Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat die Kostenausgleichsvereinbarung unter bestimmten Umständen als Umgehung eines gesetzlichen Verbots und deshalb als nichtig bewertet. In jedem Fall muss der Kunde dazu in besonderem Maß beraten und über Nachteile im Frühstornofall aufgeklärt werden. Auch wenn die beiden ausländischen Versicherer, die hierzulande mit so genannten Kostenausgleichsvereinbarungen operieren, bisher ein höchstrichterliches Urteil erfolgreich verhindert haben, verdichtet sich doch immer mehr eine kritische Meinung der Rechtsprechung zu dieser Vertragsgestaltung. Das "Schlupfloch aus der Provisionsfalle", wie einer der Versicherer diese Kombination aus Nettotarif und getrenntem Vertrag über die Abschlusskosten gegenüber Vermittlern geworben hatte, scheint sich damit zunehmend zum "Schlupfloch in die Haftungsfalle" zu entwickeln.
Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 12 U 85/13) eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe aufgehoben und die Klage des Versicherers aus Liechtenstein gegen eine Kundin auf Abzahlung seiner Kostenausgleichsvereinbarung abgewiesen. Allerdings ist noch eine Revision beim Bundesgerichtshof zulässig.
Rente mit 74, und das für 70 Promille
Stein des Anstoßes war der Abschluss einer Rentenversicherung im September 2011 mit einem Monatsbeitrag von 200 Euro und einer angesichts des Eintrittsalters von 34 Jahren erstaunlichen Laufzeit von 40 Jahren. In den ersten fünf Jahren sollte ratierlich der Kostenausgleich getilgt werden, der zudem auf den Beitrag angerechnet wurde, sodass zunächst 112 Euro Kostenausgleich und 88 Euro Beitrag geleistet wurden. Insgesamt sollten 6.720 Euro "Abschluss- und Einrichtungskosten" auf diese Weise gezahlt werden, was in einer vergleichbaren Bruttopolice immerhin 70 Promille Abschlusskosten entsprochen hätte.
Die Kundin stellte die Zahlungen im April 2012 ein und erklärte anschließend Widerruf, Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und Kündigung mit sofortiger Wirkung. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits sieben Monatsbeiträge geflossen. Der Versicherer ermittelte aus den bis dahin erfolgten 616 Euro Beitragszahlung einen Rückkaufswert von knapp 308 Euro und stellte die ungetilgten Raten des Kostenausgleichs in einer Summe fällig.
Strittig war unter anderem, ob die Kundin richtig beraten worden war, vor allem aber, ob die Forderung auf Abzahlung der gesamten Abschlusskosten mit § 169 Absatz 5 VVG vereinbar ist, wonach ein Abzug ungetilgter Abschlusskosten beim Rückkauf nicht zulässig ist. Dieser Paragraf ist nach Ansicht des Versicherers nicht anzuwenden, weil es sich nicht um eine Bruttopolice, sondern eine Nettopolice mit einer transparenten, separaten Vereinbarung über den Kostenausgleich handelte. Diese Gestaltung sei ausdrücklich vom Gesetzgeber zugelassen worden.
Kostenausgleich nicht mit Honorarvereinbarung vergleichbar
Das Gericht setzt sich unter anderem damit auseinander, dass die Kostenausgleichsvereinbarung gerade keine Honorarvereinbarung darstellt, wie sie ein Versicherungsmakler auch durch den BGH jüngst noch einmal bestätigt durchführen kann. Bei einer echten Honorarvereinbarung kann sich der Kunde nicht darauf berufen, dass das Vermittlungsentgelt das Schicksal der Versicherungsprämie teilt. Anders dagegen bei der Kostenausgleichsvereinbarung: Hier entsteht eine direkte Vereinbarung mit dem Versicherungsunternehmen. Das OLG sieht zudem in der Tatsache, dass die beiden Verträge durch Verrechnung des Beitrags mit dem Kostenausgleich in den ersten fünf Vertragsjahren verknüpft sind, ein Indiz dafür, dass es sich hier um eine Umgehung der ansonsten üblichen Einkalkulierung der Provisionen handelt.
Das OLG Karlsruhe weist auch darauf hin, was der Sinn der Regelung des § 169 Absatz 5 VVG war. Die VVG-Reformkommission und der Gesetzgebers wollten verhindern, dass eine Forderung ungetilgter Abschlusskosten als "eine Art Vertragsstrafe" wirkt und damit Kündigungen erschwert werden. Genau das wird aber ist nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall erreicht.
Weiter würdigt das Gericht durchaus die Kostentransparenz als einen grundsätzlichen Vorteil gegenüber Bruttopolicen. Allerdings sei hier durch eine formularmäßige Vorgabe der Verrechnung der Kosten und eine fehlende Möglichkeit zur Einmaltilgung der Abschlusskosten die Folge anzunehmen, dass die gesamte Vertragsgestaltung vom Kunden wirtschaftlich wie bei einer Bruttopolice wahrgenommen wird. Auch bei einer Bruttopolice würden die Regeln zur Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre nach § 169 Absatz 3 VVG und das nachträgliche Tilgungsverbot nicht etwa dadurch außer Kraft gesetzt werden können, dass der Versicherer dem Kunden die kalkulatorische Aufteilung auf "Abschlusskosten" und "Einrichtungskosten" mitteilt.
Selbst wenn die Kostenausgleichsvereinbarung keine Umgehung eines gesetzlichen Verbots darstellt, hält das OLG Karlsruhe die Bestimmungen wegen Intransparenz für unwirksam. Denn es werde der Eindruck erweckt, dass es doch eine Schicksalsgemeinschaft zwischen Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung gibt. Unter anderem wird in den Bedingungen des Kostenausgleichs sogar ausdrücklich auf den Versicherungsvertrag Bezug genommen. Die Pflicht zur Fortzahlung des Kostenausgleichs nach Ende des Versicherungsvertrags wird auch als überraschend eingeordnet, denn das sei bei einem durch den Versicherer vergüteten Vermittler üblicherweise gerade nicht zu erwarten.
Beratungsverschulden von Versicherer und Vermittler
In jedem Fall aber, so das Gericht, müssen sich Vermittler und Versicherer ein Beratungsverschulden vorwerfen lassen, weil sie die Kundin nicht eindeutig nachweislich über die Schlechterstellung im Frühstornofall aufgeklärt haben. Das insbesondere, als gerade die VVG-Reformkommission darauf hingewiesen hat, dass Lebensversicherungen relativ häufig frühzeitig gekündigt werden. Auch das Beratungsprotokoll wurde beanstandet, weil es nur auf einen Vorteil Kostentransparenz, aber nicht auf den erheblichen Nachteil im Frühstornofall hinweist.
In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass der vermeintliche Vorteil der Kostentransparenz auch bei einer Bruttopolice durch eine entsprechende Mitteilung über die Verwendung der Versichertengelder für bestimmte Kosten hergestellt werden könnte. Es wird nicht erwähnt, dass dies seit Mitte 2008 infolge der VVG-Informationspflichtenverordnung und dem danach vorgesehenen Ausweis der einkalkulierten Kosten bereits der Fall ist. Faktisch dürfte damit selbst das Argument der Kostentransparenz als Kundenvorteil hinfällig sein. Die betreffenden Versicherer müssen sich wohl bessere Argumente einfallen lassen, mit denen sie die durchaus hohen Abschlusskosten sowie den beachtlichen Nachteil im Frühstornofall rechtfertigen.
Bildquelle: ©Gerd Altmann/
Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 12 U 85/13) eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe aufgehoben und die Klage des Versicherers aus Liechtenstein gegen eine Kundin auf Abzahlung seiner Kostenausgleichsvereinbarung abgewiesen. Allerdings ist noch eine Revision beim Bundesgerichtshof zulässig.
Rente mit 74, und das für 70 Promille
Stein des Anstoßes war der Abschluss einer Rentenversicherung im September 2011 mit einem Monatsbeitrag von 200 Euro und einer angesichts des Eintrittsalters von 34 Jahren erstaunlichen Laufzeit von 40 Jahren. In den ersten fünf Jahren sollte ratierlich der Kostenausgleich getilgt werden, der zudem auf den Beitrag angerechnet wurde, sodass zunächst 112 Euro Kostenausgleich und 88 Euro Beitrag geleistet wurden. Insgesamt sollten 6.720 Euro "Abschluss- und Einrichtungskosten" auf diese Weise gezahlt werden, was in einer vergleichbaren Bruttopolice immerhin 70 Promille Abschlusskosten entsprochen hätte.
Die Kundin stellte die Zahlungen im April 2012 ein und erklärte anschließend Widerruf, Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und Kündigung mit sofortiger Wirkung. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits sieben Monatsbeiträge geflossen. Der Versicherer ermittelte aus den bis dahin erfolgten 616 Euro Beitragszahlung einen Rückkaufswert von knapp 308 Euro und stellte die ungetilgten Raten des Kostenausgleichs in einer Summe fällig.
Strittig war unter anderem, ob die Kundin richtig beraten worden war, vor allem aber, ob die Forderung auf Abzahlung der gesamten Abschlusskosten mit § 169 Absatz 5 VVG vereinbar ist, wonach ein Abzug ungetilgter Abschlusskosten beim Rückkauf nicht zulässig ist. Dieser Paragraf ist nach Ansicht des Versicherers nicht anzuwenden, weil es sich nicht um eine Bruttopolice, sondern eine Nettopolice mit einer transparenten, separaten Vereinbarung über den Kostenausgleich handelte. Diese Gestaltung sei ausdrücklich vom Gesetzgeber zugelassen worden.
Kostenausgleich nicht mit Honorarvereinbarung vergleichbar
Das Gericht setzt sich unter anderem damit auseinander, dass die Kostenausgleichsvereinbarung gerade keine Honorarvereinbarung darstellt, wie sie ein Versicherungsmakler auch durch den BGH jüngst noch einmal bestätigt durchführen kann. Bei einer echten Honorarvereinbarung kann sich der Kunde nicht darauf berufen, dass das Vermittlungsentgelt das Schicksal der Versicherungsprämie teilt. Anders dagegen bei der Kostenausgleichsvereinbarung: Hier entsteht eine direkte Vereinbarung mit dem Versicherungsunternehmen. Das OLG sieht zudem in der Tatsache, dass die beiden Verträge durch Verrechnung des Beitrags mit dem Kostenausgleich in den ersten fünf Vertragsjahren verknüpft sind, ein Indiz dafür, dass es sich hier um eine Umgehung der ansonsten üblichen Einkalkulierung der Provisionen handelt.
Das OLG Karlsruhe weist auch darauf hin, was der Sinn der Regelung des § 169 Absatz 5 VVG war. Die VVG-Reformkommission und der Gesetzgebers wollten verhindern, dass eine Forderung ungetilgter Abschlusskosten als "eine Art Vertragsstrafe" wirkt und damit Kündigungen erschwert werden. Genau das wird aber ist nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall erreicht.
Weiter würdigt das Gericht durchaus die Kostentransparenz als einen grundsätzlichen Vorteil gegenüber Bruttopolicen. Allerdings sei hier durch eine formularmäßige Vorgabe der Verrechnung der Kosten und eine fehlende Möglichkeit zur Einmaltilgung der Abschlusskosten die Folge anzunehmen, dass die gesamte Vertragsgestaltung vom Kunden wirtschaftlich wie bei einer Bruttopolice wahrgenommen wird. Auch bei einer Bruttopolice würden die Regeln zur Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre nach § 169 Absatz 3 VVG und das nachträgliche Tilgungsverbot nicht etwa dadurch außer Kraft gesetzt werden können, dass der Versicherer dem Kunden die kalkulatorische Aufteilung auf "Abschlusskosten" und "Einrichtungskosten" mitteilt.
Selbst wenn die Kostenausgleichsvereinbarung keine Umgehung eines gesetzlichen Verbots darstellt, hält das OLG Karlsruhe die Bestimmungen wegen Intransparenz für unwirksam. Denn es werde der Eindruck erweckt, dass es doch eine Schicksalsgemeinschaft zwischen Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung gibt. Unter anderem wird in den Bedingungen des Kostenausgleichs sogar ausdrücklich auf den Versicherungsvertrag Bezug genommen. Die Pflicht zur Fortzahlung des Kostenausgleichs nach Ende des Versicherungsvertrags wird auch als überraschend eingeordnet, denn das sei bei einem durch den Versicherer vergüteten Vermittler üblicherweise gerade nicht zu erwarten.
Beratungsverschulden von Versicherer und Vermittler
In jedem Fall aber, so das Gericht, müssen sich Vermittler und Versicherer ein Beratungsverschulden vorwerfen lassen, weil sie die Kundin nicht eindeutig nachweislich über die Schlechterstellung im Frühstornofall aufgeklärt haben. Das insbesondere, als gerade die VVG-Reformkommission darauf hingewiesen hat, dass Lebensversicherungen relativ häufig frühzeitig gekündigt werden. Auch das Beratungsprotokoll wurde beanstandet, weil es nur auf einen Vorteil Kostentransparenz, aber nicht auf den erheblichen Nachteil im Frühstornofall hinweist.
In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass der vermeintliche Vorteil der Kostentransparenz auch bei einer Bruttopolice durch eine entsprechende Mitteilung über die Verwendung der Versichertengelder für bestimmte Kosten hergestellt werden könnte. Es wird nicht erwähnt, dass dies seit Mitte 2008 infolge der VVG-Informationspflichtenverordnung und dem danach vorgesehenen Ausweis der einkalkulierten Kosten bereits der Fall ist. Faktisch dürfte damit selbst das Argument der Kostentransparenz als Kundenvorteil hinfällig sein. Die betreffenden Versicherer müssen sich wohl bessere Argumente einfallen lassen, mit denen sie die durchaus hohen Abschlusskosten sowie den beachtlichen Nachteil im Frühstornofall rechtfertigen.
Bildquelle: ©Gerd Altmann/
Autor(en): Matthias Beenken