Die deutschen Lebensversicherer haben die Garantien ihrer Kunden zu rund 70 Prozent ausfinanziert, das hat die Ratingagentur Assekurata aktuell ermittelt.
Die Lebensversicherer haben bereits 87 Milliarden Euro in der so genannten Zinszusatzreserve (ZZR) zurückgelegt, die seit 2011 von der Versicherungsaufsicht verlangt wird. Bis 2027 muss nach dem „Marktausblick Lebensversicherung 2021/2022“ die Branche insgesamt die ZZR mit 130 Milliarden Euro befüllen. Der prognostizierte Aufwand ist durch einen leichten Zinsanstieg gefallen. Am Markt gibt es aber laut Assekurata sehr große Unterschiede beim Aufbau der ZZR.
Einige Unternehmen könnten schon in einigen Jahren den Gipfel der Ausfinanzierung der Garantie erreichen, während andere noch über das Jahr 2027 Geld in die ZZR zurücklegen müssen. „Wer als Lebensversicherer seinen ZZR-Gipfel erreicht hat, kann diese Rückstellungen bildlich gesprochen wieder auflösen“, erläuterte Reiner Will, Geschäftsführer der Assekurata Rating Agentur. Lebensversicherer, die zuerst den ZZR-Gipfel erreichen, hätten einen Wettbewerbsvorteil. Sie könnten ihren Kunden wieder mehr Überschüsse gutschreiben.
Bestand wird umgebaut
Die Lebensversicherer bauen ihren Bestand seit einigen Jahren systematisch um, damit ihre Garantielasten sinken. So ist der Anteil der klassischen Policen im Neugeschäft von 36 Prozent in 2017 auf 26 Prozent in 2020 gefallen. Die Neue Klassik, Index- und Hybridpolicen sind von 33 Prozent auf heute 39 Prozent gestiegen. Zwar liegen Fondspolicen nun bei zehn Prozent, sie haben sich aber seit 2017 lediglich um einen Prozentpunkt nach oben entwickelt. „Der heutige Produktmix ist auch ein Spiegel der Nachfrage und ein Wunschdenken der Kunden“, so Will.
Die Kunden hätten immer noch eine hohe Garantieaffinität. „Wir sind noch längst nicht so weit, dass die Nachfrage nach Realwerten in Form von versicherungsförmigen Lösungen von vielen Kunden angenommen wird“, so Will. Es gäbe somit einen hohen Beratungsbedarf. Die Struktur des Neugeschäft zeigt zudem, dass Risikolebensversicherungen (Anteil drei Prozent) und Berufs- und Invaliditätspolicen (sechs Prozent) bei den Einnahmen nach APE (Annual Premium Equivalent) kaum eine Rolle spielen. Laut Assekurata sind die meisten Lebensversicherer daher weiterhin auf Produkte der Altersvorsorge angewiesen, damit die Sparbeiträge der Kunden für eine gute Fixkostenstruktur der Unternehmen sorgen.
13 Unternehmen mit problematischer Solvenzquote
Assekurata zeigte auf, dass derzeit 13 Lebensversicherer allein mit der aufsichtsrechtlich auf Dauer möglichen Volatilitätsanpassung und ohne sogenannte Übergangsmaßnamen nicht die ab 2032 notwendige Quote von 100 Prozent erreichen. Betroffen sind nach Negativ-Quote sortiert VRK, Frankfurt Münchener, DEVK Eisenbahn, Öffentliche Oldenburg, DEVK Allgemeine, Signal-Iduna, Debeka, Frankfurter, PB, Ergo, Huk-Coburg, Bayerische Beamten und Athora. Fünf der Gesellschaften befinden sich im externen oder internen Run-Off und haben somit ihr Neugeschäft eingestellt. „Sie können ihr Geschäft einfach auslaufen lassen“, erläuterte Will.
Die Solvenzquote habe – entgegen der Äußerungen von Verbraucherschützern - nichts mit einer Insolvenz eines Lebensversicherers zu tun. „Es kann lediglich sein, dass die Aufsicht, wenn die Quote sich nicht bis 2032 auf über 100 Prozent verbessert, den Geschäftsbetrieb des Unternehmens einstellt“, erläuterte Lebensversicherungsexperte Lars Herrmann. Grundsätzlich müsse man immer die einzelnen Gesellschaften betrachten. Die Unternehmen könnten von ihren Müttern Hilfe bekommen, sich auf andere Art refinanzieren, ihre Bestände erfolgreich umbauen oder verkaufen (Run-Off).
Assekurata ratet Problemgesellschaften
Sechs der betroffenen Gesellschaften sind derzeit von der Assekurata bewertet. Die Debeka hat im Unternehmensrating ein „A“ (gut) erhalten, die Huk-Coburg sogar ein „A plus“ (sehr gut) und damit die zweitbeste Note (beste: A++). Im Bonitätsrating erhält die Signal Iduna ein „A“ (starke Bonität – geringes Ausfallrisiko), die Bayerische Beamten Lebensversicherung, die sich im internen Run-Off befindet ein „A minus“, die Debeka ein „A“, die VRK ein „A plus““ und die PB ein „A“.
Laut Assekurata sei ein Rating nicht das „Abschreiben einer Solvenzquote“, sondern ginge viel tiefer. Betrachtet würde die Konzernsituation sowie aus internen Unterlagen die konkreten Maßnahmen, die die Unternehmen treffen. „Wir schätzen diese Gesellschaften so ein, wie es der Ratingbericht ausweist“, so Will. Das Rating wäre eine Prognose von drei bis fünf Jahren.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek