Lebensversicherung: Niederlagenserie vor dem BGH geht weiter

Die Lebensversicherer werden in der nächsten Zeit drei weitere Niederlagen vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erleiden. Nach Einschätzung von Rechtsanwalt Joachim Bluhm aus Hamburg werden Verbraucherschützer auch die Verfahren gegen Ergo Mitte November, Signal-Iduna im Dezember und Allianz im Frühjahr 2013 gewinnen (IV ZR 198/10; 200/10; 175/11). In zwei schon entschiedenen Verfahren gegen den Deutschen Ring im Juli (IV ZR 201/10) und die Generali im Oktober (IV ZR 202/10) hatte der BGH Klauseln bei Lebens- und privaten Rentenversicherungen hinsichtlich des Stornoabzugs und der Verrechnung von Provisionen für ungültig erklärt.

Diese Linie gilt bei Experten als gesicherte Rechtsprechung. Auch künftige Urteile dürfen daher die zwischen 2001 bis 2007 gebräuchlichen Versicherungsbedingungen in diesen Punkten als unwirksam ansehen. Betroffene können Nachzahlungsansprüche gelten machen.

Das gilt aber nur für Verträge, die nach 2008 geendet haben. Andernfalls sind Nachzahlungsansprüche verjährt. Für Verträge, die 2009 gekündigt wurden, müssen Nachzahlungansprüche bis Ende des Jahres angemeldet werden. Bei ruhend gestellt Verträgen soll Verjährung hingegen nicht wirksam werden. Die Generali hat angekündigt bei solchen Verträgen automatisch eine Anpassung vorzunehmen.

Doppelte negative Siganalwirkung
Auch wenn der BGH nur gegen die Versicherer entscheidet, die von der Verbrauchzentrale Hamburg verklagt wurden, haben die Urteile gleich zweifache Signalwirkung. So betonen die Verbraucherschützer regelmäßig, dass auch andere Unternehmen ähnliche Klauseln in ihren Altverträgen hatten und Verbraucher auch dort Nachforderungen stellen sollten. Außerdem dürften mit den öffentlichen Entscheidungen in Serie Renten- und Lebensversicherungen regelmäßig einen Imageverlust erleiden. Das dürfte sich negativ auf das Neugeschäft auswirken. So betont beispielsweise der Münchener Rechtsanwalt Johannes Fiala, dass das Misstrauen gegenüber Vermittlern und Beratern im Finanzdienstleistungsbereich gewachsen ist, weil sich die Versicherer nun regelmäßig die Unwirksamkeit von Bedingungswerken ins Stammbuch schreiben lassen müssen.


Kritik am BGH
Kritik an den Urteilen äußert hingegen der Rechtsanwalt Thomas Leithoff von der Hamburger Kanzlei Johannsen Rechtsanwälte, die regelmäßig für die Versicherungsbranche tätig ist. Nach Meinung der Juristen berücksichtige der BGH einseitig die Interessen von "Neuversicherungsnehmern" auf Kosten der Altkunden, die ihren Vertrag durchhalten. Versicherungsnehmer, die vor Ablauf der vertraglichen Laufzeit ausscheiden, würden aufgrund der Urteile Erträge erzielen, die sie normalerweise nicht realisieren könnten. Grund sei, dass langfristige Vermögensanlagen wesentlich ertragsreicher seien als kurzfristige.

Der BGH verbiete nun die Zuweisung der Kosten nach der Ursache, während er eine Zuweisung der Überschüsse erlaube. Er werde damit dem System der Renten- und Lebensversicherungen nicht gerecht. Nach Meinung von Leitthoff müsste die Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) einschreiten, um die Altversicherten zu schützen.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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