Seit Beginn der Corona-Krise bauen Finanzdienstleister bei der Kundeninteraktion verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI). Doch oft werden ihre Bemühungen von den Nutzern nicht als positiv wahrgenommen, besagt eine Studie.
51 Prozent der Verbraucher nutzen täglich KI-fähige Interaktionen mit Bank- und Versicherungsunternehmen. Zugleich haben die Finanzdienstleister durch den Einsatz von KI in ihren kundenorientierten Funktionen die Betriebskosten um 13 Prozent gesenkt und den Umsatz pro Kunde um zehn Prozent gesteigert. Doch eine jüngst veröffentlichte, internationale Befragung hat gezeigt, dass die Geldhäuser und Versicherer ihre KI-Initiativen nur schwer skalieren können. Für die Studie "KI in Customer Experience for Financial Services" befragte das Beratungshaus Capgemini im April und Mai 2020 mehr als 5.000 Kunden in zwölf Ländern und wertete Interviews aus, die mit rund 300 Führungskräften großer Bank- und Versicherungshäuser 2019 geführt wurden.
Mehr KI-Interaktion aufgrund der Pandemie
Das Hauptproblem: Dort, wo Finanzdienstleister mit KI das Kundenerlebnis verbessern wollen, erfüllen sie oft nicht die mittlerweile deutlich gestiegenen Erwartungen der Nutzer. Dabei kommen immer mehr KI-basiert Tools zum Einsatz und die erlebten während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 einen zusätzlichen Schub. Derzeit haben der Erhebung zufolge 53 Prozent der Banken und 62 Prozent der Versicherer mehr als zwei Fünftel der Kundeninteraktionen mit KI-Anwendungen verknüpft. Vor drei Jahren war dies lediglich ein Prozent. Und infolge der Covid-19-Krise gehen aktuell 78 Prozent der Kunden von einem Anstieg kontaktloser Interaktionen wie Sprachassistenten, Gesichtserkennung oder Apps aus.
"Finanzdienstleistungsunternehmen haben viel zu gewinnen, wenn sie KI in ihren Kundenkontakt integrieren. Sie können dadurch auch das Kundenerlebnis neu gestalten. Bevor die Vorteile für Unternehmen und Verbraucher allerdings gleichermaßen voll zum Tragen kommen, sind weitere Schritte notwendig“, sagt Sandra Ficht, Head of Digital Banking bei Capgemini Invent in Deutschland. "Organisationen sollten bei ihren Kunden und Mitarbeitern vor allem herausstellen, was die KI für sie tun kann. Um das Beste aus dieser leistungsstarken Technologie herauszuholen, sind nicht nur Investitionen erforderlich, sondern auch die Aufklärung der Verbraucher, um deren Vertrauen zu gewinnen."
Kunden wollen ein menschenähnliches Erlebnis
Zwar wollen der Studie zufolge 94 Prozent der Finanzunternehmen mit KI in erster Linie das Kundenerlebnis verbessern. Doch kommt das in vielen Fällen nicht so an, wie beabsichtigt. In Deutschland sagen 46 Prozent der Befragten, kaum oder gar keinen Mehrwert aus KI-gestützten digitalen Berührungspunkten ziehen. 35 Prozent der Kunden von Banken und Versicherungen fehlt ein "menschenähnliches Erlebnis", heißt es. Sie wünschen sich zum Beispiel, dass die Interaktion etwa mit einem Chatbot einer realen Konversation ähnelt.
Dabei bietet laut der Studienautoren die aktuelle Krise gerade Banken und Versicherern eine gute Gelegenheit, KI-Elemente in der gesamten Wertschöpfungskette der Finanzdienstleistungen schneller einzuführen, da Kunden in der Pandemie vor allem aus Hygienegründen auf kontaktlose Interaktionen setzen. So nutzen 45 Prozent der Verbraucher nun verstärkt Zahlungsmethoden wie Karten, Internet-Banking und mobile Zahlungen. Auch hat die Akzeptanz kontaktloser Zahlungsmethoden in der Altersgruppe der 61- bis 65-Jährigen um 37 Prozent und bei den über 66-Jährigen um 33 Prozent zugenommen.
Führungsebene steht einem erfolgreichen KI-Einsatz oft im Weg
Warum dennoch nur fünf Prozent der Banken und sechs Prozent der Versicherer KI über mehrere Kundenberührungspunkte hinweg skaliert einsetzen, liegt laut der Erhebung oft innerhalb der Organisationen und vor allem am Widerstand in der Führungsebene. So berichten 52 Prozent der Banken und 53 Prozent der Versicherungskonzerne, dass dieser durch Ängste rund um fehlende Fachkenntnisse und Arbeitsplatzverlust entsteht. Weitere Hürden bei der KI-Einführung sind:
- die richtigen Anwendungsfälle für die Skalierung zu identifizieren,
- lange Phasen bis zur Implementierung und
- mangelndes Vertrauen der Kunden bei Interaktionen in Verbindung mit hohen Summen.
Autor(en): Angelika Breinich-Schilly