Die Überschüsse in der Lebensversicherung dürften im nächsten Jahr meist sinken. Grund sind die historisch niedrigen Zinsen. Das zwingt die Versicherer, für Altverträge mit hohen Garantien mehr Rückstellungen zu bilden.
„Wir schätzen, dass die Branche in diesem Jahr neun Milliarden Euro in die so genannte Zinszusatzreserve einzahlen muss“, sagt Russel Kemwa, Pressesprecher der Ratingagentur Assekurata. Im vorigen Jahr habe der Betrag noch bei sechs Milliarden Euro gelegen. Damit geraten die laufenden Überschüsse der Lebensversicherer noch stärker unter Druck. Marktführer Allianz hat bereits bekannt gegeben, dass die laufenden Überschüsse ab 2020 von 2,8 Prozent auf 2,5 Prozent gesenkt werden. Das betrifft die klassische Renten- und Lebensversicherung, die noch eine Garantie von 0,9 Prozent enthält. Demgegenüber halten die Versicherer Axa, ihre Tochter, die DBV, und die Ideal die Überschüsse stabil.
Überschüsse sinken auf durchschnittlich 2,3 Prozent
Trotzdem geht Assekurata davon aus, dass die meisten Lebensversicherer bald dem Beispiel der Allianz folgen werden und ihre Überschüsse absenken. „Wir rechnen damit, dass im Marktdurchschnitt 2020 die Überschüsse für private Renten auf 2,30 Prozent fallen“, sagte Kemwa. In diesem Jahr lag der Schnitt noch bei 2,46 Prozent. Neue Produkte mit abgeschwächten Garantien erhalten meist eine leicht höhere Zinsgutschrift. Im Produkt Perspektive der Allianz liegt die jährliche Zinsgutschrift beispielsweise bei 2,6 Prozent. Bisher waren 2,9 Prozent bezahlt worden. Die tatsächliche Rendite der eingezahlten Beiträge fällt aber deutlich geringer aus, denn mit den angegebenen Prozentwerten werden nur die Sparanteile nach Abzug der Kosten für Vertrieb und Verwaltung verzinst. „Die Lebensversicherungsbranche befindet sich weiterhin in einem desolaten Zustand“, warnte Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV).
BDVM: Neue Produkte erklären
Demgegenüber raten Praktiker nicht in allen Fällen von einer privaten Rentenversicherung ab. „Wer seine gesetzliche Rente aufstocken möchte, sollte individuell prüfen, ob nicht ein neues Produkt sinnvoll ist, bei dem die Garantien abgesenkt sind. Damit hat er höhere Renditechancen“, sagt Christina Jasmer, Vorständin beim Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) aus Jettingen-Scheppach bei Augsburg. Dabei müsse man den Kunden aber die wesentlichen Merkmale verschiedener Produktklassen der Lebensversicherung erläutern. An einer qualifizierten Beratung gehe hier kein Weg vorbei. „Für manche, die gar kein Risiko eingehen wollen, kann auch eine klassische Rentenversicherung noch interessant sein“, so Jasmer. Hier sind jedoch aufgrund der höheren Sicherheit die Renditechancen aus dem Produkt selbst eingeschränkt. Zudem werden klassische Policen kaum noch verkauft. Viele Lebensversicherer haben sie ganz aus dem Angebot genommen oder bieten sie, wie die Axa und Alte Leipziger, nur noch in der bAV an.
Garantie unter Beitragserhalt im Trend
Bei den neuen Policen wird in der Regel nur garantiert, dass am Ende der Laufzeit die eingezahlten Beiträge vorhanden sind. Laut Assekurata liegt sogar im Trend, nur noch 90 oder 80 Prozent der Beiträge zu garantieren. Das kann für Kunden trotzdem von Vorteil sein. So erlaubt die Versicherungsaufsicht den Assekuranzen bei garantieärmeren Produkten weniger Eigenkapital zu reservieren. Damit können sie mehr Kapital risikoreich anlegen. „Die Kunden tragen mit den neuen Produkten ein deutlich höheres Risiko, haben aber auch die Chance auf eine bessere Verzinsung“, heißt es bei Assekurata.
BdV lehnt neue Produkte ab
Verbraucherschützer, wie der Bund der Versicherten, lehnen die neuen Produkte hingegen ebenfalls ab. Sie wären zu kompliziert und undurchsichtig. Es gebe viele Möglichkeiten neben der Lebensversicherung für das Alter zu sparen. BdV-Chef Kleinlein: „Für einige sind kostengünstige Börsenfonds, sogenannte ETFs, das Richtige, für andere Immobilien.“ Allein bei der betrieblichen Altersvorsorge sieht Kleinlein auch Vorteile, selbst, wenn hier über Lebensversicherungen gespart werde. Denn der Arbeitgeber müsse haften und zahle Zulagen. Gleichzeitig gebe es Steuer- und Sozialabgabenachlässe.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek