"KI ist gekommen, um zu bleiben"

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Die ALH Gruppe will mithilfe Künstlicher Intelligenz ihre Prozesse optimieren. Noch sind die Projekte dazu im Experimentierstatus. Im Interview erläutert Vorstandsmitglied Frank Kettnaker die Details und verrät sein Rezept für eine erfolgreiche Social-Media-Präsenz.

Herr Kettnaker, welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei der ALH Gruppe?
Frank Kettnaker: Wir experimentieren auf verschiedenen Feldern schon viel mit KI. Die Sicherheit unserer IT und unserer Kundendaten haben dabei aber höchste Priorität. Bevor wir in neue Tools nutzen, müssen wir zunächst wissen, wie sicher sie sind und was mit den Daten passiert. Deshalb kommt ChatGPT auch bis auf Weiteres nicht in der ALH Gruppe zum Einsatz. Kleine Anekdote: Ich habe eine Rede zu einer 25-jährigen Hochzeit von ChatGPT schreiben lassen. Die erste Version habe ich dann nochmal mit dem Befehl: „Schreibe die Rede emotionaler“ überarbeiten lassen. Ich war bei dem Ergebnis selbst den Tränen nahe. KI kann schon sehr viel, aber man muss die aktuellen Möglichkeiten und auch die Grenzen kennen.

Wie werden Sie weiter vorgehen?
Wir haben eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Dort beschäftigen wir uns damit, wo wir KI künftig einsetzen können, prüfen die IT-Sicherheit und entwickeln Use Cases. Wir haben ein unternehmensinternes Large Language Model aufgesetzt. Hier testen wir gerade einen ersten Piloten. Dieser Chat-Bot verfügt, wie ChatGPT, über allgemeines Weltwissen. Darüber hinaus arbeiten wir derzeit an spezifischeren Chat-Bots, denen wir zusätzliche eigene Daten einspeisen, zum Beispiel Tarifdruckstücke unserer Lebensversicherung. Das Tool soll dann Fragen beantworten können wie „Was unterscheidet Druckstück A und Druckstück B voneinander?“.

"Bevor wir in neue Tools nutzen, müssen wir zunächst wissen, wie sicher sie sind und was mit den Daten passiert."

Ein Sachbearbeiter müsste manuell den jeweiligen Passus heraussuchen, durchlesen, miteinander vergleichen, verstehen und dem Kunden die nachgefragte Veränderung mitteilen. Das ist ein Riesenprozess, den eine KI übernehmen könnte. Wir haben vor einiger Zeit unsere Makler auf einer Veranstaltung gefragt: „Nehmen wir an, wir hätten ein Large Language Model, in das alle Generationen unserer Versicherungsbedingungen integriert wären. Wärt ihr bereit, mit einem Bot zu telefonieren und nicht mit einem Menschen, wenn ihr innerhalb von Sekunden schneller eine Aussage bekommt?“ Zu 90 Prozent war die Antwort „Ja“. Witzig ist dabei, dass wir eine höhere Anforderung haben, wenn Technik im Spiel ist. Das heißt, die Voraussetzung für Vertrauen in die Technik ist, dass die Aussagen verlässlich sind. Dabei wird oft vergessen, dass sich auch Menschen irren können und deren Aussagen per se nicht verlässlicher sind als die eines Bots.

Welchen Nutzen hat Ihr Unternehmen vom KI-Einsatz?
Unsere Intention dabei ist natürlich auch, unsere Sachbearbeiter von hoch administrativen Aufgaben zu entlasten, damit sie sich noch besser um die Kunden kümmern können, also stärkeren Kundenservice durch KI-Unterstützung. Inzwischen versteht die KI sogar Freude oder Ärger, wenn sie Briefe von Kunden liest, und kann so Anfragen vorselektieren. Die potenziellen Einsatzmöglichkeiten sind immens. Ich persönlich bin der Ansicht, KI ist gekommen, um zu bleiben. Sie wird die Menschen aber nicht ersetzen, weil der Mensch in der Dienstleistung eine relevante Rolle spielt. KI-Einsatz bei uns heißt nicht, dass wir Mitarbeitende ersetzen wollen. Wir wollen unser Wachstum mit einem geringeren Anteil der zur Verfügung stehenden Fachkräfte leisten können.

Sie haben in den sozialen Medien eine große Sichtbarkeit. Was war der Auslöser für Ihr Social-Media-Engagement?
Ich muss ehrlich zugeben, ich musste überredet werden. Unser Marketing kam irgendwann auf mich zu und sagte: „Wir brauchen Markenbotschafter und müssen mehr Präsenz in den sozialen Netzwerken zeigen. Kannst du uns unterstützen?“ Meine erste Reaktion war, dass es neben 100 E-Mails, 20 Anrufen und 25 Whatsapp-Nachrichten pro Tag nicht zu schaffen ist, noch einen Social-Media-Kanal zu bespielen. Unser Marketing hat mir dann Unterstützung versprochen und ich habe mich auf das Experiment eingelassen. Die Resonanz war und ist durchweg positiv.

Was war aus Ihrer Sicht das Erfolgsrezept?
Meine Bereitschaft, mich auch privat zu öffnen. Ich gebe sehr viel von mir preis. Das muss man auch tun, denn das ist das Wesen der sozialen Medien. Steuerliche Abhandlungen zur betrieblichen Altersversorgung interessieren in Social Media niemanden. Aber wie Frank Kettnaker privat lebt, was er morgens frühstückt und wie so ein Leben als Vorstand aussieht, führt zu einer hohen Aufmerksamkeit. Das sind Themen, die Menschen von anderen wissen wollen. Wenn ich dann eine gewisse Reichweite habe, kann ich auch das eine oder andere fachliche Thema platzieren und das Ziel eines Markenbotschafters erreichen. Wahnsinnig viele junge Leute, die in den vergangenen zwölf Monaten zu uns gekommen sind, haben sich vorher mein LinkedIn-Profil angeschaut. Sie wollen wissen, wie die Menschen in dem Unternehmen ticken. Das heißt, Social-Media-Präsenz hilft uns sehr stark beim Recruiting.

Was sind Ihre nächsten Pläne?
Wir sind dabei, die Social-Media-Präsenz der Vorstände auf- und auszubauen. Der Account von Wiltrud Pekarek ist gerade in Vorbereitung. Danach folgen weitere Vorstände. Ich war der Vorreiter. Es ist heute einfach „State of the Art“, in den Sozialen Medien präsent zu sein. Wir haben auch vor Kurzem einen neuen Unternehmens-Account speziell für Vermittler ins Leben gerufen und werden diesen weiterentwickeln. Ein weiteres Ziel ist es, unsere Mitarbeiter zunehmend zu befähigen, ebenfalls Markenbotschafter des Unternehmens zu werden.

Weitere Antworten von Frank Kettnaker zu den Entwicklungen der ALH-Gruppe und zur Vertriebsstrategie lesen Sie im großen Interview in Versicherungsmagazin 7/24 ab 28.06.2024.

Autor(en): Anja Schüür-Langkau

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