Kommt die Gesundheitsreform an Köhler vorbei?

Gesundheit, egal ob staatlich oder privat organisiert, wird künftig spürbar teurer. Dafür sorgt die Gesundheitsreform, die Mitte Februar mit dem Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde nahm und zum 1. April 2007 in Kraft tritt. Ob Bundespräsident Horst Köhler dem Aufruf mehrerer Verbände folgt und das "Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung" (GKV-WSG) noch stoppt, ist mehr als fraglich. Dabei ist vom ursprünglichen Entwurf nicht mehr viel übrig, und nun gehen weder die Beiträge zurück, noch wird die Finanzierung nachhaltig gesichert. Die größten Neuerungen sollen erst 2009 - das Wahljahr für den nächsten Bundestag - in Kraft treten.

Schon zum 1. April 2007 gilt eine neue Versicherungspflicht für Menschen, die zurzeit keine Absicherung im Krankheitsfall haben, früher aber gesetzlich krankenversichert waren. Sie müssen sich an die Kasse wenden, bei der sie zuletzt versichert waren. Wer dies versäumt, muss später mit Strafe rechnen und alle Beiträge ab 1. April 2007 nachzahlen (sonst streicht die Kasse die Leistungen auf ein Minimum zusammen) oder Säumniszuschläge zahlen. Betroffen sind vor allem Selbständige, Langzeitarbeitslose, die kein ALG II beziehen, sowie Geschiedene, die sich nach der Trennung nicht freiwillig versichert hatten.

Zudem gibt es Änderungen bei der medizinischen Versorgung, darunter eine Ausweitung der ambulanten Versorgung durch Kliniken, finanzielle Beteiligung von GKV-Versicherten an Folgekosten für medizinisch nicht notwendige Maßnahmen (z. B. Schönheits-OP), neue Wahltarife für besondere Versorgungsformen, freie Wahl der Reha-Einrichtung sowie die Leistungspflicht der Kassen für bisherige Satzungsleistungen, darunter von der staatlichen Impfkommission empfohlene Impfungen sowie Mutter(Vater)-Kind-Kuren.

Apropos Wahltarife: Zum 1. April dürfen die gesetzlichen Krankenkassen Wahltarife anbieten und so stärker als bisher im Wettbewerb agieren. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Wahltarifen, die sie anbieten müssen, und solchen, die sie anbieten können. Bei MUSS-Tarifen können sich Kunden freiwillig entscheiden, ob sie das wollen, oder ob alles bleibt wie bisher. MUSS-Tarife für folgende Versorgungsformen kommen:

- integrierte Versorgung,

- besondere ambulante ärztliche Versorgung,

- strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten (DMP),

- Modellvorhaben und

- Hausarztzentrierte Versorgung.

Die Kasse kann in diesen Wahltarifen festlegen, dass die Versicherten entweder eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen für die Teilnahme erhalten. Eine gesetzliche Mindestbindungsfrist für solche Tarife ist nicht vorgesehen.

Anders bei den KANN-Tarifen: Dort gilt eine Mindestbindungsfrist von drei Jahren. Das heißt, dass die Versicherten sich für diesen Zeitraum auf einen solchen Tarif gegenüber ihrer Krankenkasse festlegen. Die Kasse kann vor Ablauf dieser Zeit auch nur in Härtefällen gewechselt werden. Die Prämienzahlungen an Kunden sind begrenzt: Sie dürfen grundsätzlich 20 Prozent des Jahresbeitrages, höchstens jedoch 600 Euro, nicht überschreiten. Zu KANN-Tarifen zählen:

- Selbstbehalttarife,

- Tarife für Nichtinanspruchnahme von Leistungen,

- variable Kostenerstattungstarife,

- und Tarife, die die Übernahme der Kosten für von der Regelversorgung ausgeschlossene Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen beinhalten.

Schon seit 2. Februar 2007 gilt ein erschwerter Wechsel von der GKV zur PKV: Der Verdienst muss in drei aufeinander folgenden Jahren über der Versicherungspflichtgrenze von knapp 4.000 Euro brutto pro Monat gelegen haben, ehe gewechselt werden darf. Übrigens: Ab 1. Juli 2007 gibt es auch ein Recht auf privaten Krankenschutz: Menschen ohne Krankenversicherung müssen sich ab sofort im Standardtarif privat versichern (ohne Gesundheitsprüfung; ohne Risikozuschlag), wenn sie zuletzt auch privat versichert waren.

Autor(en): Detlef Pohl

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