Noch immer gibt es Lebensversicherer, die aktuell ohne bilanzielle Hilfsmaßnahmen nicht über genügend Eigenkapital verfügen, um die aufsichtsrechtlich geforderte Sicherheitsquote zu erfüllen. Die Corona-Pandemie setzt der Branche zu. Doch noch können diese Assekuranzunternehmen ihr Geschäftsmodell nachhaltig umbauen. Die Übergangsphase dauert bis 2032. Dann fallen die Hilfsmaßnahmen weg.
Die meisten Lebensversicherer haben hohe Solvenzquoten und sind damit im sicheren Fahrwasser. Eine ganze Reihe können sogar auf Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen oder risikofreie Zinssätze sowie Volatilitätsanpassung verzichten. Das geht aus einer Übersicht von 77 Unternehmen hervor, die die Ratingagentur Assekurata erhoben hat (www.solvencydata.com/ticker).
Umbau kann zu einem Kraftakt werden
"Bei einzelnen Anbietern wird das Solvenzkapital aber zunehmend knapper, denn die Wirkung von Übergangsmaßnahmen nimmt mit der Zeit ab", warnt Assekurata-Bereichsleiter Lars Heermann. Viele Lebensversicherer müssen hohe Altgarantien stemmen. In der Vergangenheit haben die Versicherer ihren Kunden bis zu vier Prozent Garantie gegeben. Für manche Gesellschaften werde der Umbau des Geschäftsmodells unter den extremen Zinsbedingungen dann zu einem echten Kraftakt. Derzeit schaffen es laut Assekurata 17 Gesellschaften nicht mit ihrer Basis-Solvenzquote ohne Hilfsmaßnamen über die Marke von 100 Prozent zu kommen (siehe Tabelle).
Die Solvenzquote (SCR-Quote) gibt an, ob ein Versicherer auch in modellhaften Extremszenarien genügend Eigenmittel hat, um alle seine Verpflichtungen gegenüber den Kunden zu erfüllen. Nach aufsichtsrechtlichen Vorgaben sollte die Quote stets bei mindestens 100 Prozent liegen. Doch eine aktuell schwierige Lage bedeutet nicht, dass Lebensversicherer tatsächlich ab 2032 aufgeben müssen.
Schutz durch den Mutterkonzern
So machte etwa Vorstand Hans Olav Herøy, bei der HUK-Coburg Gruppe für Personenversicherung zuständig, in einer Pressekonferenz deutlich, dass beispielsweise die Huk-Coburg Lebensversicherung jederzeit über die Finanzkraft des Konzerns geschützt sei. Das Unternehmen befinde sich - trotz einer geringen Basis-Quote - auch nicht in der strengeren Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der so genannten Manndeckung. Zudem sei derzeit kein Run-Off für die Gesellschaft geplant. Beim Run-Off wird das Neugeschäft eingestellt oder die Gesellschaft an eine Abwicklungsplattform verkauft.
Trotzdem prüft die BaFin nach eigenen Angaben derzeit, ob Lebensversicherer, die problematische Eigenmittelquoten haben, in Zukunft überhaupt noch Neugeschäft betreiben dürfen. "In letzter Konsequenz könnte die BaFin einzelnen Unternehmen das Neugeschäft verbieten, wenn der Lebensversicherer nicht überzeugende Maßnahmenpläne vorlegt", sagte ein BaFin-Sprecher auf Anfrage. Wird die Geschäftserlaubnis widerrufen, dann muss der Lebensversicherer abgewickelt werden. Dann dürfte im günstigsten Fall nur der Run-Off bleiben.
Corona hinterlässt Spuren
Für das aktuelle Sinken der Solvenzquoten bei den meisten Lebensversicherern ist laut Assekurata die Corona-Pandemie verantwortlich. Sie habe im vergangenen Jahr deutliche Spuren im Kapitalmarkt hinterlassen. "Während die internationalen Aktienmärkte die massiven Verluste im Jahresverlauf wieder aufholen konnten, war das Zinsniveau zum Jahresende 2020 niedriger denn je", heißt es bei Assekurata. So rentierte der zehnjährige Bund zum 31. Dezember 2020 mit -0,58 Prozent noch stärker negativ als zum Bilanzstichtag 2019 (-0,19 Prozent).
Niedrige Zinskurven würden sich deutlich auf die Solvenzquoten in der Lebensversicherung auswirken. Laut Assekurata falle aber auch auf, dass sich 21 Lebensversicherer 2020 gegen den Markttrend entwickelt hätten. Sie konnten ihre Eigenmittelquote gegenüber dem Vorjahr steigern. Gleichzeitig müssten müssen die Lebensversicherer bald mit neuem Druck rechnen. So will die Europäische Union das Aufsichtssystem Solvency II reformieren. Betroffen sind laut Assekurata vor allem Lebensversicherer mit hohen Garantien in den Beständen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek