.
Lückenschluss zwischen Kranken- und BU-Versicherung
Eine große Mehrheit der Befragten (86 Prozent) ist für das häufiger anzutreffende Problem sensibilisiert, dass die Arbeitskraftabsicherung nicht lückenlos gelingen kann, wenn Kranken- oder Krankentagegeldversicherungen früher enden als die BU anerkannt wird und ihre Leistung erbringt.
Das ist noch ein wichtiges Thema für die Versicherer im Zuge der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD. Denn nach § 23 VAG müssen sie einen förmlichen Produktgenehmigungsprozess betreiben und darin nachweisen können, dass sie für einen bestimmten Zielmarkt die einschlägigen Risiken bestimmt haben. Bei allen künftigen Neuentwicklungen von Arbeitskraftabsicherungen sollte auch das einschlägige Risiko einer Versorgungslücke zwischen den – aus Spartentrennungsgründen weiterhin getrennten – kranken- und lebensversicherungsförmigen Einkommenssicherungs-Produkten erkannt und geschlossen werden. Alles andere dürfte sonst dem bestmöglichen Interesse des Kunden (§ 1a VVG) widersprechen.
Autor(en): Matthias Beenken