Seit Jahren bereits werden zahlreiche Gerichtsprozesse ausgefochten, in denen sich Kunden dagegen wehren, für eine frühzeitig stornierte Lebensversicherung ungetilgte Abschlusskosten aus einer so genannten Kostenausgleichsvereinbarung tragen zu müssen. Diese Vertragsgestaltung wird in Deutschland vor allem von dem liechtensteinischen Versicherer Prisma Life sowie dem luxemburgischen Anbieter Atlanticlux angeboten. Beide Unternehmen gehören deutschen Unternehmen beziehungsweise sind mit solchen eng verbunden.
Die Grundidee besteht darin, eine Lebens- oder Rentenversicherung als abschlusskostenfreien Nettotarif anzubieten und gleichzeitig mit dem Kunden eine rechtlich separate, aber mit der Versicherung beantragte und vom Versicherer oder einem damit verbundenen Dienstleister abgewickelte Vereinbarung zum Ausgleich der Abschlusskosten zu treffen.
Aufhebung der Schicksalsteilung als Ziel
Mit großer Spannung war bereits seit längerem erwartet worden, dass die Grundsatzfrage vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden wird, ob sich mit dieser speziellen Vertragsgestaltung der Schicksalsteilungsgrundsatz aufheben lässt. Der besagt, dass eine Provision das Schicksal des Vertrags teilt. Das heißt, bei vorzeitiger Beendigung ist sie nicht oder nur anteilig verdient. Die Stornohaftung wurde mit der VVG-Reform für "gezillmerte" Bruttotarife mit einkalkulierten Abschlusskosten verschärft. Seitdem dürfen Abschlusskosten nur über die ersten fünf Jahre verteilt abgezogen werden, wenn ein Kunde vorzeitig kündigt. Ein einmaliger Abzug ungetilgter Abschlusskosten wurde durch § 169 Absatz 5 VVG untersagt. Seit 1. April 2012 gilt zusätzlich die Regel, dass Versicherer mit ihren Vermittlern analog eine fünfjährige Stornohaftung vereinbaren müssen.
Die Stornohaftung ist Vermittlern verständlicherweise ein Dorn im Auge, haftet er doch damit unter Umständen für eine Entscheidung des Kunden, die er nicht beeinflussen oder beim Abschluss bereits vorhersehen kann. Demgegenüber ist allerdings zu vermuten, dass bei sehr frühzeitiger Stornierung nicht selten Beratungsfehler eine Rolle spielen, nach deren Entdeckung der Kunde Kaufreue entwickelt oder sich die erworbene Versicherung schlicht nicht leisten kann.
Die Kostenausgleichsvereinbarung wurde bezeichnenderweise von Prisma Life als "Schlupfloch aus der Provisionsfalle" angepriesen – gegenüber Vermittlern. Gegenüber den Kunden hingegen wird stattdessen auf die Transparenz der Kosten verwiesen, die dem Kunden verschafft werde.
Ratenzahlungen für überdurchschnittliche Kosten
Eine besondere Rolle spielt dabei, dass die Kostenausgleichsvereinbarung üblicherweise nicht als Einmalbetrag vom Kunden gefordert, sondern über typischerweise 48 Monatsraten erhoben wird. Gleichzeitig wird dem Kunden angeboten, den Versicherungsbeitrag in dieser Zeit um denselben Betrag abzusenken, sodass unter dem Strich vom Kunden ein einheitlicher Beitrag zu zahlen ist, analog einem Bruttotarif. Wird die zugrundeliegende Versicherung vorzeitig gekündigt, wird allerdings der noch nicht abgezahlte Restbetrag der Kostenausgleichsvereinbarung auf einen Schlag fällig gestellt.
In dem jetzt vom BGH (Urteil vom 12. März 2014, Az. IV ZR 295/13) entschiedenen Fall hatte ein Kunde eine solche Ratenvereinbarung mit 48 Raten à 30,63 Euro abgeschlossen, insgesamt 1.470 Euro. Der Versicherungsbeitrag wurde in derselben Zeit von 50 Euro auf 19,37 Euro abgesenkt.
Aus der Urteilsbegründung geht nicht hervor, welche Laufzeit vereinbart worden war. Wenn man beispielsweise von 30 Jahren ausgeht, hätte ein vergleichbarer Bruttotarif eine Beitragssumme von 18.000 Euro vorgesehen - eine Vergütung von 1.470 Euro entspräche dann einem ungewöhnlich hohen Abschlusskostensatz von rund 82 Promille. Zum Vergleich: Laut Map-Report lag der durchschnittliche Abschlusskostensatz der deutschen Versicherer im Jahr 2012 bei 49,8 Promille.
Nachdem der Kunde mit den Raten in Rückstand geraten war, wurde er zur Tilgung einer Restforderung von 636,95 Euro aufgefordert, der mit einem Rückkaufswert von 317 Euro zu verrechnen war. Der Kunde verklagte daraufhin seinerseits den Versicherer auf Rückzahlung der bisher geleisteten 843,29 Euro aus der Kostenausgleichsvereinbarung zuzüglich des Rückkaufswerts und damit auf 1.160,29 Euro.
Kostenausgleichsvereinbarung ist zulässig, Unkündbarkeit nicht
Der BGH stellt in seiner Urteilsbegründung fest, dass die Kostenausgleichsvereinbarung grundsätzlich eine zulässige Vereinbarung darstellt. Die nachträgliche Tilgung von Abschlusskosten verstößt nicht gegen § 169 Absatz 5 VVG, weil sich dieser nur auf Brutto- und nicht auf Nettotarife bezieht. Auch haben die Richter die gesamte Vereinbarung an sich nicht für intransparent gehalten. "Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann daher ohne weiteres erkennen, dass er mit der Kostenausgleichsvereinbarung wirtschaftlich auch dann belastet bleibt, wenn er den Versicherungsvertrag gekündigt hat."
Dann heißt es jedoch weiter: "Die grundsätzliche Zulässigkeit einer gesonderten Kostenausgleichsvereinbarung stellt den Versicherungsnehmer allerdings nicht schutzlos." Neben der Vereinbarung im Ganzen müsste auch die Wirksamkeit einzelner Klauseln beurteilt werden. Der BGH stellt fest, "dass der vereinbarte Ausschluss des Kündigungsrechts für die Kostenausgleichsvereinbarung wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Absatz 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist."
Wirtschaftliche Einheit von Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung
Der BGH führt dazu unter anderem aus, dass Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung eine "wirtschaftliche Einheit" darstellen. Dies kann man beispielsweise am gemeinsamen Antrag oder an der Anrechnung des Kostenausgleichs auf die Prämie ablesen. Deshalb muss die wirtschaftliche Wirkung als Einheit betrachtet werden - und diese ist deutlich negativer als bei einer Bruttopolice, bei der maximal die eingezahlten Beiträge verloren gehen können, während aus der Kostenausgleichsvereinbarung unter dem Strich über die Beiträge hinausgehende Verbindlichkeiten entstehen. "Hierdurch wird die Gefahr begründet, dass der Versicherungsnehmer noch schlechter gestellt wird als im Falle der Zillmerung." Damit kann diese Vertragsgestaltung "faktisch als eine Art unzulässiger Vertragsstrafe" angesehen werden, die den Kunden daran hindert, sein Kündigungsrecht auszuüben. Das Argument, dass der Kunde eine höhere Transparenz gewinnt, wiegt diesen wirtschaftlichen Nachteil nicht auf.
Der BGH weist weiter darauf hin, dass dieses Urteil auch nicht etwa seine bisherige Rechtsprechung ändert, was den Bestand von Honorarvereinbarungen durch Makler oder von ähnlichen, vom Kunden geschuldeten Entlohnungen eines Versicherungsvertreters angeht.
Faktisch bedeutet das, dass auch eine Kostenausgleichsvereinbarung ein Kündigungsrecht vorsehen muss, das analog der Kündigung der Lebensversicherung ausgeübt werden kann.
Der BGH hat außerdem dem Kunden den geforderten Rückzahlungsanspruch zugebilligt. Grund hierfür ist, dass der Kunde eine Widerrufserklärung der Kostenausgleichsvereinbarung ausgesprochen hatte, die der Versicherer abgelehnt hatte, die aber vom BGH als zulässig angesehen wird. Denn Prisma Life hatte versäumt, den Kunden ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren. Aus der Widerrufsbelehrung des Versicherers war nicht erkennbar, wie sich ein Widerruf auf die separate Kostenausgleichsvereinbarung auswirkt. Da aber beide Verträge als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind, ist eine entsprechende Belehrung notwendig, aus der hervorgeht, dass bei einem Widerruf der Versicherung auch Kostenausgleichsvereinbarung als widerrufen gilt.
Die Grundidee besteht darin, eine Lebens- oder Rentenversicherung als abschlusskostenfreien Nettotarif anzubieten und gleichzeitig mit dem Kunden eine rechtlich separate, aber mit der Versicherung beantragte und vom Versicherer oder einem damit verbundenen Dienstleister abgewickelte Vereinbarung zum Ausgleich der Abschlusskosten zu treffen.
Aufhebung der Schicksalsteilung als Ziel
Mit großer Spannung war bereits seit längerem erwartet worden, dass die Grundsatzfrage vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden wird, ob sich mit dieser speziellen Vertragsgestaltung der Schicksalsteilungsgrundsatz aufheben lässt. Der besagt, dass eine Provision das Schicksal des Vertrags teilt. Das heißt, bei vorzeitiger Beendigung ist sie nicht oder nur anteilig verdient. Die Stornohaftung wurde mit der VVG-Reform für "gezillmerte" Bruttotarife mit einkalkulierten Abschlusskosten verschärft. Seitdem dürfen Abschlusskosten nur über die ersten fünf Jahre verteilt abgezogen werden, wenn ein Kunde vorzeitig kündigt. Ein einmaliger Abzug ungetilgter Abschlusskosten wurde durch § 169 Absatz 5 VVG untersagt. Seit 1. April 2012 gilt zusätzlich die Regel, dass Versicherer mit ihren Vermittlern analog eine fünfjährige Stornohaftung vereinbaren müssen.
Die Stornohaftung ist Vermittlern verständlicherweise ein Dorn im Auge, haftet er doch damit unter Umständen für eine Entscheidung des Kunden, die er nicht beeinflussen oder beim Abschluss bereits vorhersehen kann. Demgegenüber ist allerdings zu vermuten, dass bei sehr frühzeitiger Stornierung nicht selten Beratungsfehler eine Rolle spielen, nach deren Entdeckung der Kunde Kaufreue entwickelt oder sich die erworbene Versicherung schlicht nicht leisten kann.
Die Kostenausgleichsvereinbarung wurde bezeichnenderweise von Prisma Life als "Schlupfloch aus der Provisionsfalle" angepriesen – gegenüber Vermittlern. Gegenüber den Kunden hingegen wird stattdessen auf die Transparenz der Kosten verwiesen, die dem Kunden verschafft werde.
Ratenzahlungen für überdurchschnittliche Kosten
Eine besondere Rolle spielt dabei, dass die Kostenausgleichsvereinbarung üblicherweise nicht als Einmalbetrag vom Kunden gefordert, sondern über typischerweise 48 Monatsraten erhoben wird. Gleichzeitig wird dem Kunden angeboten, den Versicherungsbeitrag in dieser Zeit um denselben Betrag abzusenken, sodass unter dem Strich vom Kunden ein einheitlicher Beitrag zu zahlen ist, analog einem Bruttotarif. Wird die zugrundeliegende Versicherung vorzeitig gekündigt, wird allerdings der noch nicht abgezahlte Restbetrag der Kostenausgleichsvereinbarung auf einen Schlag fällig gestellt.
In dem jetzt vom BGH (Urteil vom 12. März 2014, Az. IV ZR 295/13) entschiedenen Fall hatte ein Kunde eine solche Ratenvereinbarung mit 48 Raten à 30,63 Euro abgeschlossen, insgesamt 1.470 Euro. Der Versicherungsbeitrag wurde in derselben Zeit von 50 Euro auf 19,37 Euro abgesenkt.
Aus der Urteilsbegründung geht nicht hervor, welche Laufzeit vereinbart worden war. Wenn man beispielsweise von 30 Jahren ausgeht, hätte ein vergleichbarer Bruttotarif eine Beitragssumme von 18.000 Euro vorgesehen - eine Vergütung von 1.470 Euro entspräche dann einem ungewöhnlich hohen Abschlusskostensatz von rund 82 Promille. Zum Vergleich: Laut Map-Report lag der durchschnittliche Abschlusskostensatz der deutschen Versicherer im Jahr 2012 bei 49,8 Promille.
Nachdem der Kunde mit den Raten in Rückstand geraten war, wurde er zur Tilgung einer Restforderung von 636,95 Euro aufgefordert, der mit einem Rückkaufswert von 317 Euro zu verrechnen war. Der Kunde verklagte daraufhin seinerseits den Versicherer auf Rückzahlung der bisher geleisteten 843,29 Euro aus der Kostenausgleichsvereinbarung zuzüglich des Rückkaufswerts und damit auf 1.160,29 Euro.
Kostenausgleichsvereinbarung ist zulässig, Unkündbarkeit nicht
Der BGH stellt in seiner Urteilsbegründung fest, dass die Kostenausgleichsvereinbarung grundsätzlich eine zulässige Vereinbarung darstellt. Die nachträgliche Tilgung von Abschlusskosten verstößt nicht gegen § 169 Absatz 5 VVG, weil sich dieser nur auf Brutto- und nicht auf Nettotarife bezieht. Auch haben die Richter die gesamte Vereinbarung an sich nicht für intransparent gehalten. "Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann daher ohne weiteres erkennen, dass er mit der Kostenausgleichsvereinbarung wirtschaftlich auch dann belastet bleibt, wenn er den Versicherungsvertrag gekündigt hat."
Dann heißt es jedoch weiter: "Die grundsätzliche Zulässigkeit einer gesonderten Kostenausgleichsvereinbarung stellt den Versicherungsnehmer allerdings nicht schutzlos." Neben der Vereinbarung im Ganzen müsste auch die Wirksamkeit einzelner Klauseln beurteilt werden. Der BGH stellt fest, "dass der vereinbarte Ausschluss des Kündigungsrechts für die Kostenausgleichsvereinbarung wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Absatz 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist."
Wirtschaftliche Einheit von Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung
Der BGH führt dazu unter anderem aus, dass Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung eine "wirtschaftliche Einheit" darstellen. Dies kann man beispielsweise am gemeinsamen Antrag oder an der Anrechnung des Kostenausgleichs auf die Prämie ablesen. Deshalb muss die wirtschaftliche Wirkung als Einheit betrachtet werden - und diese ist deutlich negativer als bei einer Bruttopolice, bei der maximal die eingezahlten Beiträge verloren gehen können, während aus der Kostenausgleichsvereinbarung unter dem Strich über die Beiträge hinausgehende Verbindlichkeiten entstehen. "Hierdurch wird die Gefahr begründet, dass der Versicherungsnehmer noch schlechter gestellt wird als im Falle der Zillmerung." Damit kann diese Vertragsgestaltung "faktisch als eine Art unzulässiger Vertragsstrafe" angesehen werden, die den Kunden daran hindert, sein Kündigungsrecht auszuüben. Das Argument, dass der Kunde eine höhere Transparenz gewinnt, wiegt diesen wirtschaftlichen Nachteil nicht auf.
Der BGH weist weiter darauf hin, dass dieses Urteil auch nicht etwa seine bisherige Rechtsprechung ändert, was den Bestand von Honorarvereinbarungen durch Makler oder von ähnlichen, vom Kunden geschuldeten Entlohnungen eines Versicherungsvertreters angeht.
Faktisch bedeutet das, dass auch eine Kostenausgleichsvereinbarung ein Kündigungsrecht vorsehen muss, das analog der Kündigung der Lebensversicherung ausgeübt werden kann.
Der BGH hat außerdem dem Kunden den geforderten Rückzahlungsanspruch zugebilligt. Grund hierfür ist, dass der Kunde eine Widerrufserklärung der Kostenausgleichsvereinbarung ausgesprochen hatte, die der Versicherer abgelehnt hatte, die aber vom BGH als zulässig angesehen wird. Denn Prisma Life hatte versäumt, den Kunden ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren. Aus der Widerrufsbelehrung des Versicherers war nicht erkennbar, wie sich ein Widerruf auf die separate Kostenausgleichsvereinbarung auswirkt. Da aber beide Verträge als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind, ist eine entsprechende Belehrung notwendig, aus der hervorgeht, dass bei einem Widerruf der Versicherung auch Kostenausgleichsvereinbarung als widerrufen gilt.
Autor(en): Matthias Beenken