Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) haben ein gemeinsames Diskussionspapier veröffentlicht. Das Papier listet auf, wie private Haushalte und Unternehmen in der Europäischen Union besser gegen klimabedingte Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Waldbrände zu versichern sind.
Auswirkungen von Naturkatastrophen auf Wirtschaft und Finanzsystem begrenzen
Die Akzeptanz und Effizienz von Versicherungen gegen Klimakatastrophen soll erhöht werden und gleichzeitig sollen Anreize zur Anpassung an beziehungsweise Verringerung von Klimarisiken geschaffen werden.
„Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Versicherungen gegen Klimakatastrophen abgeschlossen werden, um die zunehmenden Auswirkungen von Naturkatastrophen auf die Wirtschaft und das Finanzsystem zu begrenzen“, so EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. „Damit jedoch Verluste von vornherein minimiert werden, müssen wir sicherstellen, dass neben einem reibungslosen und schnellen Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft auch wirksame Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ergriffen werden.“
Die Vorsitzende der EIOPA, Petra Hielkema, hat dazu folgende Meinung: „Versicherungen spielen eine wichtige Rolle beim Schutz der Unternehmen und der Bevölkerung vor klimabedingten Katastrophenschäden. So stehen rasch die notwendigen Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung. Um unsere Gesellschaft wirksam zu schützen, müssen wir das Problem der zunehmenden Versicherungslücke angehen und geeignete Lösungen vorschlagen.“
Nur etwa ein Viertel aller klimabedingten Katastrophenschäden versichert
Derzeit ist nur etwa ein Viertel aller klimabedingten Katastrophenschäden in der Europäischen Union versichert. In einigen Ländern sind es sogar weniger als fünf Prozent. Nach Ansicht von EZB und EIOPA liegt dies zum Teil daran, dass viele Menschen die Kosten klimabedingter Schäden unterschätzen. Manche scheuen auch eine Versicherung und verlassen sich lieber auf staatliche Hilfen. Da Naturkatastrophen immer häufiger auftreten und größere Ausmaße annehmen, werden die Versicherungskosten voraussichtlich steigen. Einige Versicherer werden möglicherweise die Risikodeckung reduzieren oder bestimmte Arten von Katastrophenversicherungen gar nicht mehr anbieten. Damit würde sich die Versicherungslücke weiter vergrößern.
Eine fehlende Versicherung gegen Klimakatastrophen kann sich negativ auf die Wirtschaft und die Finanzstabilität auswirken, sind die beiden Akteure überzeugt. Sind Verluste nicht durch eine Versicherung gedeckt, dauert es länger, bis private Haushalte und Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit wieder aufnehmen können. Die Folge ist eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Erholung.
Die öffentlichen Finanzen könnten belastet werden
Zudem können anhaltende Lieferkettenstörungen zu Ansteckungseffekten zwischen Unternehmen führen und deren Fähigkeit, Kredite zurückzuzahlen, beeinträchtigen. Dadurch erhöhen sich wiederum die Kreditrisiken der Banken. Hinzu kommt, dass die öffentlichen Finanzen belastet werden könnten, wenn der Staat für nicht versicherte Verluste einspringen muss.
Damit der Versicherungsabdeckungsgrad steigt, schlagen die EZB und die EIOPA Folgendes vor: Die Versicherer sollten ihre Verträge so ausgestalten, dass private Haushalte und Unternehmen zur Risikominderung ermuntert werden. So könnten beispielsweise Rabatte für die Umsetzung wirksamer Risikominderungs- oder Anpassungsmaßnahmen gewährt werden.
Könnten verstärkt Katastrophenanleihen zum Einsatz kommen
Um das Gesamtangebot an Versicherungen zu unterstützen, könnten verstärkt Katastrophenanleihen zum Einsatz kommen. Dadurch würde ein Teil des Risikos an Kapitalmarktinvestoren weitergegeben. Denkbar wäre auch, dass die Regierungen öffentlich-private Partnerschaften gründen und Backstops einrichten, um die möglichen Kosten teilweise zu decken, die den Versicherern bei größeren Katastrophen entstehen.
Um sich selbst zu schützen und sicherzustellen, dass die öffentlichen Mittel effizient eingesetzt werden, sollten die Regierungen zudem starke Anreize zur Risikominderung setzen. Schließlich könnten die nationalen Versicherungssysteme durch ein EU-weites öffentliches System ergänzt werden, über das europäischen Ländern nach seltenen, klimabedingten Großkatastrophen genügend Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt würden.
EZB und EIOPA wollen Rückmeldungen zu politischen Optionen sammeln
Das gemeinsame Diskussionspapier ist Teil der Klimaagenda der EZB und ihrer allgemeinen Bemühungen um ein besseres Verständnis klimabezogener Risiken. Es soll die Debatte darüber vorantreiben, wie die Lücke in der Klimaversicherung geschlossen werden kann. Die EZB und die EIOPA wollen die Rückmeldungen zu den politischen Optionen sammeln und am 22. Mai 2023 in einem Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern der Regulierungsbehörden, der Politik, der Versicherungswirtschaft und der Wissenschaft darüber diskutieren.
Quelle: Europäische Zentralbank
Autor(en): versicherungsmagazin.de