Libra: Chancengleichheit für Millionen oder reines Machtinstrument?

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Facebook hat viele Follower, aber auch immer mehr Kritiker. Und jetzt sorgt das soziale Netzwerk wieder für Aufregung. Denn das Unternehmen möchte eine Komplementärwährung auf den Markt bringen: Libra. Der Ausschuss „Digitale Währung“ beschäftigte sich kürzlich mit diesem Thema und lud dazu diverse Experten nach Berlin ein.

Facebook möchte bereits 2020 mit Libra starten, doch der Widerstand gegen dieses Vorhaben wächst, auch die Bundesregierung stemmt sich gegen dieses Projekt des amerikanischen Konzerns. Dass die Bedenken der deutschen Regierung nicht unbegründet sind, zeigt sich auch bei einer öffentlichen Anhörung in Berlin.

Was Facebook und Partner planen

Ein Konsortium von 28 Unternehmen so unter anderem Facebook, Visa, Mastercard, Paypal und Uber, die so genannte Libra Association, hatte kürzlich angekündigt, im kommenden Jahr eine "digitale Währung" namens Libra einzuführen. Über die Integration in populäre Dienste wie Messenger oder WhatsApp soll es damit Nutzern ermöglicht werden, gängiges Geld gegen Libra-Coins ein- und untereinander auszutauschen.

Die Association will damit laut eigenen Angaben vor allem Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern den Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglichen. Libra orientiert sich an der Krypto-Währung Bitcoin und baut auf einer Blockchain-Technik auf. Libra soll laut Konzept im Gegensatz zum äußerst volatilen Bitcoin im Wert stabil gehalten werden (Stablecoin). Dazu soll jeder digital geschaffene Libra-Coin mit bestimmten Fiat-Währungen beziehungsweise Staatsanleihen gedeckt werden. Bei Lira sollen gut 52 Milliarden Dollar durch 50 Prozent Währungen und 50 Prozent Staatsanleihen refinanziert werden.

Europäische Zentralbank ist äußerst alarmiert

In der Anhörung unterstrich Benoît Coeuré, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Libra-Pläne ein "Wake-Up-Call" für Regierungen und Zentralbanken darstellten. Das Vorhaben führe zu diversen regulatorischen Problemen, eine international kohärente Regulierung müsse angestrebt werden. Dabei müsse das Prinzip "same business, same risk, same rules" gelten, sagte Coeuré. Beim Thema digitales Zentralbankgeld seien noch viele Fragen offen, betonte der EZB-Vertreter mehrfach. Das gelte für die technische Umsetzung und die Rolle, die die Blockchain-Technologie dabei einnehmen könne, Auch eklatant wichtig: Die Auswirkungen auf das Geschäftsbanken-System und auf die Finanzstabilität müssten genauestens beobachtet werden, so Coeuré weiter.

In der Berliner Anhörung listete Professor Michaela Hönig von der Frankfurt University of Applied Siences diverse Risiken auf, die mit einer derartigen programmierbaren Währung verbunden wären: IT-Sicherheits- und Cyberrisiken sowie Haftungsrisiken. Auch der Anleger- und Datenschutz spiele bei der Einführung von Libra eine wichtige Rolle.

Großer Schritt, aber auch wirklich nötig?

Die Wissenschaftlerin und ebenso Markus Becker-Melching vom Bundesverband deutscher Banken betonten, dass Facebook den gleichen Regeln unterliegen muss wie die die (Zentral-)Banken. „Wir müssen schnell handeln und wir brauchen hier wahrscheinlich eine öffentliche Regulierung“, unterstrich Becker-Melching seine kritische Haltung gegenüber diesem neuen Wettbewerber. Er ging in seiner Kritik sogar noch weiter und stellte die Frage, ob man wirklich immer alles brauche, was möglich sei. Doch gleichzeitig erkannte er eine derartige Währung als einen großen Schritt für die gesamte Welt.

Libra kann nach Ansicht von Hönig eine zweite Währung oder eine Ersatzwährung für bestehende werden. Doch für zahlreiche (unterentwickelte) Länder und deren Menschen kann dies auch zum Problem werden. Denn die wenigsten Währungen dieser Länder sind stabil. Libra könnte dafür sorgen, dass die Landeswährungen noch weiter geschwächt werden. Der Aussage von Facebook bei diesem Währungsdeal als Non-Profit-Organisation auftreten und agieren zu wollen, ist nach Ansicht der Wissenschaftlerin mit Skepsis zu begegnen. Denn das vorrangige Ziel von Konzernen wie Facebook ist es, so viele Daten wie möglich zu sammeln. Stickwort: Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts.

 

Vor allem knallhartes Machtinstrument

Becker-Melching sieht eine programmierbare Währung wie Libra ebenfalls als „knallhartes Macht- und außenpolitisches Instrument“. Sogar noch hellhöriger wird der Mann vom Bundesverband deutscher Banken, wenn es um China und dessen Währungsinitiative geht. Deren Pläne, eine digitale Währung einzuführen, erscheinen den deutschen und europäischen Banken noch gefährlicher als der Facebook-Vorstoß, denn dies läuft als absoluter „closed job“ ab.

Wohl schon 2014 arbeitet China offiziell an der Entwicklung einer eigenen digitalen Währung. Angeblich steht die chinesische Notenbank kurz vor der Ausgabe der staatlichen Digitalwährung. Sie soll China helfen, den elektronischen Zahlungsverkehr zu beschleunigen, und so den Bargeldumlauf und damit unter anderem auch das Korruptionsrisiko einzuschränken. Denn elektronisch lässt sich jeder Zahlungsverlauf nachverfolgen. Das kann auch ein positiver Aspekt einer Digitalwährung sein.

Auch Katharina Gehra von der Immutable Insight GmbH lieferte diverse Argumente, weswegen eine programmierbare Währung wie Libra mit Vorsicht zu genießen sei. „Facebook kann – in diesem Kontext – ein großer Vermögensverwalter werden. Das kann kritisch werden. Darum müssen die möglichen Risiken minimiert und gesteuert werden.“ Und Unternehmen wie Facebook seien oftmals bestrebt, die Gewinne zu privatisieren und die Verluste zu sozialisieren. Dies müsse auf jeden Fall verhindert werden.

Ganz scharfe Töne schlug Oliver Leistert von der Leuphana Universität Lüneburg an. Er freut sich auf jeden Fall über die Position der Bundesregierung, die das Libra-Projekt (für Deutschland) verhindern will. Er sieht den Facebook-Plan als bloßes „Kolonialisierungsprojekt aus dem Silicon Valley“. Doch das heißt nicht, dass er sich gänzlich gegen die Einführung einer digitalen Währung stemmt. O-Ton Leistert: „Wir sollten jetzt schon überlegen, was nach Libra kommt, was wäre eine wirklich gute digitale Währung?“ Denn wenn man diese finden könnte, würde sie gute Möglichkeiten für eine nachhaltigere Welt schaffen.

Chance: Finanzielle Inklusion für bislang Benachteiligte

Mehr Chancen denn Risiken sieht dahingegen Klaus Himmer von der 21 Consulting GmbH. Er glaubt, dass Libra vielen Millionen Menschen weltweit finanzielle Vorteile bringen kann, eine finanzielle Inklusion, die ihnen die Chance gibt, stärker als zuvor am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Ähnlich wie dies auch Mikrokredite leisten können. Er weiß aber auch, dass dies erst mal nur eine theoretische Option ist.

Er erhofft sich durch Libra auch einen vereinfachten internationalen Zahlungsverkehr und charakterisierte sich als Anhänger von Karl Popper und somit einer Politik der kleinen Schritte. Mit anderen Worten: Warum nicht mal den Versuch starten, das staatliche Währungsmonopol gegenüber der Privatwirtschaft zu öffnen, wobei man natürlich genau eruieren müsste, welche Länder sich als Technologieexperten hervortun, um ein Riesenprojekt wie eine digitale Währung zu implementieren.

Michaela Hönig listete am Ende der Anhörung auch noch einen positiven Aspekt der Komplementärwährung auf, den sie aber nicht unbedingt selbst als Positivum verbuchen wollte: „Libra ist schnell und sofort verfügbar. Vor allem junge Menschen werden diese Vorteile nutzen wollen. So werden Konzerne wie Facebook aber nur noch stärker“.

 

 

Autor(en): Meris Neininger

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