Wie die „Kesselflicker“ würden Verbraucherschützer und Vermittler miteinander streiten. Der Ex-Vorsitzende des Bundes der Versicherten reicht die Hand zur Versöhnung – reicht das?
Seit Axel Kleinlein sehr überraschend von seinen Pflichten als Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten entbunden wurde, empfiehlt er sich öffentlich als Kolumnist im Handelsblatt. Eben jenem Medium, dass sich so ausgiebig mit den Budapestfahrten eines Strukturvertriebs beschäftigt und immer neues Öl ins mediale Fegefeuer gegossen hatte, dass der Eindruck einer gezielten Kampagne gegen den betroffenen Ergo-Konzern nicht mehr ganz von der Hand zu weisen war.
Vergangene Woche nun brach Kleinlein eine Lanze für die Vermittler, durch Ausrufezeichen verstärkt. Ausdrücklich spricht er das immer noch auf Youtube zu sehende „Finanzhai“-Video der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg an, in dem die gesamte Berufsgruppe der Versicherungsvermittler sowie die von ihnen angebotenen Versicherungsprodukte pauschal diskreditiert werden, oder auch die Schelte, die Vermittler regelmäßig von der Verbraucherzentrale Hamburg erhalten.
Selbstkritik? Fehlanzeige!
Dabei erwähnt Kleinlein jedoch nicht seine eigenen Beiträge zu einem aufgeheizten Klima, in dem ein öffentliches Misstrauen gegenüber jeder Art von versicherungsförmiger Vorsorge und den Vermittlern solcher Produkte entstanden ist. So hat er beispielsweise für das Magazin Ökotest Renditeberechnungen erstellt, nach denen ein Honorartarif regelmäßig die Bruttotarife überfügelte – das Honorar – das zudem keiner Stornohaftung unterliegt – wurde jedoch aus den Berechnungen vollständig ausgeklammert.
Besonders erfolgreich war das öffentliche Riester-Bashing mit einer DIW-Studie, wonach Riester-Versicherte ihr Geld besser in den Sparstrumpf stecken sollten. Die Medien griffen das Thema wegen der Schlagzeilengarantie begeistert auf, verschiedene Forschungsinstitute beschäftigten sich anschließend ebenfalls damit. Auch im Fall Riester muss Kleinlein sich nachsagen lassen, dass seine kritischen Aussagen unter bestimmten, für die zu beurteilenden Produkte besonders ungünstig gesetzten Rahmenbedingungen zustande gekommen sind. Konstruktive Kritik sieht anders aus.
Besser auf Gesetzliche Rente setzen
Auf einer Vermittlerveranstaltung verstieg sich Kleinlein im vergangenen Jahr sogar dazu, den anwesenden Maklern auf deren Frage, was sie denn dann den Kunden überhaupt noch zur Altersvorsorge empfehlen sollten, mitzuteilen, dass es überhaupt keine empfehlenswerten Produkte gibt. Stattdessen sollte der Gesetzgeber über eine Öffnung der Gesetzlichen Rentenversicherung für freiwillige Zuzahlungen nachdenken.
Warten auf das ideale Produkt – bis zur Altersarmut
„In einer idealen Welt würden Versicherungsunternehmen die Verträge so stricken, dass Verbraucherschützer wenig zu beanstanden haben und auch Vermittler diese Verträge gut an den Mann (und die Frau) bringen können“, meint Kleinlein. Das hört sich gut an – was aber sind „günstige und verständliche Verträge“, die „ohne großes Zusatzstudium“ zu verstehen sind? Die Kapitallebensversicherung war ein solches Produkt – und sie ist im Fegefeuer des Verbraucherschutzes untergegangen. Stattdessen soll die Quadratur des Kreises her, höchste Rentabilität (ist das ein für Versicherungen geeignetes Kriterium?), absolute Transparenz, und doch irgendwie ein solidarisches und damit nicht vorhersehbares, ja geradezu immanent intransparentes Ausgleichselement? Die Versuche, solche Produkte zu bauen, werden von Kleinlein jedenfalls auch gleich wieder als unverständliche „neuartige Garantieprodukte“ abgelehnt.
Lieber überhaupt vorsorgen als nur abwarten
Dass der Verbraucherschutz wichtig ist, den Finger in die Wunde zu legen, darüber gibt es zwischen Vermittlern und Verbraucherschützern weitaus weniger Dissens, als es scheint. Aber der Verbraucherschutz sollte auch endlich einmal anerkennen, dass es für Verbraucher immer noch besser ist, überhaupt vorgesorgt zu haben, als abzuwarten, bis das Kleinleinsche Idealprodukt erfunden, patentiert und zum Verkauf freigegeben ist. Denn daran wollen sich die Verbraucherschützer gar nicht erst beteiligen, das sei „Aufgabe der Versicherungsunternehmen“, so Kleinlein in seiner Glosse.
Der Verbraucher versteht von all der Kritik, so sehr sie in manchem Detail berechtigt ist, nur eines: Besser mal gar nichts machen. Und für diesen Rat leistet später niemand Schadenersatz, wenn der Verbraucher sich in der Altersarmut wiederfindet. Aber der Vermittler, der ein ernsthaftes Gewerbe betreibt, davon sein Einkommen und das seiner Angestellten bestreitet, um Verbraucher auf solche drohenden Risiken hinzuweisen und Wege zur Vorsorge aufzuzeigen, der haftet für seinen Rat. Verkehrte Welt, oder?
Bild:© Gerd Altmann /
Seit Axel Kleinlein sehr überraschend von seinen Pflichten als Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten entbunden wurde, empfiehlt er sich öffentlich als Kolumnist im Handelsblatt. Eben jenem Medium, dass sich so ausgiebig mit den Budapestfahrten eines Strukturvertriebs beschäftigt und immer neues Öl ins mediale Fegefeuer gegossen hatte, dass der Eindruck einer gezielten Kampagne gegen den betroffenen Ergo-Konzern nicht mehr ganz von der Hand zu weisen war.
Vergangene Woche nun brach Kleinlein eine Lanze für die Vermittler, durch Ausrufezeichen verstärkt. Ausdrücklich spricht er das immer noch auf Youtube zu sehende „Finanzhai“-Video der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg an, in dem die gesamte Berufsgruppe der Versicherungsvermittler sowie die von ihnen angebotenen Versicherungsprodukte pauschal diskreditiert werden, oder auch die Schelte, die Vermittler regelmäßig von der Verbraucherzentrale Hamburg erhalten.
Selbstkritik? Fehlanzeige!
Dabei erwähnt Kleinlein jedoch nicht seine eigenen Beiträge zu einem aufgeheizten Klima, in dem ein öffentliches Misstrauen gegenüber jeder Art von versicherungsförmiger Vorsorge und den Vermittlern solcher Produkte entstanden ist. So hat er beispielsweise für das Magazin Ökotest Renditeberechnungen erstellt, nach denen ein Honorartarif regelmäßig die Bruttotarife überfügelte – das Honorar – das zudem keiner Stornohaftung unterliegt – wurde jedoch aus den Berechnungen vollständig ausgeklammert.
Besonders erfolgreich war das öffentliche Riester-Bashing mit einer DIW-Studie, wonach Riester-Versicherte ihr Geld besser in den Sparstrumpf stecken sollten. Die Medien griffen das Thema wegen der Schlagzeilengarantie begeistert auf, verschiedene Forschungsinstitute beschäftigten sich anschließend ebenfalls damit. Auch im Fall Riester muss Kleinlein sich nachsagen lassen, dass seine kritischen Aussagen unter bestimmten, für die zu beurteilenden Produkte besonders ungünstig gesetzten Rahmenbedingungen zustande gekommen sind. Konstruktive Kritik sieht anders aus.
Besser auf Gesetzliche Rente setzen
Auf einer Vermittlerveranstaltung verstieg sich Kleinlein im vergangenen Jahr sogar dazu, den anwesenden Maklern auf deren Frage, was sie denn dann den Kunden überhaupt noch zur Altersvorsorge empfehlen sollten, mitzuteilen, dass es überhaupt keine empfehlenswerten Produkte gibt. Stattdessen sollte der Gesetzgeber über eine Öffnung der Gesetzlichen Rentenversicherung für freiwillige Zuzahlungen nachdenken.
Warten auf das ideale Produkt – bis zur Altersarmut
„In einer idealen Welt würden Versicherungsunternehmen die Verträge so stricken, dass Verbraucherschützer wenig zu beanstanden haben und auch Vermittler diese Verträge gut an den Mann (und die Frau) bringen können“, meint Kleinlein. Das hört sich gut an – was aber sind „günstige und verständliche Verträge“, die „ohne großes Zusatzstudium“ zu verstehen sind? Die Kapitallebensversicherung war ein solches Produkt – und sie ist im Fegefeuer des Verbraucherschutzes untergegangen. Stattdessen soll die Quadratur des Kreises her, höchste Rentabilität (ist das ein für Versicherungen geeignetes Kriterium?), absolute Transparenz, und doch irgendwie ein solidarisches und damit nicht vorhersehbares, ja geradezu immanent intransparentes Ausgleichselement? Die Versuche, solche Produkte zu bauen, werden von Kleinlein jedenfalls auch gleich wieder als unverständliche „neuartige Garantieprodukte“ abgelehnt.
Lieber überhaupt vorsorgen als nur abwarten
Dass der Verbraucherschutz wichtig ist, den Finger in die Wunde zu legen, darüber gibt es zwischen Vermittlern und Verbraucherschützern weitaus weniger Dissens, als es scheint. Aber der Verbraucherschutz sollte auch endlich einmal anerkennen, dass es für Verbraucher immer noch besser ist, überhaupt vorgesorgt zu haben, als abzuwarten, bis das Kleinleinsche Idealprodukt erfunden, patentiert und zum Verkauf freigegeben ist. Denn daran wollen sich die Verbraucherschützer gar nicht erst beteiligen, das sei „Aufgabe der Versicherungsunternehmen“, so Kleinlein in seiner Glosse.
Der Verbraucher versteht von all der Kritik, so sehr sie in manchem Detail berechtigt ist, nur eines: Besser mal gar nichts machen. Und für diesen Rat leistet später niemand Schadenersatz, wenn der Verbraucher sich in der Altersarmut wiederfindet. Aber der Vermittler, der ein ernsthaftes Gewerbe betreibt, davon sein Einkommen und das seiner Angestellten bestreitet, um Verbraucher auf solche drohenden Risiken hinzuweisen und Wege zur Vorsorge aufzuzeigen, der haftet für seinen Rat. Verkehrte Welt, oder?
Bild:© Gerd Altmann /
Autor(en): Matthias Beenken