Medienberichten zufolge ist nun doch mit einer gesetzlichen Begrenzung der Provisionen und Courtagen in der Lebensversicherung zu rechnen. Hätte die Branche das verhindern können?
"Die Chance ist verpasst", so die Autoren eines Beitrags in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die wie andere Medien auch über eine Absicht der Bundesregierung berichtet, die gesetzlichen Regeln für die Lebensversicherer anzupassen. Gemeint ist die Chance auf "ordnungspolitische Lösungen".
Lebensversicherung attraktiv halten
Tatsächlich war es ein Ziel des 2015 in Kraft getretenen Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG), die Abschlusskosten der Lebensversicherer zu senken. Damit sollte durchaus im Sinn der Branche und der Versicherungsvermittler das Produkt auch in einem Niedrigzinsumfeld attraktiv bleiben. Außerdem brauchte der Gesetzgeber eine verbraucherschützende Komponente, um die Einschnitte bei der Verteilung der Bewertungsreserven politisch durchsetzen zu können.
Seither hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zwei detaillierte Abfragen bei den Lebensversicherern durchgeführt, um festzustellen, ob der Kostendruck auch in den Unternehmen angenommen und unter anderem in niedrigere Provisions- und Courtagevereinbarungen umgesetzt worden ist. Dabei ging es keineswegs nur um eine Umverteilung der traditionell gezahlten Einmalprovision bei Vertragsbeginn in die Laufzeit, sondern tatsächlich auch um Einsparungen.
Branche hat Rendite und Steuerfreiheit betont
Denn nur so lässt sich beispielsweise bei einem Garantieprodukt in angemessener Zeit wenigstens ein Beitragserhalt darstellen. Alles andere ist zum einen bei bestimmten Förderprodukten gar nicht zulässig und zum anderen auch bei allen Lebensversicherungen dem Kunden kaum zu vermitteln. Wenn der die Alternative zwischen einer Ansammlung seiner Beiträge auf einem unverzinsten Sparbuch und einer Lebensversicherung mit Minusverzinsung hat, fällt die Wahl schwerlich auf die Lebensversicherung.
Dass die Lebensversicherung allerdings auch einen Todesfallschutz oder im Fall der Rentenversicherung eine lebenslange Rente gewährt, fällt bei derlei Vergleichen gerne unter den Tisch. Daran ist die Branche selbst nicht ganz unschuldig, hat sie doch die Lebensversicherung jahrzehntelang mit den beiden Totschlagsargumenten Rendite und Steuerfreiheit verkauft. Das aus den Köpfen der Mitarbeiter, der Vermittler und der Kunden wieder herauszubekommen, ist eine langwierige Aufgabe.
Provisionsdeckel gegen Erleichterung Zinszusatzreserve?
Den Berichten zufolge gibt es nun einen Evaluierungsbericht zum LVRG, der Grundlage für das weitere gesetzgeberische Handeln sein dürfte. Die Branche hofft noch dieses Jahr auf eine Entlastung bei der Bildung der Zinszusatzreserve, damit sie nicht an einem Zuviel der richtigen Medizin erstickt. Nun ist damit zu rechnen, dass dies mit einem gesetzlichen Provisionsdeckel verbunden wird.
Der Vorstoß der Bafin, auf einen gesetzlichen Deckel zu verzichten und stattdessen aufsichtsamtlich Obergrenzen für Provisionsvereinbarungen festzulegen, bei denen die Aufsicht nicht von einem übergroßen Interessenkonflikt im Sinne des § 48a VAG ausgeht und einschreiten muss, ist in der Branche auf erheblichen Widerstand gestoßen. Von einzelnen Verbänden und Versicherern wurde öffentlich gemutmaßt, die Behörde würde ihre Kompetenzen überschreiten und ohne gesetzliche Legitimation Provisionsdeckel vorschreiben. Nun dürfte die gesetzliche Legitimation kommen, aber wohl anders als ihn sich die Betroffenen vorgestellt haben dürften.
Abschlussaufwendungen kaum gesunken
Wie Studien zeigen, ist bei den allermeisten Vermittlern das LVRG angekommen und sind Veränderungen bei den Provisionsbedingungen durchgeführt worden. Aber ob diese tatsächlich zu einer durchgreifenden Kostensenkung geführt haben, ist zweifelhaft.
Nach den bis einschließlich 2016 vorliegenden Branchenzahlen der Bafin ist der Gesamtbetrag der Abschlussaufwendungen nur leicht zurückgegangen, von rund 7,6 Milliarden Euro 2014 auf knapp über 7,0 Milliarden Euro 2016. Allerdings sind zeitgleich auch die gebuchten Beiträge leicht von knapp 90 auf gut 86 Milliarden Euro zurückgegangen, ein Indiz für einen Rückgang des Neugeschäfts, das die Abschlusskosten auslöst. Die Abschlussaufwendungen machten daher 2016 immer noch 8,1 Prozent (2014: 8,5 Prozent) der Beitragseinnahmen aus.
Beachtlich dabei ist, dass die rechnungsmäßig gedeckten Abschussaufwendungen, die also von vornherein als solche in die Tarife einkalkuliert waren, mit knapp 4,7 Milliarden Euro oder 5,4 Prozent sehr viel niedriger liegen. Die Lebensversicherer mussten weitere gut 2,3 Milliarden Euro oder 2,7 Prozent aufwenden, um alle Abschlusskosten zu decken. In der Gewinnzerlegung der Bafin wird deutlich, dass die zu hoch kalkulierten Verwaltungskosten solche überrechnungsmäßigen Abschlusskosten decken müssen – immerhin ein Effekt in der Größenordnung von gut 2,0 Milliarden Euro Verlusten aus überrechnungsmäßigen Abschlusskosten, denen gut 3,3 Milliarden Euro Verwaltungskostengewinne gegenüberstanden (2016).
Versicherer und Vermittler gemeinsam für Kosten verantwortlich
Die Abschlussaufwendungen sind aber keineswegs nur Provisionen, wie in der öffentlichen Debatte häufiger fälschlich behauptet wird. Viel mehr sind auch die Aufwendungen des Versicherers selbst wie beispielsweise für die Vertriebsorganisation, Marketing, Antragsprüfung und Policierung enthalten. Es gibt nur grobe Schätzungen, aber die Annahme, dass etwa zwei Drittel der Abschlussaufwendungen aus Provisionen und ähnlichen Vermittleraufwendungen bestehen, dürfte nicht weit weg von der Wahrheit sein. Unter dieser Annahme sind die Vergütungen der Vermittler seit 2014 von knapp 5,1 auf knapp 4,7 Milliarden Euro gesunken.
In dieser Zeit ist auch die Zahl der Vermittler zurückgegangen. Verteilt man die genannte Summe auf die 240.300 Vermittler Ende 2014, dann hat jeder Vermittler durchschnittlich rund 21.100 Euro für die Lebensversicherungs-Vermittlung erhalten. 2016 dann waren es nur noch 228.000 Vermittler oder knapp 20.500 Euro, also 3,1 Prozent weniger.
Nimmt man weiter an, dass die Lebensversicherung eher nur ein Geschäft der hauptberuflichen Vermittler ist, und dass eine Erhebung aus dem Jahr 2013 richtig ist, wonach es damals etwa 96.000 Hauptberufler gab, dann hätte jeder von ihnen rechnerisch im Jahr 2014 gut 54.300 Euro umgesetzt. 2016 wären es unter diesen Annahmen noch gut 52.600 Euro gewesen. Das wiederum entspricht wohl ungefähr einem Viertel der Gesamteinnahmen der hauptberuflichen Vertreter- und Maklerbetriebe. Die bisherigen Rückgänge bei den Einnahmen sind also durchaus spürbar, aber nicht existenzgefährdend. Diese Durchschnittsbetrachtung schließt natürlich nicht aus, dass es einzelne Vermittler sehr viel härter getroffen hat als andere.
Hohe Verantwortung des Gesetzgebers
Ein gesetzlicher Deckel kann allerdings sehr viel empfindlicher die Einnahmesituation der Vermittler beeinträchtigen. Und wenn die Versicherer ihren Anteil an den Abschlussaufwendungen reduzieren, geht das unter Umständen auch zulasten der Vermittler. Mehr Dunkelverarbeitung heißt höhere Anforderungen an die elektronische Erfassung von Vorgaben im Vermittlerbetrieb. Weniger vertriebsunterstützendes Personal heißt, dass Vermittler stärker auf sich selbst gestellt sind. Weniger differenzierte und komplexe Produkte heißt, Kundenbedürfnisse nicht mehr passgenau individuell befriedigen zu können.
Eine Alternative gäbe es noch in der gesamten Situation: Den flächendeckenden Vertrieb von Nettoprodukten gegen ein individuell mit den Kunden zu vereinbarendes Honorar. Dass es dabei alles andere als günstiger für die Kunden wird, belegen die Erfahrungen der britischen Finanzaufsicht. Der Gesetzgeber übernimmt eine hohe Verantwortung, wenn er sich zu einem undifferenzierten, harten Provisionsdeckel überreden lässt.
Autor(en): Matthias Beenken